Review The Morningside – The Wind, The Trees And The Shadows Of The Past

Russisches Schwermetall, die Zweite: Nach den Lounge-Doom-Metallern von Kauan treten jetzt die Moskauer THE MORNINGSIDE an, um zu zeigen, dass Mütterchen Russland nicht nur die Don-Kosaken und die (pseudo?)lesbischen Gören von T.a.T.u hervorgebracht hat. Bereits im letzten Jahr erschien das 40 Minuten lange Debütalbum „The Wind, the Trees and the Shadows of the Past“, über Solitude Productions-Ilya gelangte es nun zu mir. Erwähnen möchte ich hier kurz die ausgesprochen hübsche Aufmachung von Cover und Booklet, die idyllische Landschaftsbilder in leicht blässlichen Farbtönen zeigen und eine sehr passende optische Umsetzung der Musik sind, die die vier Russen hier präsentieren.

Solitude (bzw. dessen Untersparte BadMoodMan) ist nun eigentlich ein Doom-Label, und THE MORNINGSIDE wird dieser Stempel auch aufgedrückt, aber so richtig doomig will mir die Musik irgendwie zu keinem Zeitpunkt erscheinen. Spontan fällt mir irgendwie die folgende Beschreibung ein: Opeth in nicht dissonant und nicht progressiv. Klingt komisch? Gut, ich gebe zu, darunter kann sich wahrscheinlich nur jemand etwas vorstellen, der auch tiefere Botschaften in moderne Kunstwerke hineininterpretiert. Anstatt noch einen Versuch zu wagen, beschreibe ich einfach die Einzelteile. Zunächst gibt es als Intro pfeifenden Wind und recht belanglose Keyboardgeräusche, bevor dann „The Wind“ mit einer gemächlichen verzerrten Gitarrenakkordfolge und simpler Melodiebegleitung loslegt. Doch es dauert nicht lange, keine zwei Minuten, dann wird die Handbremse gelöst und es erklingt ein rockiges Gitarrenriff, zu dem man entweder locker headbangen oder zusammen mit hunderten anderen Leuten auf einem Konzert hüpfen und klatschen möchte – das geht richtig in die Beine!
Diese ständig präsente Kombination aus langsameren und schnelleren Riffs und dazu passenden, meist recht einfachen, aber effektiven Melodien bildet das Grundgerüst dieses Albums; der Sound dazu gibt sich luftig-leicht, mit nicht sehr stark verzerrten Gitarren und sogar vereinzelten hübschen Bassläufen. Etwas überraschend gesellt sich dazu das an Black Metal erinnernde Gekeife von Igor Nikitin, das das bisher recht rockige Angesicht der Songs bildlich gesprochen vernarbt; so recht will das hier nicht passen, aber im Endeffekt fügt sich das Gekrächze doch einigermaßen akzeptabel ins Gesamtbild ein. Und bei „The Shadows of the Past“ zeigt Nikitin, dass er auch anders kann: Hier singt er so, als säße er irgendwo allein im Wald und wäre ganz mit sich allein, ohne Zuhörer. Er ist zwar mitnichten ein Weltklassesänger, aber dieses vor sich hin singen hat einen ganz eigenen Charme – dazu trägt nicht zuletzt bei, dass er es mit dem englischen he-she-it-s etwas übertreibt („everytime the shadows comes“).

Problematisch ist, dass THE MORNINGSIDE das oben erläuterte Schnell/Langsam + Gitarrenmelodie-Schema die ganze Zeit über mit nur marginalen Variationen wiederholen. Und da dieses Konstrukt nicht gerade anspruchsvoll ist, bleibt „The Wind, the Trees and the Shadows of the Past“ insgesamt leider überaus seicht – die 40 Minuten Spielzeit vergehen schnell, weigern sich jedoch auch, einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen. So steht hier also am Ende eine Scheibe, die zwar wirklich sehr vernünftige Ansätze und schöne Ideen zeigt, die aber genauso noch ausbaufähig ist, was die Vielfalt innerhalb der sehr langen Lieder (zwei der drei „richtigen“ Songs kommen auf über 11 Minuten) und die Zahl von denkwürdigen Momenten angeht . Werden diese Mängel aber noch ausgemerzt, darf man von THE MORNINGSIDE in Zukunft einiges erwarten!

Wertung: 6.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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