Interview mit Viktor Gullichsen von Brymir

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BRYMIR war bisher vor allem eingefleischten Melodic-Death-Metal-Anhängern ein Begriff, mit ihrem vierten Album „Voices In The Sky“, dem neuen Labeldeal bei Napalm Records und einer ausgedehnten Europatour mit Finntroll dürften die Finnen massiv an Bekanntheit gewinnen. Das wäre nur folgerichtig, denn ihr Melodeath mit Symphonic-, Power- und Folk-Elementen ist äußerst spannend, außerdem präsentiert sich die Band so stark wie noch nie. Mit Sänger Viktor Gullichsen sprachen wir über die Entstehung der Scheibe, die wichtigen Botschaften der Songs und die absolute Traum-Tour.

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BRYMIR; © Janica Lönn

„Voices In The Sky“ ist euer erstes Album bei eurem neuen Label Napalm Records. Warum ist Napalm das richtige Label für euch und was hat sich dadurch bei euch verbessert?
Napalm Records sind in unserem Genre weltweit führend und sie sind der Partner, den wir brauchen, um endlich die Metalmärkte in Europa und darüber hinaus zu erschließen. Wir waren unsere bisherige Karriere fast immer eine kleine Independent-Band und mit Napalm Records an unserer Seite werden uns viele Türen geöffnet, an die wir bisher kaum rangekommen sind.

Brymir Wings Of Fire CoverartworkEuer letztes Album „Wings Of Fire” kam 2019 raus – seitdem haben die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine viel verändert. Wie seid ihr durch diese Zeiten gekommen und wie haben sich die letzten Jahre auf dich und die Band ausgewirkt?
Wir hatten 2019 ein tolles Releasejahr, sind viel getourt und hatten noch mehr Konzerte  für 2020 geplant. Alles hat so gut ausgesehen und es war ein harter Schlag, als alles, was wir vorhatten, abgesagt oder radikal umgeschmissen wurde. Diese herausfordernden Zeiten haben unsere Kreativität stark beeinflusst – das erste Jahr der Pandemie hat unsere Motivation zu schreiben zerstört, das zweite Jahr hat aber so viele Emotionen hervorgebracht und uns damit angetrieben. Frustration kann manchmal ein sehr mächtigtes, kreatives Werkzeug sein.

Wie liefen der Songwriting- und Aufnahmeprozess ab? Hat die Pandemie viel an eurem gewohnten Arbeitsablauf verändert?
Die Pandemie fing an, als wir gerade mit dem Schreiben für das Album anfangen wollten und zuerst sah es so aus, als würde es eine effektive Zeit werden, um neue Musik zu machen. Unser Schreibprozess hat sich durch die Umstände dramatisch verändert und wir sind nur im Schneckentempo vorangekommen. Normalerweise haben unser Gitarrist Joona Björkroth und ich vom frühesten Stadium eines Songs an sehr eng zusammengearbeitet – und jetzt konnten wir uns nicht treffen und Videochat-Sessions haben sich schrecklich angefühlt. Ich habe viel mehr alleine in meinem Homestudio gearbeitet. Das hatte auch Vorteile, da ich gezwungen war, an meinem Gitarrenspiel zu arbeiten und daraus ergab sich dieser neue, härtere Sound, der sich weniger auf die Keyboards stützt, wie es bisher der Fall war.

Auch wenn ihr im Kern Melodic Death Metal spielt, scheint sich euer Sound immer mehr Symphonic, Power und Folk Metal zu öffnen. Ist das eine beabsichtigte Entwicklung oder schreibt und spielt ihr einfach, wonach ihr euch fühlt?
Es ist von beidem etwas! Wir haben 2006 als Folk-Metal-Band begonnen, sind über die Jahre aber aus diesem Sound herausgewachsen. Auf diesem Album wollten wir einige dieser Elemente zurückbringen. Wir haben uns auch getraut, mehr Power Metal mit in den Sound zu nehmen, da wir große Fans des Genres sind, ganz besonders die Art des neoklassischen Stils von Bands, die wir schon sehr lange hören, wie Rhapsody, Stratovarius und anderen.

