Review The Acacia Strain – Slow Decay

Hat man THE ACACIA STRAIN in den letzten Monaten etwas verfolgt, so ist man von Releases nur so überschwemmt worden. Kurz vor der Jahreswende erschien ein Überraschungsalbum namens „It Comes In Waves“ über Closed Casket Activities. Ab Februar erschienen monatlich über ihre eigentliche Labelheimat Rise Records die EPs „D“, „E“, „C“, „A“ und „Y“. Um diese Serie gebührend abzurunden, fasste man das Ganze zu einem Album zusammen, fügte abermals zwei neue Tracks hinzu und brachte somit Ende Juli das bereits zehnte Studioalbum „Slow Decay“ auf den Markt. Um diesbezüglich eine deutsche YouTube-Legende zu zitieren, muss man neidlos anerkennen: „Das muss man erstmal machen können.“ Das Quintett zeigt sich marketingtechnisch also schon mal sehr gewieft, jetzt muss nur noch die Qualität der Musik stimmen.

Wer den Extended Plays derweil schon ein Ohr geschenkt hat, konnte die Güte der Songs bereits im Vorhinein bezeugen. Das Interessante für diese Fans dürfte demnach einzig sein, wie sich die einzelnen Stückwerke gemeinsam mit den beiden unveröffentlichten Tracks auf Albumlänge zusammenfügen. Alle anderen können sich auf eine Dreiviertelstunde geballten Hass freuen, den die Doomcore-Pioniere mit ihren bekannten Trademarks – eine Mischung aus drückenden Doom-Riffs und unheilvollen Melodien, perfiden Breakdowns sowie gesellschaftskritischen Texten – versehen.

Um umgehend die richtige Stimmung zu versprühen, eröffnet Schreihals Vincent Bennett die Platte mit der eindringlichen sowie prädestinierenden Zeile „It feels like hell“. Mit den einsetzenden Gitarren ziehen THE ACACIA STRAIN den Hörer in einen Malstrom voller Negativität, in dessen Auge sich die Abgründe der menschlichen Rasse auftun. Während im Opener „Feed A Pigeon Breed A Rat“ eine unverzerrte Melodie im völligen Kontrast zur tiefen Rhythmus-Fraktion steht, gelingt es Schlagzeuger Kevin Boutot gerade im langsamen, atmosphärischen Abschnitt Akzente zu setzen. Obwohl dieser erste Song im Vergleich zum restlichen Album im qualitativ eher unteren Bereich anzusiedeln ist, schafft es jedes Bandmitglied schon hier, auf sich aufmerksam zu machen.

Nachdem „Feed A Pigeon Breed A Rat” den langsamen, aber unvermeidbaren Absturz in den Strudel symbolisiert, wirbeln die Deathcore-Veteranen auf den folgenden zwei Stücken den Hörer im Wasser erbarmungslos umher. Verhältnismäßig schnell geht die Band dabei zu Werke und lässt auf „Crippling Poison“ (einer der beiden neuen Tracks) und „Seeing God“ starke Hardcore-Einflüsse erkennen. Am Grund angekommen bleibt jedoch keine Zeit sich vom Schwindel zu erholen, denn die Finsternis, die einen nun umgibt, ist erbarmungslos: Auf „Solace And Serenity“ überzeugt die Truppe mit astreinen Sludge-Riffs, auf die ein Kirk Windstein stolz wäre, und setzt Song Nummer vier mit dem markerschütternden Breakdown zum Ende das i-Tüpfelchen auf. Besonders bemerkenswert ist dabei das Zusammenspiel der immer langsamer werdenden Saitenfraktion und der im totalen Gegensatz dazu stehenden Double-Bass.

Während das hohe Niveau im Mittelteil „nur“ gehalten werden kann, scheinen THE ACACIA STRAIN sich das Beste für den Schluss aufbewahrt zu haben. Der Hörer, verzweifelt nach Luft ringend, wird nun endgültig unter dem tonnenschweren Druck der tiefen Riffs und bösartigen Growls zermalmt. Auf „Chhinnamasta“ zaubern die Mannen von der US-amerikanischen Ostküste kurzerhand die fieseste Melodie von „Slow Decay“ aus dem Ärmel, auf „One Thousand Painful Stings“ punkten sie abermals mit hervorragendem Drumming – der Einsatz der Becken ist zum Zungeschnalzen – und der gegen Ende einsetzenden Stimme von Spiritbox-Sängerin Courtney LaPlante. Auf dem zweiten bislang unveröffentlichten Track – „Birds Of Paradise, Birds Of Prey“ – besticht die Band mit äußerst einprägsamem Bending und spielt abermals gekonnt mit dem Kontrast aus schier erdrückenden Riffs und düsteren, akustischen Passagen. Mit dem abschließenden „EARTH WILL BECOME DEATH“ kreieren THE ACACIA STRAIN sogar eine auf ihre ganz eigene Art und Weise eingängige Death-Metal-Hymne.

Neben dem musikalischen Inhalt bietet „Slow Decay“ allerdings auch etwas für das Auge: Das wunderschöne, idyllische Albumcover ist ebenfalls nur das erste Mosaik eines fünfteiligen Bildes, das den langsamen Zerfall der Schönheit der Natur manifestiert. Gepaart mit den Texten, die ebenso den Niedergang der Welt thematisieren, ergibt sich ein stimmiges Gesamtkonzept. Dass mit diesem seit Februar angepeilten Full-Length in seiner endgültigen Zusammensetzung nochmals eine Schippe draufgelegt wird, verdient letztendlich höchsten Respekt. Ob mit „Slow Decay“ am Ende vielleicht sogar das beste Konzeptalbum des Jahres veröffentlicht wurde, ist dabei nicht einmal so unwahrscheinlich.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Silas Dietrich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert