Interview mit Tim Lambesis und Josh Gilbert von As I Lay Dying

Nach dem Jubiläumsalbum „Decas“ haben AS I LAY DYING mit „Awakened“ wieder ein vollwertiges Release auf die Beine gestellt, das im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend gut ist – mit abwechslungsreichen Riffs, überwältigenden Moshparts, filigranen Soli und massig Melodie. Metal1 hat Sänger Tim Lambesis und Bassist Josh Gilbert früh am kalifornischen Morgen zum neuen Album befragt und interessante Infos zu Texten, Songwriting und dem Innenleben der Band zu Tage gefördert.

Tim Lambesis:
Hi Tim. Wie geht es Dir heute?
Sehr gut. Ich bin gerade aufgestanden und versuche, gut in den Tag zu kommen.

Erstmal herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album „Awakened“ ! Wie ist die allgemeine Stimmung in der Band, jetzt wo das Album fertig ist und kurz vor dem Release steht? Hat bei den Aufnahmen alles gut geklappt?
Ja, klar. Wir haben dieses Mal bei diesen Aufnahmen großen Wert darauf gelegt, einfach bessere Songs zu schreiben, nichts am Sound zu verändern, sondern uns als Musiker zu verbessern. Du weißt ja, es gibt immer diesen Moment, wo bei den Aufnahmen alles zusammen kommt und sich intuitiv gut anfühlt. Ich denke, das ist bei uns mit „Awakened“ der Fall gewesen.

Ihr hatte diesmal nur dreieinhalb Wochen, um das Album aufzunehmen. Erzähl mal ein bisschen darüber, wie sich das ergeben hat und wie ihr damit klargekommen seid.
Ja, wir hatten dieses Mal einen sehr eng gesteckten Zeitplan, aber der Unterschied war, dass wir viel besser vorbereitet waren als bei den Alben davor. Wir haben eine viel umfangreichere Vorproduktion gemacht, das heißt circa 20 Songs geschrieben und dann die rausgeschmissen, die wir für schlechter hielten. Wir waren also sehr gut organisiert, als wir ins Studio gegangen sind. Einmal im Aufnahmeprozess drin war es eher ein mechanischer als ein kreativer Vorgang, wenn du verstehst, was ich meine. Wir haben außerdem die erste und zweite Gitarre sowie den Bass und meinen Gesang jeweils in unterschiedlichen Studien aufgenommen, das heißt, wir haben drei Dinge zur gleichen Zeit gemacht. Dadurch konnten wir sehr schnell und effektiv arbeiten.

Ich finde, dass ihr auf „Awakened“ zum ersten Mal im Vergleich zum Album davor wirklich gar nichts an eurem Sound verändert habt. Wie kommt das?
Wie ich schon gesagt habe, haben wir versucht, unseren Sound zu „finetunen“ und nicht, ihn zu verändern. Wir haben alle Elemente, die uns als Band definieren und die wir toll finden, für uns gefunden und versuchen nun, diese Dinge besser zu machen.

Letztes Jahr habt ihr „Decas“ veröffentlicht, euer Jubiläumsalbu zum zehnjährigen Bestehen. Wie war das eigentlich so und wer hat die Idee gehabt?
Als wir zuerst die Idee hatten, „Decas“ aufzunehmen, wollten wir einfach nur unser zehnjähriges Jubiläum feiern, weil es etwas ist, was nur einmal passiert. Wir wollten zunächst nur eine kurze EP mit drei Liedern aufnehmen und dann ein paar Coversongs dazu tun. Als wir dabei waren, bekamen wir immer mehr Submissions von anderen Bands. Die Remixes haben sich dann einfach so ergeben: Das Grundgerüst war da und die anderen Leute (Innerpartsystem, Benjamin Weinman, Big Chocolate) haben einfach versucht, etwas komplett Neues daraus zu machen. Ich denke, es ist eher eine Compilation geworden als ein richtiges Album.

Wann habt ihr angefangen, Songs für das neue Album zu schreiben und wie lange hat es gedauert?
Nachdem „Decas“ erschienen war, haben wir eine kurze Tour gemacht. Um den 1. Januar herum haben wir dann angefangen, Material zusammenzutragen und Songs für das neue Album zu schreiben. Wir haben im Mai angefangen, aufzunehmen, insgesamt waren es also vier Monate, die wir in das Songwriting investiert haben.

Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass viele Lieder auf dem neuen Album für ein größeres Publikum konzipiert sind, mit hymnischen Songstrukturen, wie zum Beispiel in “Tear Out My Eyes” und “Whispering Silence”. Wie bestimmt ihr, ob und wann ein Song „hart“ genug ist oder nicht?
Josh und ich setzen uns jedes Mal hin und versuchen, die beste Gesangsmischung für jeden Part zu finden. Bei bestimmten Akkordfolgen passen cleane Vocals nämlich einfach besser als meine Shouts und wir schauen uns die Lieder dann immer genau an, um festzustellen, welche Parts das sind. In Liedern wie „Whispering Silence“ ist das zum Beispiel der Fall: Der Refrain basiert auf einer einfachen Akkordfolge. In Kombination mit Joshs cleanem Gesang dazu ist das die mitreißendste Mischung, die möglich ist.

Bevor das Album veröffentlicht wurde, hast du gesagt, dass ihr dieses Mal alle Songs des Albums live spielen könntet beziehungsweise kein schlechtes Gefühl dabei hättet, während das auf den anderen Alben nicht er Fall war. Warum, und was ist dieses Mal anders?
Auf unseren letzten Alben waren immer zwei, drei Songs, die die Mehrzahl der Bandmitglieder vielleicht gut fand, aber hinter der wir definitiv nicht gemeinsam als Band standen. Auf „Awakened“ ist das anders: Wir haben diesmal wirklich eine Menge Lieder gehabt, von denen wir alle sagen können: „Die sind super.“ Der Hauptgrund dafür ist, dass wir so viele Lieder geschrieben haben: Über 20, sogar fast 30, wenn ich mich richtig erinnere. Es war das erste Mal, dass wir so eine intensive Vorproduktion gemacht haben und es hat sich gelohnt.

Wer übernimmt eigentlich den Hauptteil des Songwritings in der Band?
Die instrumentale Seite der Band, also Phil und Nick. Josh und ich kümmern uns dagegen hauptsächlich um die Vocals – ich schreibe die Lyrics und Josh und ich setzen uns dann zusammen, um die richtige Mischung aus Clean-Vocals und Shouts zu finden. Jeder Song hat seine eigene Geschichte – wir hatten bisher zwar immer unterschiedliche Kombinationen aus Songwritern, aber beim Songwriting zu „Awakened“ haben wir rausgefunden, wie es am besten funktioniert.

Erzähl mal ein bisschen was über die Lyrics auf “Awakened” – im Vorfeld hattest du gesagt, dass es eher im die schwierigen Momente im Leben geht!?
Viele Lieder auf „The Powerless Rise“ beschäftigen sich hauptsächlich mit der Gesellschaft als Ganzes und der Umwelt, in der ich lebe, also mit größeren Gruppen von Menschen. In „Awakened“ geht es um persönlichere Dinge, über die ich mir in letzter Zeit Gedanken gemacht habe. Es ist klar, dass ich, wenn ich so herangehe, auch über die schwierigeren Zeiten und traurige Ereignisse in meinem Leben erzähle. Es war nicht wirklich meine Absicht, „düstere“ oder pessimistische Texte zu schreiben, am Ende ist das einfach so rausgekommen.

In “Defender” singst Du an einer Stelle “I Am Willing To Die”. Worum geht es genau?
„Defender“ ist vermutlich eins der besten Beispiele für das, was ich vorhin beschrieben habe, als ich gesagt habe, das Album wäre „introvertiert“. „Defender“ ist ein Lied, in dem es um politische und religiöse Führer geht: Viele von ihnen haben so viel zu erzählen, aber wenn es wirklich darum geht, auf persönlicher Ebene Opfer zu bringen, – also in der Art und Weise, wie sie selbst ihr Leben führen – ist es die traurige Realität, dass sehr wenige von ihnen irgendeine Art von Luxus aufzugeben bereit sind. „Defender“ zeigt mit dem Finger auf diese Leute. Der Satz „I Am Willing To Die“ bezieht sich auf die Art von Mensch, der ich folgen würde. Das ganze Lied plädiert für einen religiösen Führer, der sein Leben der Religion widmet und sich den Leuten hingibt, die ihm folgen sollen und wollen. Darum geht es.

