2023

Review Wayfarer – American Gothic

  • Label: Century Media
  • Veröffentlicht: 2023
  • Spielart: Black Metal, Country

Der glorreiche Wilde Westen ist eine Lüge. Eine Tatsache, die sich trotz John Wayne, Fort Alamo und dem Mythos Manifest Destiny langsam aber sicher Bahn bricht. In der Kunst schon länger beispielsweise in Form von dreckigen Spaghetti-Western und in jüngster Zeit auch vermehrt auch im Black Metal durch Bands wie Vital Spirit, Lionoka oder Blackbraid. Zur Speerspitze dieses noch recht jungen Subgenres gehören WAYFARER aus Colorado, denen mit ihrem letzten Album „A Romance With Violence“ ein echter Paukenschlag gelang. Nicht einmal Panopticon haben bis zu diesem Zeitpunkt Black Metal, Country und Americana auf so schlüssige Weise miteinander verwoben. Inzwischen ist das Quartett bei Century Media unter Vertrag und schickt sich an mit der neuen Scheibe „American Gothic“ ihrem Schaffen einen neuen Höhepunkt hinzuzufügen.

Bereits beim ersten Hördurchlauf fällt auf, dass WAYFARER ihr Songwriting nochmal verfeinert haben. Stellte die Entwicklung von „World’s Blood“ zu „A Romance With Violence“ einen Quantensprung dar, justieren die Amis diesmal eher Feinheiten nach. Die Americana-Parts fügen sich noch harmonischer in den wüsten Black Metal ein und erhalten deutlich mehr Raum, um auch für sich alleine stehen zu können. Nach wie vor schaffen es die Songs großes Kopfkino entstehen zu lassen. So evoziert das düstere Americana-Intro des Openers „The Thousand Tombs Of Western Promises“ sofort Bilder von staubigen Siedlungen im Nirgendwo und den weiten Plains, bevor der für WAYFARER typische galoppierende Black Metal einsetzt. Die Vocals von Shane McCarthy klingen immer noch etwas zu hallig, textlich hat die Band aber nichts von ihrer Durchschlagskraft verloren. Blutig, brutal und hoffnungslos ist der Wilde Westen, der in den Lyrics geschildert wird.

Neben dem Opener gehen WAYFARER beim epischen „To Enter My House Justified“ am wuchtigsten zu Werke. Nach einem melancholischen Einstieg entfesseln Shane McCarthy und Joe Strung-Truscelli einen wahren Sturm an Black-Metal-Riffs, die band-typisch nicht zu stark verzerrt und teilweise wohl mit dem Slide Rohr gespielt wurden. Am stärksten agiert das Quartett auf „American Gothic“ aber, wenn der Albumtitel wörtlich genommen wird und Einzug in das Songwriting hält. Das düstere Americana-Intro und der gespentische Gesang auf „Reaper On The Oilfields“, die wie aus längst vergangenen Zeiten rüberhallenden Sprachsamples im Zwischenspiel „1934“ oder der Folk-Part in „Black Plumes Over God’s Country“ erzeugen eine Atmosphäre des Verfalls. „A High Plains Eulogy“ wiederum greift klassischen Singer-Songwriter-Folk auf, um ihn dann in abgrundtief düstere und schleppende Schwarzromantik zu stürzen und das finale „False Constellation“ verpackt wütende Riffs in die staubige Umgebung eines abgewrackten Saloons, inklusive kaputtem Bar-Piano.

Mit „American Gothic“ gelingt WAYFARER ein wahrer Paukenschlag. Selten passen Albumtitel und enthaltene Musik so gut zusammen wie in diesem Fall, denn das Quartett aus Colorado schwimmt sich endgültig frei von typischem US-Black-Metal und geht ganz eigene Wege. Eine Atmosphäre des Verfalls und der Hoffnungslosigkeit prägt „American Gothic“, transportiert durch die nahezu perfekte Symbiose aus düsterem Americana, dreckigem Country und Black Metal. Nimmt man nun noch die beißende Kritik am Mythos des glorreichen Wilden Westen in den Lyrics hinzu, lässt sich amerikanischer Gothic musikalisch wohl nicht besser umsetzen.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Juan Esteban

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