Das Cover von "Born Of Fire" von Ross The Boss

Review Ross The Boss – Born Of Fire

  • Label: AFM
  • Veröffentlicht: 2020
  • Spielart: Heavy Metal

Der U.S.-amerikanische Gitarrist Ross Friedman wird vornehmlich – und vollkommen zurecht, zumal die Truppe seine bisher beständigste und erfolgreichste Wirkungsstätte war – als Mitbegründer von Manowar wahrgenommen. Da scheint es kaum vorstellbar, dass der gebürtige New Yorker auch noch ein Leben vor den True-Metallern hatte, es ist aber so. Mr. Friedman spielte ab 1973 und damit bereits im zarten Alter von 19 Jahren bei den Lokalmatadoren The Dictators, mit denen er immerhin stolze drei Alben aufnahm. Der ROSS-THE-BOSS- und Manowar-Gründer kommt also ursprünglich aus dem Punk und 2020 scheint genau der richtige Zeitpunkt zu sein, um seine Hörerschaft mit dem neuen Album „Born Of Fire“ daran zu erinnern.

Anders ist der mehr als unerwartete Einstieg von „Born Of Fire“ nicht zu erklären: Das nicht einmal dreiminütige „Glory To The Slain“ eröffnet die Platte als anarchische Punk-Nummer aus dem Bilderbuch, zeigt jeglichen Erwartungen den Mittelfinger und stößt so vermutlich jeden Fan des Mannes vor den Kopf. Nichts, was Ross Friedman seit 1980 aufgenommen hat, hätte seine Anhängerschaft auf diesen Einstieg vorbereiten können. So geht eben Punk. Auch handelt es sich dabei nicht um einen einmaligen Gag oder „Ausrutscher“, denn das nachfolgende „I Am The Sword“ setzt das neue ROSS-THE-BOSS-Album in gleicher Weise fort. Lustig: Der Kontrast von punkiger Rotzigkeit und True-Metal-Text. Erst „Fight The Fight“ lenkt die Platte allmählich in gewohnte stilistische Regionen, ist aber immer noch kein „gewöhnlicher“ Song der Truppe. Der Titel kommt als äußerst moderner, harter Stampfer daher, der zwar schon deutlich mehr mit dem U.S.-Metal kokettiert, aber immer noch reichlich chaotisch ausfällt.

Doch ROSS THE BOSS sind noch immer die Alten – oder können zumindest noch immer so klingen: Nummern wie „Shotgun Evolution“, „Denied By The Cross“ und „Demon Holiday“ sind treibende, gradlinige U.S.-Metal-Nummern, wie man sie von der Truppe kennt und liebt. In „Maiden Of Shadows“ wird es dann dank Synthie-Orchester, erhabener Doppel-Gitarren und Triolen-Feeling richtig episch und „Godkiller“ ist mit seinem traditionsbewusstem Riffing und hymnischem Refrain wahrscheinlich der beste Song des Albums. Die Band, die mit „New Metal Leader“ einst eines der besten True-Metal-Alben abseits von Manowar abgeliefert und ihren Sound zuletzt mit „By Blood Sworn“ hörbar modernisiert hat, ist also auch auf „Born Of Fire“ noch präsent – sie versteckt sich diesmal allerdings. Aussagen wie diese sollen das punkigere Material der Platte nicht schlechtreden; auch auf ihrer vorangegangenen Veröffentlichung blickten ROSS THE BOSS ein ums andere Mal über den musikalischen Tellerrand hinaus. Allerdings sind sie als Einstieg doch etwas unglücklich gewählt, da sie ein falsches Bild vermitteln.

Wer so lange im Geschäft ist wie Ross Friedman, der ist musikalisch entsprechend gut beschlagen. Diese Einflüsse sind auf „Born Of Fire“ nicht nur im punkigen Auftakt hörbar: „Waking The Moon“ etwa erinnern an Songs von Ozzy Osbourne in den späten 90ern und „Undying“ ruft trotz hohem Energielevel Erinnerungen an Kiss-Stadionhymnen wach. Gar nicht mal so überspitzt formuliert unterteilen ROSS THE BOSS ihr neues Album also in drei Teile, nämlich den Punk-, den True-Metal- und den Stadion-Part. Das resultiert natürlich in vielfältigen Songs, an denen es so Manches zu entdecken gibt, lässt jedoch auch einen klaren roten Faden vermissen. Kurz: „Born Of Fire“ ist ein Album, das keine Angst vor stilistischen Experimenten hat, fühlt sich jedoch nur im mittleren Segment wirklich wie aus einem Guss an.

In sechs der zwölf Songs von „Born Of Fire“ setzen ROSS THE BOSS die mit den auf „By Blood Sworn“ vollzogenen Neustart begonnene Linie fort. Damit liefert immerhin die Hälfte dieser Platte ebenso energiegeladenen wie modernen U.S.-Metal, der keine Wünsche offen lässt. Bei den übrigen Nummern handelt es sich um spaßige wenn auch teils etwas chaotische Ausflüge in die musikalische Vergangenheit des Bandkopfs. Der Grad zwischen Selbstkopie und -entfremdung ist von Haus aus schmal und ROSS THE BOSS müssen sich hier auf keinen Fall vorwerfen lassen, auf der Stelle zu treten, allerdings wäre für ihr nächstes Album etwas mehr Stringenz wünschenswert.

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Wertung: 6.5 / 10

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