Es gibt auf „Awakened“ keinen Song mehr, der keinen cleanen Gesang beinhaltet. Denkst Du, dass manche Leute vielleicht davon abgeschreckt sind, nach dem Motto „AS I LAY DYING sind nicht mehr hart genug?
Ich denke, es kommt darauf an, was man als heavy bezeichnet. Ein paar der härtesten Bands, die ich persönlich höre, haben einen hohen Anteil an cleanen Vocals – gleichzeitig ist die Musik instrumentalisch sehr heavy. Wenn Du dir die Instrumentalseite von „Awakened“ anhörst, stellst Du fest, dass die Rhythmen härter und die Riffs mächtiger sind als auf den vorherigen Alben. Wenn Du an diesen Stellen dann cleane Vocals hast, ist es eben eine andere Art von Härte. Cleaner Gesang nimmt die Härte ja nicht raus. Es gibt aber immer noch viele ignorante Leute, gerade junge Metalfans, die sagen „Cleane Vocals sind schlecht“, als ob Bands wie Judas Priest oder Iron Maiden nie existiert hätten. Die hatten auch nie Screams und waren trotzdem auf ihre Art und Weise heavy.

Josh Gilbert:Hi Josh. Lass uns gleich anfangen: Inwieweit hast du zum Songwriting auf “Awakened” beigetragen und wie viel hast du auf den letzten Alben gemacht?
Zu „Awakened“? Eigentlich kaum. Ich würde sagen, wir machen es in etwa so wie viele andere Bands, die ich kenne. Ich singe die selben Melodien mit der selben Stimme. Meistens war es in etwa „Okay, hier ist die Option“ und am Ende kam ich dann mit einer Zeile, die besser passte. Auf „Powerless Rise“ war es so „Hier sind die Worte, mach eine Melodie draus“. Oft klingen bestimmte Worte nicht so gut, wenn man sie screamt wie wenn man sie singt. Dann komme ich hinterher mit einer besseren Melodie raus und setze einfach die Worte ein. Das hat zumindest bei diesem Album für uns am Besten funktioniert.

Nimmst Du überhaupt am Songwriting teil oder ist das den anderen überlassen?Ich habe für „Awakened“ schon viel mehr gemacht als bei den vorherigen Alben, vor allem als bei „The Powerless Rise“. Ich denke, die anderen vertrauen mir jetzt ein bisschen mehr, da ich jetzt schon fast sechs Jahre in der Band bin und lassen mich auch komplette Songs schreiben. Klar, wenn ich Lieder schreibe, bekomme ich immer noch eine Menge Input von den anderen, nach dem Motto „Schau mal, hier kannst du was ändern…das Riff könnte man noch so schreiben etc.“. Einige Songs auf dem neuen Album habe ich aber ganz alleine geschrieben und sie haben außerdem exakt die Struktur, die ich vorgesehen hatte – das ist ziemlich cool.

Wenn ich richtig gezählt habe, ist es das vierte Release von AS I LAY DYING, seit Du dabei bist. Inwieweit seid ihr als Band zusammen gewachsen und habt euch verbessert?
Schon sehr. Als ich für „An Ocean Between Us“ aufgetaucht bin“, war eigentlich alles schon gesagt und getan. Ich bin während dem Songwriting-Prozess zu dem Album zur Band dazu gestoßen und da hatten die anderen schon etwa acht Songs komplett fertig geschrieben. Ich hatte also nicht mehr viel zu tun. Ich denke aber, dass wir inzwischen viel eher eine Einheit geworden sind – es gab vorher beim Songwriting nie das Gefühl, dass wir sagten „Wir sind eine Band und wir schreiben die Songs gemeinsam.“ Phil hat die Riffs geschrieben, Nick die Soli, Tim die Lyrics. Das hat sich bis zu „The Powerless Rise“ schon geändert, weil die anderen inzwischen wussten, wie ich drauf bin. Ich habe mich bis zu diesem Album immer bloß ein wenig am Schreiben versucht – dieses Mal war das erste Mal, wo wir wirklich alle zusammen gearbeitet , einander vertraut und nicht ständig das, was die anderen gemacht haben, hinterfragt haben. Dadurch klingt alles besser, ein wenig spontaner.

