Review Tarja – Colours In The Dark (+)

Dass Traditionen und Bräuche kommerziell ausgeschlachtet werden, ist ja schon lange Nichts neues mehr. Und wenn der Eventtourismus aufgrund großer Distanzen zu aufwändig ist, importiert man ganz getreu dem Motto „Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt…“, eben das ganze Event, wie dies aktuell mit dem indischen Holifest, dem Fest der Farben, geschieht.
Den Hype um diese Veranstaltung nutzt direkt auch TARJA, welche sich auf dem Cover ihr neues Soloalbums „Colours In The Dark“ düster gekleidet in mitten der farbenfrohen Menge abbilden ließ.

TARJA, als schwarzer Tupfer in einem ansonsten farbenfrohen, etwas bizarren und insgesamt fast etwas überladenen Gesamtbild – das Bild, das das Cover hier auch metaphorisch betrachtet zeichnet, könnte passender kaum sein. Denn so und nicht anders klingt „Colours In The Dark“.
Das Überraschungsmoment liegt dabei weniger auf der gewohnt brillianten Stimme der finnischen Sopranistin, die ihr Können wahrlich nicht mehr unter Beweis zu stellen hat. Viel eher ist es die Musik, die hier für Aufsehen, und wohl auch für Kontroversen sorgt. Statt „bravem“ Symphonic Metal, dessen einzige Aufgabe es ist, die Sängerin optimal in Szene zu setzen, geht „Colours In The Dark“ mitunter unorthodoxe Wege, auf denen sich die Musik mit einer Mischung aus bombastischen Arrangements und Progressive-Metal-Riffs weit vom Status des drögen, begleitenden Beiwerks entfernt.

Dieser Weg birgt allerdings natürlich auch Risiken – Risiken, die „Colours In The Dark“ leider nicht immer elegant umschifft. Zum einen leidet darunter natürlich die Eingängigkeit des Materials, welches in Folge dessen mitunter etwas zerfahren wirkt – zum anderen laufen die Songs bisweilen Gefahr, den direkten Draht zu TARJAs Gesang zu verlieren. So reißt beispielsweise der etwas arg gewagte „atmopshärische“ Ambient-Mittelpart von „Lucid Dreamer“ den Song schlichtweg auseinander; und auch bei „Darkness“ will TARJAs Stimme sich mitunter nicht so recht mit den interessanten musikalischen Ansätzen vertragen. Doch grade, wo die Stücke eher hart ausgerichtet sind, geht das Konzept voll auf: So ist beispielsweise „Neverlight“, der bis zum Gesangseinstieg ebenso gut ein moderner Death- oder New-Metal-Song sein könnte, wie auch das stampfende „Never Enough“ definitiv einer der Hits auf dem Album.
Sämtliche erwähnten Probleme und Pluspunkte fasst das immerhin achteinhalb Minuten lange „Medusa“ als krönender Abschluss dieses Albums noch einmal aufs Taplet – zeigt sich hier eindrucksvoll, wie schmal bisweilen der Grat zwischen musikalischer Vielseitigkeit und Ziellosigkeit ist.

„Colours In The Dark“ ist ohne Zweifel ein für das Genre, das TARJA üblicher Weise bedient, gewagtes Experiment, das nicht ohne Risiko verlaufen kann und auch nicht von vorne bis hinten als gelungen angesehen werden kann. Allein der Mut, die Musik aus dem Schatten der übermächtigen Sängerin herausrücken zu wollen, verdient hier Respekt – auch, wenn die dafür nötige, größere Distanz zur Schattenwerferin bisweilen eine etwas erzwungen wirkende Trennung von Musik und Gesang zur Folge hat.

Wertung: 7.5 / 10

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