Review Nocte Obducta – Schwarzmetall (Ein primitives Zwischenspiel)

Stetig ist der Wandel. Was als Motto für die gesamte Karriere NOCTE OBDUCTAs gelten darf, wird auf Album Nummer drei zum ersten Mal deutlich. Auf „Schwarzmetall (Ein primitives Zwischenspiel)“ aus dem Jahr 2001 drehen die Mainzer die mit „Lethe“ und „Taverne“ etablierte Rezeptur wie aus dem Nichts auf links – ohne dabei jedoch ihre Identität preiszugeben. Wie es der Albumtitel bereits andeutet, bekennt sich die Gruppe hier zur Rohheit – und setzt damit in einer im Laufe der 90er-Jahre immer konsumierbarer, zugleich aber auch diverser gewordenen Szene ein Zeichen. Eines, das tatsächlich ein „Zwischenspiel“ bleiben sollte, vollführten NOCTE OBDUCTA doch bereits ein Jahr später auf „Galgendämmerung“ eine Rolle rückwärts und perfektionierten, anstatt an „Schwarzmetall“ anzuknüpfen, den Stil der beiden Erstlingswerke. Erst auf „Verderbnis (der Schnitter kratzt an jeder Tür)“ sollte NOCTE OBDUCTA den hier zelebrierten Purismus noch einmal in Ansätzen aufgreifen.

Im Zuge ihres durch und durch schwarzwurzeligen Interludiums zeigt sich die Band, um der Geste willen, (fast) ganz in Mono. Lediglich ein Stereo-Effekt durfte sich ins Klangbild schleichen, das wesentlich klirrender daherkommt als zuvor. Besonders die Gitarren wecken gar Erinnerungen an Darkthrones legendäre Trilogie aus „A Blaze In The Northern Sky“, „Under A Funeral Moon“ und „Transilvanian Hunger“. Trotz ihrer generellen Lo-Fi-Ästhetik ist die Produktion von dilettantischer Schrammelei allerdings weit entfernt und sollte niemanden, der sich im Black-Metal-Untergrund bewegt, ernsthaft stören. Die zuvor überaus präsenten Keyboards treten im Mix merklich in den Hintergrund und sind hier meist eher schmückendes Beiwerk, das noch ein zusätzliches Quäntchen atmosphärische Tiefe verleiht.

Auch die songwriterischen Mittel sind auf „Schwarzmetall“ auf das Wesentliche reduziert. So finden sich innerhalb der Songs, ganz anders als zuvor, nur noch wenige harte Breaks und Stimmungswechsel. Die gab es zuvor – gefühlt – alle paar Sekunden. Das macht das „primitive Zwischenspiel“ trotz seines aufs erste Hören abweisenderen Klangbilds unterm Strich sogar zugänglicher als seine Vorgänger. Dieser Ansatz hat allerdings auch zur Folge, dass besonders die Songs mit Überlänge manche Riff-Idee oder Keyboard-Melodie über Minuten hinweg auswalzen. Das kann man – völlig legitimerweise – als liebgewonnenes Genre-Stilmittel durchgehen lassen, oder sich aber gelangweilt abwenden. Ein Vorwurf ist der Band dafür kaum zu machen, drückt diese Herangehensweise doch genau das aus, wofür „Schwarzmetall“ stehen soll.

Die Varianz findet hier eher von Song zu Song statt: Da gibt es auf der einen Seite Nummern wie das Blastbeat-lastige „Fick die Muse“ und den Titelsong „Schwarzmetall (Hexer – Teil 2)“, der musikalisch wie lyrisch als trotziger Black-Metal-Punk daherkommt: „Nehmt noch ein Schlückchen Eiter, nehmt noch ein Schlückchen Blut.“ Auf der anderen Seite bewegt sich der Rest des Materials mehrheitlich zwischen zäh-fließend und Midtempo. „Die schwindende Glut“ etwa fließt geradezu doomig dahin. Auch „Gemälde derer, die schieden“ ist getragen und melancholisch, geprägt von einer traurigen Keyboard-Melodie und Lyrics zum Thema Endlichkeit, die eine Friedhof-Szene beschreiben.

„Schwarzmetall (Ein primitives Zwischenspiel)“ ist für NOCTE-OBDUCTA-Fans durchaus hörenswert, gehört jedoch nicht zu den großen Glanzpunkten der Diskografie. Das Material ist solide, fällt aber aus der Reihe und ist somit für Einsteiger in das Werk der Mainzer ebenso wenig geeignet wie das des Post-Rock-Ausflugs „Sequenzen einer Wanderung“. Darkthrone-Anhänger oder NOCTE-Hörer, die Platten wie die beiden „Nektar“-Teile, „Galgendämmerung“ und „Umbriel“ bereits kennen, dürfen hier ein Ohr riskieren, sofern sie sich mit dem Gedanken anfreunden können, auch die ungeschliffene Seite der Band kennenzulernen.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

Ein Kommentar zu “Nocte Obducta – Schwarzmetall (Ein primitives Zwischenspiel)

  1. Stilistisch finde ich liegt die aktuelle Veröffentlichung ‚Karwoche – Die Sonne der Toten pulsiert‘ sehr nah an der Schwarzmetall. Ich mag Nocte Obducta sehr gerne (sogar die Umbriel), habe NO aber erst vor wenigen Jahren entdeckt und eben erst in die Schwarzmetall rein gehört. Ich mag Musikstreaming nicht, weil ich es nicht einsehe schon vor Versand und Steuer gut 50 Ocken für ein einzelnes Album zu zahlen und mir nicht selbst eine lange Nase machen wollte habe ich bisher um das Album einen Bogen gemacht. Ich mag die progressiveren Sachen von NO deutlich lieber, wäre also unnötig gewesen. Ich hoffe jetzt einfach dass NO irgendwann wieder zu progressiveren Zeug wechseln, ist ja immerhin schonmal passiert.

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