Lustmord deconstructed artwork

Review Various Artists – The Others (Lustmord Deconstructed)

Dafür, dass mit dem 2008er Release „Other“ lediglich ein einziges LUSTMORD-Album existiert, auf dem es „ab Werk“ Gitarren zu hören gibt, ist Brian Williams in der metallischen Welt ziemlich herumgekommen: So kollaborierte der Waliser mit Bands wie den Melvins, Puscifer oder Tool, aber auch diversen Einzelmusiker*innen wie Wes Borland (Limp Bizkit), Jarboe (Swans), Karin Park (Arabrot) oder auch dem Soundtrack-Komponisten und Ex-Tangerine-Dream-Mitglied Paul Haslinger. „Other“ gilt als Meilenstein des Dark Ambient – Grund genug für das Berliner Label Pelagic Records, LUSTMORDs Werk in Form des Samplers „The Others (Lustmord Deconstructed)“ Tribut zu zollen.

Klassische Tribute-Cover-Alben, mal mehr, mal weniger gut gelungen, gibt es in der Metalszene zuhauf. In diese Kategorie will „The Others (Lustmord Deconstructed)“ allerdings nicht so recht passen, denn die beteiligten Bands und Musiker haben LUSTMORDs Kompositionen nicht einfach neu interpretiert, sondern die unheimlichen, aber merkwürdig zeitlosen Soundscapes von „Other“ um eigene, bisweilen äußerst charakteristische Elemente ergänzt. Ein einzigartiges Konzept, welches zu einem ausgesprochen homogenen Gesamtmusikerlebnis führt.

Die Gästeliste kann sich mehr als sehen lassen: Angefangen bei Pelagic-Bands wie The Ocean, Arabrot, Mono oder Crown geben sich auch NeurosisSteve von Till, Ihsahn, Katatonias Jonas Renske, die Dark-Jazzer von Bohren und der Club Of Gore, die Industrial-Legende Godflesh, sowie Ulver, Enslaved und viele andere die Klinke in die Hand – nicht zu vergessen die auf den Original-Tracks von „Other“ sowieso schon vertretenen (Gitarren-)Legenden Aaron Turner (Isis, Sumac), Adam Jones (Tool) und King Buzzo (Melvins).

Oftmals ist auf den ersten Eindruck nicht offensichtlich, wer hinter welchem Song steckt: Aufmerksame Zuhörer erkennen zwar möglicherweise das Cello-Spiel einer Jo Quail, die charakteristische Bohren-und-der-Club-Of-Gore-Film-Noir-Atmosphäre oder die unterkühlte Soundästhetik von Godflesh: Trotzdem gelingt es dem stilistisch unglaublich breitgefächertem Lineup, sich nicht unnötig in den Vordergrund zu spielen. Vielmehr erschaffen sie unabhängig voneinander, aber durch den roten Faden der elektronischen LUSTMORD-Basis verbunden doch gemeinsam, ein großes Ganzes, welches den Zuhörer durch seine dichte und intensive Atmosphäre über die mehr als zwei Stunden Albumlänge unaufhörlich in seinen Bann zieht.

Highlights zu nennen fällt schwer, wer nicht aufmerksam zuhört, bekommt über längere Phasen in der ersten Hälfte überhaupt nicht mit, wann welcher Song beginnt oder endet. Gelegentlich werden die düsteren Klangteppiche aufgelockert, wie im zweiten Song „Er Eb Os“, der nicht ohne Mono-typisches Crescendo auskommen darf. Die zweite Hälfte der Kompilation wirkt dagegen songorientierter und greifbarer, die stilistische Bandbreite der neu eingespielten Passagen reicht dabei von Sludge-Metal (Spotlights) über Post-Metal (The Ocean) bis hin zu Industrial Rock (Crown, Arabrot und überraschenderweise auch der Beitrag von Steve von Till) und Dark Folk (Jaye Jayle). Wohldosiert eingebettet zwischen mehreren Minuten langen LUSTMORD-Synthflächen, ergänzen die Musiker die cineastischen Soundscapes um ihre eigenen Trademarks.. Dies sorgt für Abwechslung und erleichtert dem geneigten Kopfhaarschüttler den Zugang zu „Other“ ungemein.

Unterm Strich ein dickes Ding, das Pelagic Records hier präsentiert. Gerade die umfangreiche Deluxe-Vinylbox, bestehend aus dem Original-“Other“-Album auf drei LPs, der vorliegenden Tribute-Platte auf drei LPs sowie zwei LUSTMORD-eigenen Remix-Doppel-LPs ist ein Leckerbissen und vielleicht auch der perfekte Einstieg in die bemerkenswerte Diskografie eines Musikers, der das Dark-Ambient-Genre de facto mitbegründet hat. Davon einmal abgesehen ist „The Others (Lustmord Deconstruted)“ schon jetzt der Kandidat schlechthin für das nicht ausschließlich metallische Musikhighlight der dunklen Jahreszeit 2022. So erscheint die Veröffentlichung Anfang April beinahe ein wenig unpassend, denn Sommermusik bieteten LUSTMORD und Konsorten absolut nicht. Egal, der nächste Winter kommt bestimmt.

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Wertung: 10 / 10

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