Brymir Voices In The Sky CoverartworkIch finde, „Voices In The Sky“ ist euer bisher melodischstes und vielseitigstes Album. Trotz der vielen Melodien und dem häufigeren Einsatz von Klargesang gibt es auch viele harte Momente wie das thrashige, black-metal-artige „Forged In War“. Wie würdest du deiner Meinung nach das neue Album im Vergleich zu seinen Vorgängern einordnen?
Ich würde sagen, dass dieses Album generell härter ist, zum Teil, weil ich Gitarrenriffs als mein wichtigstes Werkzeug bei der Produktion hatte, im Gegensatz zu unseren vorherigen Alben, bei denen ich die Melodien zuerst mit Keyboards schreibe und sie erst später zusammen mit Joona in Riffs umforme. Da wir früher einen Keyboarder in der Band hatten, waren wir es gewohnt, keyboardlastige Songs zu schreiben – aber diese neue Vorgehensweise ermöglichte es uns, Songs zu schreiben, die sich mehr auf die Instrumente konzentrieren, die wir auch auf der Bühne haben.

In „Borderland“ verwendet ihr das Gedicht „Mein Testament“ des berühmten ukrainischen Dichters Taras Schewtschenko. Wie ist es dazu gekommen und was verbindet euch mit der Ukraine?
Einer meiner besten Freunde, Kirill, ist aus der Ukraine und das Leid von ihm und seiner Familie zu sehen, hat mich dazu gebracht, über dieses Thema zu schreiben. Ich habe mich daran erinnert, dass Kirill über dieses Gedicht gesprochen hatte und wir waren uns einig, dass es super in den Song passen würde.

Über „Herald Of Aegir“ habt ihr gesagt, dass es darum geht, dass wir auf einen Punkt zusteuern, an dem es für die Natur oder einige Tierarten kein Zurück mehr gibt. Was könnte man jetzt machen, um das abzuwenden und bist du selbst sehr naturverbunden?
Ich habe mein ganzes Leben nahe am Meer und umgeben von Seen gelebt und ich schätze die Natur sehr. Ich habe das Fischen, auf verantwortliche Weise, immer sehr gemocht und ich habe gesehen, wie sich die Umwelt verändert und blühende Regionen unfruchtbar werden. Wir müssen das professionelle Fischen und die Entwicklung um die Flüsse überdenken, damit auch unsere Enkel sich an dem erfreuen können, was Aegir anzubieten hat.

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Ist es euch wichtig, mit eurer Musik eine Botschaft mit Wert zu senden anstatt einfach stumpfe Texte oder Fantasy-Themen zu behandeln?
Ja, das ist sehr wichtig für mich, manchmal ist es aber auch schön, die üblichen Metal-Bilder mit epischen Themen zu zeichnen. Die meisten unserer Songs behandeln persönliche Probleme oder Themen aus der echten Welt, auch wenn sie durch Motive aus der Mythologie erzählt werden.

Manche Songs, besonders „Rift Between Us“, wirken sehr emotional. Würdest du sagen, „Voices In The Sky“ ist ein emotionales, vielleicht sogar sehr persönliches Album geworden?
Auf jeden Fall! Ich lasse meine tiefsten Gefühle in die Musik und die Themen einfließen, die oft aus meinen eigenen Problemen und persönlichen Meinungen entstehen.

