Review Tristania – Darkest White

Beinahe eineinhalb Dekaden ist es schon wieder her, dass die Norweger TRISTANIA mit „Beyond The Veil“ einen gotischen Hammer herausließen, dem bis auf die Konstanz in Sachen Qualität nichts fehlte. Erwähnenswert ist dieses mittlerweile ziemlich antiquierte Stück Musik vor allem deshalb, weil sich der Sound der Band inzwischen doch deutlich gewandelt hat. Regierte damals ziemlich harscher Gothic Metal, fiedelt man sich jetzt durch eine vergleichsweise seichte Variante von…ja, von was eigentlich?

So ganz scheint man nach diversen Besetzungswechseln (nur noch Gitarrist Anders H. Hidle ist nach wie vor an Bord) selber nicht so zu wissen. Teilweise sucht man die alten Trademarks (mitunter jedoch vergeblich), dann probiert man es eher symphonic-metallisch, unter dem Strich lässt man aber doch einiges an Potential liegen. Gefiel TRISTANIA damals vor allem deshalb, weil man sich trotz des altbekannten Wechselspiels aus männlichen und weiblichen Vocals durchaus auf Härte und – sagen wir es ruhig, wie es ist – auf eine gewisse Boshaftigkeit besann, klingt „Darkest White“ in meinen Ohren viel zu lieb und sanft. Natürlich sind härtere Passagen nach wie vor vorhanden, aber alles wirkt ein wenig zu glattgebügelt, um wirklich überzeugen zu können. Meistenteils plätschert die Musik am Hörer vorbei, ohne dabei wirklich schlecht zu sein, aber eben auch zu selten dann mal gut. Die besseren Momente haben die Norweger immer noch dann, wenn sie die Gangart etwas verschärfen, der kurze, prägnante Titeltrack ist da ein gutes Beispiel; wie man es besser nicht machen sollte, zeigt allerdings der weitere Verlauf, denn spätestens ab der Hälfte der Platte hat man ein ähnliches Problem wie auf „Beyond The Veil“: Die Qualität lässt erkennbar nach.
Leider kann man auch mit dem zweiten Standbein nicht mehr so recht punkten, waren früher wenigstens die Chöre noch episch, sind es inzwischen nicht mal mehr die Songlängen. Das ist natürlich nicht zwangsläufig ein Nachteil, es müssen ja nicht immer achtminütige Lieder sein, die Gefahr laufen, von all den Melodien überfrachtet zu werden. Emotionen lassen sich auch in kürzerer Zeit kreieren, dennoch fehlt die Erhabenheit, wie man sie zum Beispiel bei „A Sequel Of Decay“ noch par excellence geboten bekam.

Vielleicht liegt es nicht einmal an der Band, sondern an meinem Verhältnis zu selbiger. Ich kann nicht wirklich sagen, was mir fehlt, aber auch 2013 werde ich mit TRISTANIA nicht in dem Maße warm, wie es für die Band und den Redakteur wünschenswert wäre. Spiel- und produktionstechnisch ist alles im Lot, alleine die Songs wollen nicht so ganz zünden. Ich denke – und ziehe damit ein versöhnliches Fazit – dass Fans der Band mit „Darkest White“ sicher zufrieden sein werden und auch ich kann gutes Gewissens zugeben, schon viel schlechtere Platten gehört zu haben. Aber eben auch wesentlich bessere.

Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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