Review Roger Waters – Amused To Death

Wir schreiben das Jahr 1992. Ein unschuldiger Affe sitzt vor einem Fernsehgerät, zappt irritiert durch die Kanäle und versucht verzweifelt seine Schlüsse aus dem Gesehenen zu ziehen, einen Zusammenhang zwischen Dingen herzustellen, die er nicht begreifen kann. Er sieht die medialen Zerrbilder bombardierter Städte und sterbender Menschen – von quotengeilen Medienmachern zu Märtyrern hochstilisiert. Was das arme Tier über all das menschliche Unvermögen und Elend denkt, das erfährt der Hörer nicht. Er kann es allenfalls zwischen den Zeilen erahnen.

So lässt sich der konzeptuelle Rahmen von „Amused To Death“, ursprünglich 1992 von ROGER WATERS -seines Zeichens Ex-Pink-Floyd-Mastermind – veröffentlicht und 2015 mit viel Medienrummel wiederveröffentlicht, kurz zusammenfassen. Betroffenheitsmucke und Gutmenschenscheiße? Vielleicht. Und dennoch muss man Herrn WATERS lassen: Das alles ist einfach verdammt gut umgesetzt und erfrischend unpeinlich. Wo so manche Kollegen verkrampfen, wenn es darum geht, politische Agitation zu betreiben, da überzeugt WATERS durch dylan’eske Poesie und starke, lebendige Sprachbilder, welche die vermittelten Botschaften gleichermaßen kunstvoll wie glaubhaft verpacken. Das konnte WATERS schon auf den ähnlich gelagerten Floyd-Klassikern „The Wall“ und „The Final Cut“ sehr gut. Überhaupt erinnert „Amused To Death“ vor allem thematisch, stellenweise aber auch musikalisch an die beiden Werke der Prog-Rock-Heroen. Anti-Kriegs-Lyrik hier, Religions- und Medienkritik da. Die Lyrics mitzulesen ist hier praktisch Pflicht.

Doch auch rein musikalisch lässt ROGER WATERS kaum etwas anbrennen, obwohl die Musik des Öfteren zugunsten der Texte in den Hintergrund rückt. Hier wird schnell klar: Es wird geklotzt und nicht gekleckert. Immerhin sind nebst WATERS selbst ganze 26 (!) Studiomusiker, ein Orchester und ein Chor auf der Platte zu hören. Positiv hervorzuheben sind besonders die beiden Star-Gitarristen der Besetzung: Jeff Beck und Steve Lukather (Toto). Insbesondere Beck lässt in den drei Teilen von „What God Wants“ Gitarrenleads vom Stapel, für die 99% aller Rockgitarristen ihre Seele an den Teufel verkaufen würden. Ob es wohl Zufall ist, dass man sich dabei mehr als einmal an einen gewissen David Gilmour erinnert fühlt? Aufhorchen lassen aber auch der kraftvolle, emotionale Gesang von Soul-Sängerin P. P. Arnold am Schluss von „Perfect Sense, Part 1“, das im Vergleich zum Rest des Albums verhältnismäßig rockige „The Bravery Of Being Out Of Range“ sowie die von Akustikgitarren getragene Ballade „Watching TV“, die musikalisch gefühlvoll, textlich dafür umso bitterer daherkommt.

Ob es sich lohnt, die remasterte 2015er Neuveröffentlichung zu kaufen, wenn man das Original schon im Schrank stehen hat, das wage ich aufgrund mangelnder Kenntnis des ursprünglichen Sounds nicht zu beurteilen. Was man auf der neuen Version jedoch zu hören bekommt, das klingt fantastisch. Überhaupt dürfte das Re-Release besonders für Sound-Fetischisten interessant sein, enthält es doch eine BlueRay mit einem 5.1. Surround-Sound- und einem unkomprimierten 24 Bit/96 kHz-Stereo-Mix des Albums.

Wer die Scheibe allerdings noch nicht besitzt, der sollte sie sich genau jetzt zulegen, denn sie ist nichts weniger als ein seinerzeit unterpromotetes, verkanntes Meisterwerk, das nur darauf wartet, endlich die Wertschätzung zu erfahren, die es schon lange verdient hätte. Thematisch jedenfalls hat das Album keineswegs an Aktualität und Relevanz eingebüßt. Und leider wird es das wohl auch so schnell nicht tun. Denn solange „Brot und Spiele“ das Credo der Massenmedien ist und die Menschheit bereit ist, alles was über den Äther flimmert unreflektiert zu schlucken, ja, sich regelrecht indoktrinieren, zu Tode amüsieren zu lassen, solange kann ein Werk wie ROGER WATERS‘ „Amused To Death“ nicht hoch genug geschätzt werden.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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