Review Santiano – Mit den Gezeiten (DVD)

  • Label: Universal
  • Veröffentlicht: 2014
  • Spielart: Entmetallisiert, Schlager

Aus der Not eine Tugend zu machen ist eine Kunst. Und während einige Bands verzweifelt um Alleinstehungsmerkmale und/oder ihre musikalischen Wurzeln kämpfen, gehen die Nordlichter SANTIANO quasi fröhlich damit hausieren, dass ihre Musik für die breite Masse gedacht und in ihrem Falle keine Band über Jahre hinweg zusammen gewachsen ist. Kein krampfhafter Anspruch, keine pseudointellektuellen Texte und auch sonst nichts, das irgendwie vom fröhlich-beschwingten Seemannsdasein im Retortenuniversum ablenken kann. Seit November 2013 sind die zweifachen Echo-Gewinner (passenderweise in der Rubrik „Volkstümliche Musik“)  regelmäßig in Deutschland und der Schweiz auf Tournee. Ihr Heimspiel in der mit über 12.000 Besuchern ausverkauften O2 World in Hamburg haben die Musiker inzwischen als DVD veröffentlicht. Und diese offenbart offenkundig, warum das Projekt so erfolgreich ist.

Das Rezept ist einfach: Seemannslieder zum Mitsingen und Mitschunkeln, vorgetragen mit Mundharmonika, Schifferklavier und Gitarren. Mit „Gott muss ein Seemann sein“ und „Salz auf unserer Haut“ verballern SANTIANO ihre größten Hits überraschend früh. Beim vorliegenden Klangkosmos der Küstenstürmer fällt der Abwechslungsreichtum insgesamt jedoch überschaubar aus, so dass immer ein bisschen die Seemannsluft der Opener mitschwimmt, auch wenn die Crew rhythmisch durchaus variiert und später mit „Blow Boys Blow“ ins Englische wechselt. Doch ganz egal, ob englisch oder deutsch, das Publikum ist mittendrin statt nur dabei: Bei den Stimmungshits wie „Es gibt nur Wasser“, „Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren“ und „Santiano“ werden SANTIANO von einem 12.000 Mann starken Chor unterstützt. Das funktioniert auf Wacken wie auch im Vorprogramm von Helene Fischer – oder eben in der O2 World.

Die Musik ist auf eine so simple Art und Weise eingäng wie feiertauglich. Eine Qualität, die man in dieser Form anerkennen muss – ob man die einfachen Wort- und Melodiekonstrukte nun mag oder nicht. Auf SANTIANO-Art funktionieren auch die Coverversionen wie „500 Miles“ von The Hooters oder „Whiskey In The Jar“ tadellos. Ist das Gehör erst einmal in den repetitiven Seemannsphären mit Liedkonstrukten nach Schema F eingetaucht, verweilt es dort relativ gerne. Wenngleich vielleicht nicht für die vollen 25 Songs. Dafür entschädigt die DVD mit einer beeindruckenden Bild- und Tonqualität. Besonders der astreine Sound trägt dazu bei, dass das Live-Feeling im heimischen Wohnzimmer ankommt und auch Zweifler verstehen können, warum SANTIANO bis dato hierzulande nur Nummer-eins-Alben veröffentlicht haben.
Die Mischung aus Volksmusik, Folk und mittelalterlichen Klängen ergibt eine Ansammlung aus (fiesen) Ohrwürmern und etwas raueren Sounds, die sich am Ende des Tages alle um die Träume eines jungen Mannes drehen, entweder Seemann oder Pirat zu werden. Für das nötige Kurzweil sorgen kleine Anekdoten und persönliche Anmerkungen zwischen den Liedern, die wiederum deutlich machen, dass Frontmann Timsen und seine Mitstreiter neben musikalischem Talent auch mit ausreichend Charme für Live-Konzerte gesegnet sind. Begleitet wird das Live-Schauspiel von zwei opulenten Leinwänden und einigen gezielt eingesetzten visuellen Effekten.

Einzig das Gastspiel von Oonagh im Rahmen von „Vergiss mein nicht“ und „Minne“ ist so überflüssig wie das Kunstprojekt dahinter. Hier wird auch die kleine, aber feine Linie zwischen den beiden Ansätzen deutlich. Während Oonagh mit (pseudo-)elbischer Sprache, Baumkuscheln und viel Tammtamm schnell zu abgehoben wirken kann, stehen SANTIANO mit beiden Beinen auf den Brettern und können auf diesen unabhängig vom Rest des schnelllebigen Pop-Businesses überleben. So könnte sich „Wir werden niemals untergehen“ letztlich als ziemlich treffsichere Prognose erweisen. Zwar steckt hier nicht bahnbrechend viel musikalisches Potential oder gar Vielfalt im Stilmix der Combo an sich, doch Kooperationen mit Faun und anderen Gruppen haben bereits gezeigt, wo die Norddeutschen in Zukunft noch überall anzutreffen sein werden.

Bei der „Mit den Gezeiten“-DVD fallen lediglich die Extras, die aus dem Videoclip zu „Gott muss ein Seemann sein“, einem Lyric-Video zu „The Fiddler On The Deck“ sowie einer Bildergalerie rund um das Geschehen in Hamburg bestehen, vergleichsweise dünn aus. Alles andere überzeugt, ohne dass man darüber sehr viele Worte verlieren muss bzw. kann.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert