Review Threshold – European Journey (live)

Mal ehrlich: Was sollte hier schief gehen? THRESHOLD sind eine der besten Bands aus dem Bereich der eingängigen und doch anspruchsvollen Power-Progressive-Szene. Sie haben in den vergangenen Jahren ein Hammeralbum nach dem nächsten veröffentlicht, Ehrungen und Preise eingefahren, große Touren gespielt und nicht zuletzt den heftigen Schicksalsschlag verkraftet, dass ihr Sänger Andrew McDermott erst aus der Band ausscheiden musste und kurz darauf verstarb. Die Lücke am Mikrofon füllt nun schon seit acht Jahren Damian Wilson, der in den frühen Bandjahren schon einmal dazugehörte. Und man kann es nicht anders sagen: Es ist gerade Damian Wilson, der die Live-Performances der Band seitdem bereichert und auf ein ganz neues Level gehoben hat.

Nachvollziehbarerweise gibt es deshalb mit „European Journey“ ein Live-Album, das erste, auf dem Wilson am Gesang zu hören ist. Ein Blick auf die Setlist macht deutlich, wo der Schwerpunkt von „European Journey“ liegt: auf dem neuen Material. Denn außer „Part Of The Chaos“ vom 1997er-Output „Extinct Instinct“ und „Long Way Home“ von „Hypothecial“ gibt es nur Material der vier jüngsten Alben, also aus den letzten elf Jahren. Deutlich dominiert das aktuelle Album neben der hochgelobten 2013-Scheibe „March of Progress“. Damit ergänzt „European Journey“ nahezu perfekt das letzte Live-Album der Band, „Critical Energy“ von 2004, das die früheren Jahre abdeckt.

Angenehm ist, dass THRESHOLD sich nicht gescheut haben, viele lange Songs in ihre Setlist aufzunehmen. Viele Songs kratzen an der Zehn-Minuten-Grenze und bieten den hervorragenden Musikern Gelegenheit, sich auszutoben – ganz ohne, dass es eigene Solotracks gibt, die man nach dem dritten Hören ohnehin nur geskipt hätte. Stattdessen steht auf allen Songs das Gesamtkunstwerk im Vordergrund, das die Band bei jedem einzelnen Song zeichnet und das immer überzeugt. Das liegt auch an der Auswahl der Lieder. Auf „European Journey“ stehen nur Volltreffer, egal ob es das epische „The Box“, das wunderschöne „Pilot In The Sky Of Dreams“ oder der hammermäßigen Rausschmeißer „Ashes“ ist.

Allerdings handelt es sich bei den Aufnahmen auf „European Journey“ nicht um ein einzelnes Konzert. Stattdessen sind die Songs an verschiedenen Orten während der Tour im November 2014 aufgenommen worden. Das mag den einen oder anderen Puristen stören, ermöglicht dies der Band doch, sich die besten Songs aus dem Aufnahmepool herauszusuchen. Dennoch ist die Performance nicht fehlerfrei: Immer wieder hört man versetzte Einsätze und sicherlich gibt es auch die üblichen Versverwechslungen, die Damian Wilson auf der Bühne fast jedes Mal unterlaufen. Aber das alles stört nicht, sondern macht „European Journey“ trotz des deutlich zurückgeregelten Publikums authentisch. Live-Musik ist eben live und nicht mit zehn Takes eingespielt oder im Studio nachträglich mit Overdubs versehen worden.

THRESHOLD haben mit „European Journey“ ein Livealbum vorgelegt, das sich vor ihren großartigen Studioalben nicht verstecken muss. Wer auch nur annähernd etwas mit ihrer Musik anfangen kann oder nur seit langem mal wieder Lust auf ein sympathisches Live-Album hat, kommt hieran nicht vorbei.

Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

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