Review Paradise Lost – Tragic Idol

Kinders, wie die Zeit vergeht. So soll es tatsächlich schon wieder drei Jahre her sein, seit mit „Faith Divides Us – Death Unites Us“ das letzte Lebenszeichen der britischen Düsterväter PARADISE LOST erschien. Nun, dem kann man sich wohl kaum verstellen, also sehen wir tapfer den Tatsachen ins Gesicht. Nach einigen dürren Jahren hatte das angesprochene Album die Männer um Nick Holmes wieder von ihrer besseren Seite gezeigt, vollmundig sind nun die Ankündigugen für Studiowerk 13, „Tragic Idol“.

Selbstverständlich wird einem das Album im Info als absoluter Meilenstein verkauft, das ist ok, da man mit derartigen Vorschusslorbeeren mittlerweile gut umzugehen weiß und sich rasch eine eigene Meinung bildet. Interessant sind die Zeilen, die sich etwas schüchtern im gesamten Text verbergen. Da spricht Greg Mackintosh doch tatsächlich davon, PARADISE LOST seien auf dem Album mehr vom Metal als von allem anderen inspiriert worden. Wir erinnern uns gerne, eben jener Mackintosh ist doch der selbsternannten „größte Hasser des Metals überhaupt“.
Ganz zustimmen mag ich dem auch nicht, sicherlich wartet die Fangemeinde der Alben „Icon“ und „Draconian Times“ seit Mitte der 90er auf den legitimen Nachfolger, aber ein solcher ist auch „Tragic Idol“ nicht. Oder sagen wir es anders, das Album klingt sicher mehr nach dieser Zeit als das zuletzt Dargebotene, aber es mischen sich definitiv auch Elemente von Alben wie „Believe In Nothing“ in den Sound, ausgeklammert werden können allerdings elektronische Einflüsse wie auf „One Second“ oder „Host“, dem wohl nach wie vor unverstandensten Album der Briten. Man sieht, dreizehn Alben Bandgeschichte bieten eine Menge Spielraum für Querverweise, aber damit soll es das an dieser Stelle gewesen sein, denn nachfolgend soll „Tragic Idol“ als das behandelt werden, was es verdient hat, nämlich eine eigenständige Beschreibung.

Vorzüge sind reichlich vorhanden, so viel vorab. Die Mischung aus rasch zündendem Material und sich langsam entwickelnden Songs ist gegeben, gerade im ersten Teil tummeln sich diverse Lieder, die ein gewaltiges Maß an Eingängigkeit besitzen. Mit diesem Speck fängt man die ersten Mäuse, die anderen werden sich über weiteres Lob freuen: wir hören tatsächlich gotischen Metal. Nicht übermäßig schnell, aber mit einer ordentlichen Prise Heaviness, mit Riffs, die sich an traditionellen Strukturen orientieren, aber durch schöne Arrangements nicht langweilig klingen. Mal fokussiert man sich auf verspielte Passagen, einige sehr harmonische Soli haben den Weg aufs Album gefunden, ebenso mag man es aber auch einfach und in seiner Atmosphäre kompromisslos. Nick Holmes zeigt sich endlich wieder als Frontmann, der mitreißt, der seine Stimme entsprechend seinem Potential voll entfaltet. Gegrowled wird verständlich- und erfreulicherweise natürlich nicht, was aber nicht heißen soll, dass der Gesang auf weichgespültem Niveau daherkommt. Aggressionen sind schon vorhanden, aber eher unterschwellig – wen erschreckt schon noch „gerufener“ oder „geschrieener“ Gesang? Etwas übertrieben hat man es vielleicht mit dem teilweise etwas übermäßig wirkenden Hall auf der Stimme, davon hätte eine geringere Dosierung auch gereicht, aber gut, ich erwähnte ja schon, dass es kompromisslos an die Atmosphäre ging. Dies belegen auch die Texte, auf die Holmes schon etwas stolz zu sein scheint, immerhin enthält das Info Liner Notes zu jedem einzelnen Song. Und wie man es erwarten konnte, geht es hier um die kleinen, die alltäglichen Dinge, die nahezu jeden betreffen. Welche Antworten gibst du deinen Kindern zum Thema Tod? Wer verhinderst du, deine eigenen Bedeutungslosigkeit zu vergessen? Wie kannst du deine Selbstachtung audrecht erhalten?

Man spürt, „Tragic Idol“ ist ein sehr wichtiges Album für die Band. Entsprechend haben sich die Briten hineingekniet und meiner Meinung die beste Musik seit „One Second“ erschaffen. An die Referenzwerke kommen sie nicht ganz heran, aber mit Songs wie „Crucify“, „In This We Dwell“ und vor allem dem überragenden „Impending Hell“ – um nur eine kleine Auswahl zu nennen – haben sie eine ausgesprochen starke Arbeit abgeliefert. Reinhören ist Pflicht, kaufen eigentlich auch!

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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