Review Sieges Even – The Art Of Navigating By The Stars

Das sechste Studioalbum von SIEGES EVEN wurde dieses Jahr wohl erwartet wie kaum ein anderes. „The Art Of Navigating By The Stars“ heißt es, und ist das erste Lebenszeichen der Band seit acht Jahren. Nach dem 1997er „Uneven“ ist es ruhig um die Münchener geworden, man wechselte Namen, Besetzung und Musikstil gleich mehrmals, immer auf der Suche nach einer neuen Identität und einem frischen Sound. Wieder an Bord ist der ursprüngliche Gitarrist Markus Steffen, unter dessen Mitwirkung auch die beiden Genre-Klassiker „Steps“ (1990) und „A Sense Of Change“ (1991) entstanden. Der zwischenzeitliche Ersatz Wolfgang Zenk hat nun die Band 7for4 gegründet. Ebenfalls neu dabei ist der holländische Sänger Arno Menses. Ein Glücksgriff, wie sich bald herausstellen sollte.

„The Art Of Navigating By The Stars“ ist im Grunde genommen konzipiert als ein in sich schlüssiger Track von 63 Minuten Länge. Die acht „Sequenzen“ funktionieren jedoch auch hervorragend als Einzelsongs. Im Verlauf des Albums werden immer wieder verschiedenste Motive und Stimmungen aufgenommen, sodass eine Art Konzeptcharakter entsteht.

Und nun stellt sich natürlich die Frage: Wie klingen Sieges Even im Jahre 2005? Frühere Werke der Band, insbesondere „Steps“, waren geradezu verkopft, stets darauf hinaus, Songwriting und spieltechnische Möglichkeiten der Mitglieder völlig auszuschöpfen. Der „rote Faden“ war zwar stets vorhanden, aber doch recht schwer zu finden. Alben von Sieges Even verlangten immer nach einer genaueren Auseinandersetzung, wenn sie auch nur ansatzweise entschlüsselt werden wollten. Und auch beim neusten Machwerk der Band ist dies nicht anders. Die wahre Tiefe der Kompositionen, die versteckten Querbezüge der Songs untereinander, die immer wieder leicht verändert auftretenden Motive wollen erst entdeckt werden. Aber Sieges Even machen es uns damit einfacher als zuvor. Gitarrist Markus Steffen sieht den größten Unterschied zu den alten Alben darin, dass die Band heute wesentlich songorientierter vorgeht. Und damit trifft er den Nagel praktisch auf den Kopf.

Ausdrucksstark war die Musik der Jungs schon immer. Mit Arno Menses hat man jedoch erstmalig in der über fünfzehnjährigen Bandgeschichte einen Sänger, der diese Bezeichnung wirklich verdient und der Band geradezu zu einem musikalischen Quantensprung verholfen hat. Es ist seine Stimme, die „The Art Of Navigating By The Stars“ zu einem außergewöhnlichen emotionalen Erlebnis macht. Seine Variabilität, Brillanz und pure Wärme geben der Band endlich das, was ihr zur „Perfektion“ noch gefehlt hat. Das ist nicht länger Musik für Musiker, das ist Musik, die einen ganz unverhofft packt, und dann nicht mehr loslässt. Musik, in der sowohl die Band als auch ihre Fans gleichermaßen aufgehen. Mehrstimmige Satzgesänge wie in „Sequence III: The Lonely Views Of Condors“, oder die immer wieder wunderschönen Harmoniegesänge verleihen dem Sound eine Reinheit und Klarheit, wie man sie bisher selten gehört hat. Die Produktion an sich ist schon weltmeisterlich. Entstanden in den Frankfurter „Black Solaris“-Studios von Rebellion-Mastermind Uwe Lullis, hat die Band nicht weniger als 86 (!!) Spuren für ihre Sternenreise benötigt. Dennoch wirkt der Sound ungemein kraftvoll und transparent, jedes Instrument lässt sich dauerhaft nachvollziehen, und über allem thront die Stimme von Arno Menses.

Die ansonsten für den Progressive Rock so wichtigen Keyboards macht Markus Steffen mit seinem variantenreichen Spiel aus Riffs, sphärischen Licks und surrealen Melodien geradezu vergessen. Braucht nicht weiter erwähnt zu werden, dass Alex und Oliver Holzwarth komplexeste Strukturen in ein ungemein leicht zu konsumierendes Kleid verpacken.

Der Gesamtsound der Platte bewegt sich hingegen weg von einem metallischen Grundgerüst. Sieges Even im Jahre 2005 benutzen den Metal höchstens noch als Vehikel, um bestimmte Stimmungen zu zelebrieren. Vielmehr setzt man ganz klar auf viel Atmosphäre, streut genau dann Ruhephasen ein, wenn man es nicht erwartet und gibt sich betont zurückhaltend. Hier gilt: In der Ruhe liegt die Kraft!

All dies kann jedoch nur ansatzweise die wahre Magie dieses Meisterwerkes umreißen. Man muss die Reise selbst unternehmen, um diese zu erkennen. Also, nehmt Platz, macht’s euch bequem, setzt den Kopfhörer auf und lasst euch von Sieges Even für eine Stunde von Zeit und Raum entführen.Ihr werdet es nicht bereuen! Höchstwahrscheinlich die beste Progplatte dieses Jahres!

Wertung: 10 / 10

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