Konzertbericht: Sepultura w/ Death Angel, Dust Bolt

08.07.2022 Salzburg, Rockhouse (Saal)

Wie damit umgehen, wenn ein Musiker ausfällt? Auf der Tour von SEPULTURA, DEATH ANGEL und DUST BOLT müssen sich gleich zwei Bands dieser Frage stellen – wenn auch aus verschiedenen Gründen. Die Lösungen sind konträr, nötigen einem jedoch in beiden Fällen Respekt ab.

Dust Bolt live in Salzburg 2022DUST BOLT, eigentlich als Quartett unterwegs, wurden spontan vom Corona-Virus geschwächt: Während Gitarrist Flo Dehn daheim seine COVID-19-Infektion auskuriert und lediglich per Videoschalte übers Handy zuschauen kann, spielen die verbliebenen DUST-BOLTer ihre erste Show als Trio. Das funktioniert erstaunlich gut – musikalisch, aber auch als Show, weil die drei verbliebenen Musiker erkennbar ihr Bestes geben, um die Schwächung der Band zu kompensieren.

So verabschiedet sich Fronter Lenny Breuss bald schon von der Bühne, um nach einem beherzten Sprung ins Publikum in der Mitte eines stattlichen Circle-Pits weiterzuspielen. Die Fans quittieren dieses Engagement mit viel zurückgegebener Energie, sodass für eine Opener-Show vor der Bühne schon ordentlich was los ist.

Darauf lässt sich aufbauen – und DEATH ANGEL haben dafür eigentlich auch das richtige Material in Petto: Von ihren neun Alben seit dem 1987er-Debüt „The Ultra-Violence“ bis zu ihrer aktuellen Veröffentlichung „Humanicide“ (2019) decken die Thrasher aus San Francisco immerhin sieben mit je mindestens einem Song ab.
Death Angel live in Salzburg 2022Doch wenngleich Sänger Mark Osegueda sympathisch wie eh und je durch das rund einstündige Set führt, dauert es etwas, bis sich das augenscheinlich vornehmlich für SEPULTURA gekommene Publikum voll auf die Bay-Area-Thrasher eingelassen hat. Spätestens mit seiner finalen Ansage, die nochmals die Wichtigkeit von Konzerten für das soziale Miteinander in der Szene hervorhebt, hat Osegueda das Publikum dann aber voll auf seiner Seite – das abschließende „Thrown To The Wolves“ von „The Art Of Dying“ (2004) wird vom Salzburger Publikum im ausverkauften Rockhouse Saal entsprechend wohlwollend angenommen.

Death Angel live in Salzburg 2022

  1. The Ultra-Violence / Evil Priest
  2. Voracious Souls
  3. Seemingly Endless Time
  4. Claws In So Deep
  5. The Dream Calls For Blood
  6. Caster Of Shame
  7. The Moth
  8. Humanicide
  9. Thrown To The Wolves

Neben Dust Bolt müssen auch SEPULTURA heute auf einen Gitarristen verzichten – die Lage ist hier jedoch in jeder Hinsicht eine andere: Andreas Kisser, der die Tour tragischer Weise aussetzen musste, um letzte gemeinsame Zeit mit seiner (mittlerweile gestorbenen) Frau zu verbringen, ist schließlich einziger Gitarrist von SEPULTURA. Sein Ausfall lässt sich somit auch mit allem Engagement der Welt nicht vom Rest der Band kompensieren – da muss schon ein mit allen Wassern gewaschener Guitarrero einspringen.

Sepultura live in Salzburg 2022Jean Patton von Project46 lässt sich guten Gewissens als solcher bezeichnen – denn wenngleich alle Metal-Gitarristen Brasiliens ihr Instrument anhand von SEPULTURA-Klassikern erlernt haben dürften, ist es doch nochmal etwas anderes, mehr oder minder spontan das gesamte 75-Minuten-Set der Band zu erlernen – und es als Lead- und Rhythmusgitarrist in Personalunion auf die Bühne zu bringen. Dass das tatsächlich klappt und der erst 32-jährige Patton den 20 Jahre älteren Kisser absolut adäquat ersetzt, zeigt einmal mehr die Qualitäten des Brasilianers, der 2019 in der engeren Auswahl für die Leadgitarristen-Position bei Machine Head stand.

Sepultura live in Salzburg 2022Der Umstand, dass SEPULTURA von ihrem Post-Jahrtausendwende-Werk wenig zu halten scheinen, kommt Patton aber sicher entgegen: Wie schon zuvor mit Kisser stammen auch heute von 16 Songs nur sieben aus der bald 25-jährigen Ära Green – obwohl die Band mit ihm bereits neun Alben veröffentlicht hat. Das ist insofern schade, als SEPULTURA die 1990er-Jahre-Songs betreffend leider nach wie vor nur die zweitbeste SEPULTURA-Coverband der Welt sind: Die Energie, mit der Max und Igor Cavalera die Songs bei ihren Jubiläumstouren spielen, bekommt die offiziell als SEPULTURA gelabelte Band einfach nicht auf die Bühne. Auch heute klingen, bei aller Spielfreude der Band, einige der Klassiker eher lahm – insbesondere der eigentlich als Highlight bekannte Abschluss aus „Refuse/Resist“, „Ratamahatta“ (heute ohne zusätzliche Percussions von Green) und dem anschließend pflichtbewusst, aber irgendwie auch etwas lieblos runtergezockten „Roots Bloody Roots“.

Dazwischen liefern SEPULTURA aber durchaus stark ab – sowohl bei den Klassikern („Arise“ und „Territory“ funktionieren als brachialer Einstieg super) als auch bei Songs wie „Convicted In Life“ („Dante XXI“, 2006) oder „Sepulnation“ („Nation“, 2001), denen völlig zu unrecht nie die gleiche Aufmerksamkeit zuteil wurde wie dem Material der ersten Bandphase. Unterstützt von der für das Rockhouse eigentlich völlig überdimensionierten Produktion (inklusive riesiger Rampen auf den hier gerademal 50 cm hohen Drumriser) und einer spektakulären Lightshow bekommt man so – trotz erwähnter Abstriche – eine absolut fette Show geboten. Doch wenngleich das Publikum auch hier und heute ordentlich steil geht: Mit dem Soulfly-Abriss an gleicher Stelle im Jahr 2016 kann die heutige Show nicht mithalten. Allerdings war damals auch nicht kurz zuvor die Frau eines Bandmitgliedes gestorben.

  1. Arise
  2. Territory
  3. Means To An End
  4. Capital Enslavement
  5. Kairos
  6. Propaganda
  7. Sepulnation
  8. Cut-Throat
  9. Convicted In Life
  10. Machine Messiah
  11. Troops Of Doom
  12. Agony Of Defeat
  13. Slave New World
  14. Refuse/Resist
  15. Ratamahatta
  16. Roots Bloody Roots

Unter den gegebenen Umständen, mit dem tragischen Todesfall in der Bandfamilie und der Notwendigkeit, mit einem Ersatzmann auf Tour zu gehen, liefern SEPULTURA immernoch mehr als anständig ab. Ergänzt um DUST BOLT und DEATH ANGEL, die beide ebenfalls Shows von höchstem Unterhaltungswert spielen, bekommen Fans genau das, was dieses Billing verspricht: die volle Portion Thrash Metal.

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