Konzertbericht: Sepultura w/ Sacred Reich, Crowbar

27.10.2022 München, Backstage (Werk)

Für seinen Slogan „Weltstadt mit Herz“ wird München oft verlacht – und nicht ganz zu unrecht, schließlich kann an der Isarmetropole doch nur wenig mit echten Weltstädten mithalten. Dass München dann auch noch ausgerechnet für seine Subkultur international bekannt sein soll, mag Einheimischen komplett abwegig erscheinen. Doch viele Bands haben das Backstage München, nicht zuletzt dank unvergesslicher Konzerte auf dem Free & Easy Festival, fest ins Herz geschlossen.
Zu diesen Bands zählen auch SEPULTURA. Und weil die Band daraus keinen Hehl macht, haben sich die Brasilianer in München eine Fanbase erspielt. So wundert es wenig, dass die Show im Backstage Werk – mitten in der aktuellen Konzert-Krise – quasi ausverkauft ist. Zumal das Tour-Package mit der Sludge-Instanz CROWBAR sowie den Thrash-Veteranen SACRED REICH zudem wohldurchdacht geschnürt ist.

Dass CROWBAR, die in den letzten Jahren immer als Headliner in der Halle zu sehen waren, als Opener um 19:30 Uhr auf die Bühne müssen, mag für Fans zunächst befremdlich wirken. Umso schöner, dass sich Szene-Urgestein Kirk Windstein und seine Mitstreiter davon nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen lassen: Während der Einlaufmusik verkabeln die Saiteninstrumentalisten noch routiniert ihr Equipment und los geht’s: Laut, aber differenziert walzen die wuchtigen Sludge-Riffs aus den Boxen, über die Kirk Windstein mit einer Kraft, die man seinem kleinen und nicht mehr ganz jungen Körper kaum zutrauen würde, seinen unverkennbaren Gesang stülpt. Dass das Backstage Werk bereits zur frühen Stunde sehr gut gefüllt ist und CROWBAR für jeden Song mit ordentlich Jubel belohnt werden, ist trotzdem keine Selbstverständlichkeit. Entsprechend erleichtert scheint auch Kirk Windstein zu sein: Seine gute Laune ist das i-Tüpfelchen dieser musikalisch astreinen 40-Minuten-Show.

  1. Conquering
  2. I Feel The Burning Sun
  3. Bleeding From Every Hole
  4. To Build A Mountain
  5. The Cemetery Angels
  6. Chemical Godz
  7. All I Had (I Gave)
  8. Planets Collide
  9. Like Broken Glass

Nachdem in knapp 20 Minuten die gesamte Backline inklusive Schlagzeug ausgetauscht wurde, stehen um 20:30 Uhr SACRED REICH auf dem Programm. Mit „The Boys Are Back In Town“ von Thin Lizzy haben sich die Thrasher aus  Phoenix, Arizona, einen sehr passenden Klassiker rausgesucht – schließlich waren die „Boys“ um Fronter Phil Rind erst im Dezember 2019 im Backstage zu Gast. Mit zehn gegenüber damals 15 Songs fällt das Set heute natürlich etwas kürzer aus als auf ihrer Headliner-Tour und hält für Fans auch keinerlei Überraschungen bereit. Mit viel Elan und grundsympathischem Auftreten kompensieren SACRED REICH das aber ebenso wie den Umstand, dass insbesondere die Songs des 2019er-Albums „Awakening“ musikalisch nicht so richtig wachrütteln. Für ein 45-Minuten-Set reicht das allemal, und so können SACRED REICH heute nicht nur ihre Fans, sondern auch das restliche Publikum im Backstage Werk gut unterhalten.

  1. Divide & Conquer
  2. The American Way
  3. Manifest Reality
  4. Who’s To Blame
  5. Killing Machine
  6. Awakening
  7. Independent
  8. Salvation
  9. Death Squad
  10. Surf Nicaragua

Dass für den Umbau auf das Headliner-Setup etwas mehr Zeit eingeplant ist, versteht sich von selbst – warum nach abgeschlossenem Umbau aber noch fast 20 Minuten verstreichen müssen, ehe SEPULTURA sich auf die Bühne bequemen, bleibt offen. Und doch wünscht man sich fast die Umbau-Musik zurück, als Derrick Green, Paolo Júnior, Eloy Casagrande und der nach dem Trauerfall in der Familie wieder zur Band zurückgekehrte Andreas Kisser ihr Set starten: Der Opener „Isolation“ vom aktuellen Album „Quadra“ ist in dem Lärm, der aus den Boxen kommt, kaum zu identifizieren – und wenngleich der Tontechniker im Verlauf der Show noch ordentlich nachpegelt, bleibt der einzig auf Lautstärke gemischte Sound eine Zumutung. Dabei wird einmal mehr offensichtlich, dass sich das Fehlen einer zweiten Gitarre nicht kompensieren lässt: Wie viel druckvoller könnten SEPULTURA klingen, hätten sie etwa den überaus versierten Aushilfs-Gitarristen Jean Patton einfach in ihren Reihen behalten. So jedoch zerfallen die auf Album stets mit unzähligen Gitarrenspuren angefetteten Songs live spätestens dann in ihre Einzelteile, wenn Kisser ohne Riffbegleitung soliert.

Da helfen auch die ausladenden Samples nichts – im Gegenteil. Der Versuch, so die opulenten Studio-Arrangements von „Quadra“ mithilfe von Backing-Tracks zu reproduzieren, scheitert: Statt besonders fett zu klingen, wirken die Songs dadurch eher lahm. Mit ihrem sympathischen Auftreten und einer engagierten 90-Minuten-Performance machen Kisser und Green, der vom Publikum vor allem für sein „Servus!“ gefeiert wird, zwar einiges wett – schlussendlich sind es aber auch heute die alten Hits aus der Cavalera-Ära, die SEPULTURA retten und das trotz allem gut gelaunte Publikum zur Ekstase bringen: „Territory“, „Cut-Throat“ oder „Dead Embryonic Cells“ etwa, oder – als der obligatorische Höhepunkt des Sets – das Hit-Feuerwerk aus „Refuse/Resist“, „Arise“, „Ratamahatta“ und, als krönender Abschluss, natürlich „Roots Bloody Roots“.

  1. Isolation
  2. Territory
  3. Means To An End
  4. Capital Enslavement
  5. Kairos
  6. Propaganda
  7. Guardians of Earth
  8. Last Time
  9. Cut-Throat
  10. Dead Embryonic Cells
  11. Machine Messiah
  12. Infected Voice
  13. Agony of Defeat
  14. Refuse/Resist
  15. Arise
  16. Ratamahatta
  17. Roots Bloody Roots

Die Kombination aus drei renommierten Bands geht heute voll auf. Dass ausgerechnet SEPULTURA als Headliner – nicht zuletzt der massiven Soundprobleme wegen – nicht vollends überzeugen können, wird durch zwei nahezu perfekte Shows nicht minder legendärer Bands locker ausgeglichen. So bestätigt sich, was bereits das Tour-Billing nahelegt: In diesem Package aus drei echten Urgesteinen der Metal-Szene gibt es keine „Vorband“ im abwertenden Sinne – und der Headliner ist längst nicht für alle Fans auch der Höhepunkt des Abends.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert