Review Sepultura – A-LEX

Schwupps, da war es nur noch einer. Mit dem Ausstieg von Igor Cavalera reduzierte sich die Anzahl der verbliebenen Gründungsmitglieder auf genau die Zahl 1. Paulo Xisto Pinto Jr. Ist der Name des Bassisten und somit wird auch weniger metalinteressierten Menschen klar sein, dass es sich bei der angesprochenen Band um die brasilianischen Kult-Thrasher SEPULTURA handelt. Immerhin lärmen die Jungs aus Belo Horizonte nun auch schon seit 25 Jahren durch die Gegend und durchlebten während dieser Zeit logischerweise ihre Höhen und Tiefen.

Um es gleich vorweg zu nehmen, mit „A-LEX“ sind die Herrschaften Paulo Jr., Kisser, Green und Neudrummer Jean Dolabella auf einem vorläufigen Tiefpunkt angekommen. Glänzten schon die letzten Alben nicht mehr mit Innovation, Frische oder einfach nur guten Songs, scheint sich der freie Fall hier nahtlos und schneller denn zuvor fortzusetzen. Wenn man es sich besonders leicht machen wollte, würde wohl die folgende Vorgehensweise gelten: Player auf, CD rein, Musik hören, CD raus – nicht ist passiert. Tatsächlich kommt es einem ohne Schwierigkeiten so vor, als wenn während der 18 Tracks beinahe sämtliche Emotionen zum Erliegen kommen. Ganz so einfach wollen wir es uns aber nicht machen und fühlen den Songs doch etwas genauer auf den Zahn.

Zunächst fällt die sehr hektische Abfolge der Stücke auf. Die meisten Songs überspringen kaum einmal die zwei oder drei Minutengrenze, so dass der Zauber auch schon wieder vorbei ist, bevor er erst richtig angefangen hat. Etwas besser sieht es da mit We`ve Lost You! aus, hier zeigen die Jungs mal, dass sie es zumindest mal drauf gehabt haben. Insgesamt leicht progressive Riffs sorgen dafür, dass sich so etwas wie Songfeeling ausbreiten kann. Im Info rühmt man sich, dass das Album in nur drei Monaten geschrieben wurde, weil es sich hauptsächlich aus Jam-Sessions zusammensetzt. Dieser Song zeigt meiner bescheidenen Meinung nach, dass diese Arbeitsweise vielleicht doch nicht so doll war. Sadistic Values könnte man in die gleiche Schublade stecken und bei The Treatment setzt sich recht schnell die Erkenntnis durch, dass zumindest eine gepflegte Prügelei immer eine Alternative zu belanglosen 1,5-Minütern ist. Interessante Assoziationen bietet Track 11, Conform. Leider bin ich bis heute nicht drauf gekommen, wo ich dieses Riffing schon einmal gehört habe. Möglicherweise war es SEPULTURA selbst vor vielen Jahren, aber ich tendiere eigentlich zu einer moderneren Gruppierung. Seis drum, immerhin ein Song, der das groovende Feeling der Bandklassiker Arise oder Chaos A.D. aus den frühen 90ern aufnimmt – übrigens ist der Schelm gar nicht so böse, der sich über die Auflistung dieser Alben im Bandinfo so gar nicht wundert, scheinbar sind das auch aus Bandsicht immer noch Pfünde, mit denen man wuchern kann.

Lobenswert ist, dass man sich lyrisch erneut etwas hat einfallen lassen; nachdem man mit „Dante XXI“ die Commedia Divina von Dante Alighieri quasi neu aufgelegt hat, ist diesmal Stanley Kubricks Meisterwerk nach romanischer Vorlage von Anthony Burgess dran. Die Rede ist von A Clockwork Orange und ihrem Protagonisten Alex, wie man anhand des Albumtitels natürlich niemals herausgefunden hätte. Das Leben des jungen Gangleaders läuft sicher alles andere als in geordneten Bahnen, das könnte eine Erklärung für die hektischen Songwechsel sein. Immerhin kommen wir nur aufgrund der thematischen Tatsache in den Genuß des besten Stückes auf „A-LEX“, Ludwig Van. Durch die Veehrung Ludwig Van Beethovens durch Alex und seine Freunde, bot es sich ja an, und wie im richtigen Leben ist BOB (hier: „Best Of Beethoven“) als positive Erkenntnis zu sehen. Unvermeidlicherweise wird aus Beethovens 9. Sinfonie, welche im Film eine zentrale Bedeutung erhält, der 4. Satz gespielt (zu Schillers Ode an die Freude: Freude schöner Götterfunken). Die Umsetzung möchte ich gerne als recht gelungen bezeichnen, zwar ist die Symbiose Klassik/Metal inzwischen alles andere als neu, aber nach wie vor fällt sie nicht jedem unbedingt leicht und so kommt man nicht umhin, Ludwig Van als Anspieltipp auszugeben, auch wenn die Musik nur zu kleinen Teilen von der Band, zum größeren Anteil aber von einem ganz anderen Menschen stammt.

Auch wenn es sich alles gar nicht so verheerend anhört, viel Aufregendes bietet „A-LEX“ nicht, Nachhaltiges sowieso nicht. Im Falle einer großen Band wie SEPULTURA halte ich es auch für unkorrekt, sich in falschen Byzantinismus zu ergehen. Altmeister wie Metallica haben es erst jüngst vorgemacht, wie man den alten Spirit wiederbelebt bzw. ihn am Leben erhält. SEPULTURA gelingt es hier nicht und wenn man die Entwicklung der letzten Jahre anschaut, ist es auch fraglich, ob dies noch einmal der Fall sein wird. Sicher wird der eine oder andere Fan – besonders der jüngeren Stunde – seinen Gefallen daran finden, wenn ich mich aber erinnere, welche Wände die Brasilianer Anfang der 90er eingerissen haben und zurecht dafür abgefeiert wurden, kann ich nur dringend empfehlen, intensiv in das Album hereinzuhören, bevor man über einen eventuellen Kauf entscheidet.

Wertung: 4 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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