Ihr habt auch ein Instrumental auf dem Album, „Washed Away“. Wer hatte die Idee dazu und wer von Euch hat es geschrieben?
Die Idee kam von Phil und er hat das Lied auch komplett geschrieben. Das Lied „My Only Home“ hat genau dasselbe Feeling: Es ist sehr hart, mit einem gesungenen Chorus und schreddernden Lead-Gitarren. Es war etwas anders, fast schon wie ein „Black Album“-Metallica-artiges Lied, was die Riffs anbelangt.

Ihr habt bei der Albumproduktion diesmal nicht mit Adam Dutkiewicz, sondern mit Bill Stevenson zusammen gearbeitet. Wie seid ihr auf ihn gestoßen?
Es war gar nicht mal so, dass wir nicht mit Adam zusammen arbeiten wollten, er war bloß zu der Zeit, zu der wir aufgenommen haben, sehr beschäftigt mit seiner Band Killswitch Engage, deswegen hat es einfach zeitlich nicht geklappt. Dann haben wir uns bei Metal Blade ein bisschen umgehört, wen wir sonst noch fragen könnten. Die haben uns dann auf Bill Stevenson verwiesen. Er hat ja schon ziemlich viel mit Bands wie Rise Against und Good Riddance gemacht,er hat bei Black Flag Drums gespielt. Man kann sagen, dass er sehr bekannt ist. Dann haben wir mit ihm im Rahmen eines Conference Calls geredet und er war uns allen schon zwei Schritte voraus, was die Details in der Produktion anging. Er sagte dann sowas wie: „Was ihr in diesem Song in Minute zwei gemacht habt, gefällt mir richtig gut“ oder „Ich mag die Art, wie der Song aufgebaut ist“, nachdem er das ganze Album erst zwei Mal gehört hatte. Wir haben dann selber noch ein bisschen unsere Meinung dazu abgegeben. Ich würde nicht sagen, dass es jetzt eine Riesenveränderung in Sachen Produktion ist – auf jeden Fall aber groß genug zu dem Punkt, an dem wir vorher waren. Es sollte sich eigentlich niemand beschweren können.

Was war mit Bill anders im Vergleich zu der Arbeit mit Adam?
Bill ist halt ein Drummer – er hat von daher die Gitarrenspuren gar nicht kommentiert. Wir haben nicht alles bis zur Perfektion aufgenommen, wie wir das mit Adam gemacht haben. Mit ihm haben wir teilweise zwei Stunden lang über die Verzerrung von einer Gitarre diskutiert. Bill hat sich eher über den allgemeinen Songwriting-Prozess Gedanken gemacht, nach dem Motto: „Kommt dieser Song zu schnell zum Chorus?“ oder „Ist der Chorus zu lang?“. Er war sehr gut vorbereitet, das hat uns die Arbeit wirklich leichter gemacht.

Ihr werdet im Herbst mit Caliban, Trivum und Upon A Burning Body in Europa auf Tour gehen. Freust du dich drauf?
Ja, wir können es kaum erwarten. Wir sind im Sommer noch auf ein paar Festivals unterwegs und Deutschland ist quasi unser zweites Zuhause, seit ich in der Band bin. Die Shows, die wir hier spielen, sind genauso gut wie die, die wir in unserer Heimat mit befreundeten Bands spielen. Trivium kennen wir auch sehr gut und mit Upon A Burning Body sind wir gerade auf Tour, von daher wird es sicher super.

Wie fühlst du dich mit deiner Rolle als Energiser der Band?
Natürlich spiele ich nicht Gitarre, aber ich versuche immer so präzise wie möglich zu spielen und gleichzeitig mit so viel Energie wie möglich auf der Bühne zu stehen. Ich denke,das zeichnet uns aus, wir geben immer 100%, weil die Leute vor der Bühne dann auch alles geben. Je besser wir sind, desto besser sind auch unsere Fans. So läuft das.

Publiziert am von Pascal Stieler

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