Mit „All As One“ habt ihr wieder einen Track auf dem Album, der um die acht Minuten lang ist. Mir gefallen vor allem die akustischen Parts und die epische Atmosphäre , die durch die Soli, langsamen Rhythmen sowie Spoken-Word-Passagen und Chöre aufgebaut wird. Worum geht es in diesem Song und wie ist er entstanden?
Der Song wurde ursprünglich von unserem Bassisten Jarkko Niemi vor tatsächlich fast zehn Jahren geschrieben. Das sagt er darüber: „Der Song beinhaltet Themen unseres zweiten Albums „Slayer Of Gods“, da die ersten Versionen zu dieser Zeit entstanden sind. Er erzählt die Geschichte eines Gefangenen, Momente vor seiner öffentlichen Hinrichtung – ein „Monster“, dass die Großen und Mächtigen beleidigt hat. Erzählt aus ihrer Sicht bleiben die begangenen Verbrechen und die Aussagekraft der Anschuldigungen im Nebel verborgen. Ist der Gefangene ein Freiheitskämpfer, der versucht, die Massen aufzurütteln, damit sie ihre Augenbinden abnehmen und ihre Unterdrücker stürzen oder nur ein Verrückter, der mit seinen Wahnvorstellungen dieses bittere Ende zu rechtfertigen versucht? Denn obwohl der Drang, über diese Welt hinauszublicken, die Sehnsucht, falsche Götter zu töten und zu höheren Ebenen der Freiheit aufzusteigen, fraglos eine notwendige menschliche Antriebskraft ist, um uns selbst und unsere Gesellschaften zu verbessern, sind die grundlegenden und schmutzigen Dinge, die einen wirklichen Wandel bewirken, allzu oft unklar… Wenn wir Monster vernichten wollen, werden wir möglicherweise selbst zu Monstern. Und im Moment der Hinrichtung wird das Fantastische zur Realität; apokalyptische Visionen von zukünftigen Welten und dem Ende dieser Welten, eine „allsehende Klarheit“ von kosmischen Ausmaßen… Wenn dies der letzte Einblick ist, den eine geplagte Seele nach einem lebenslangen Kampf sieht, dann möge diese Klarheit ein Trost sein; ob echt oder nicht, spielt keine Rolle.“

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BRYMIR; © Janica Lönn

Ihr habt „Diabolis Interium“ von Dark Funeral gecovert, was für euch sehr brutal und böse ist. Eure Coverversion ist zudem sehr nah am Original und sticht am Ende des Albums daher sehr heraus. Was bedeuten euch Dark Funeral und warum habt ihr diesen Song für eine Coverversion gewählt?
Wir haben das als Bonustrack ausgewählt, weil die Musik von Dark Funeral für uns wichtig als verbindendes Element war, als unser Schlagzeuger Patrik Fält 2012 zur Band gekommen ist. Wir sind beide große Dark-Funeral-Fans und zusammen haben wir schon jahrelang geplant, ein Cover aufzunehmen, und wenn es als Nebenprojekt gewesen wäre. Das war nun die perfekte Gelegenheit, es mit guter Produktion aufzunehmen und der Welt unsere brutalste Seite zu zeigen!

Hoffentlich könnt ihr euer neues Album live auf vielen Bühnen und ohne Einschränkungen präsentieren. Was ist das beste am Touren und und was habt ihr zuletzt am meisten und am wenigsten an Livekonerten vermisst?
Wir haben im November eine große Europatour geplant (als Support für Finntroll, Anm. d. Red.), damit wird ein Traum wahr! Uns fehlt es sehr, neue Orte zu entdecken, neue Menschen kennenzulernen und das allgemeine Gefühl von Abenteuer. Für uns als Künstler ist live spielen die wichtigste Form der Bestätigung, da uns allein das Gefühl der Atmosphäre im Publikum eine Form der Akzeptanz gibt und uns beweist, dass es all das Blut und die Tränen wert ist!

Zeit zum Träumen: Wie würde die perfekte BRYMIR-Tour aussehen, wenn ihr die Bands frei wählen könntet?
(lacht) Wenn wir groß träumen dürfen, schickt uns bitte mit Dimmu Borgir und Amon Amarth auf Tour!

Kommen wir zum Abschluss zu unserem traditionellen Brainstorming. Was fällt dir zu folgenden Begriffen zuerst ein…
Aktuelles Lieblingsalbum:
Decapitated – Anticult.
Bestes Buch-/Film-/Serien-Universum: Die „Die Kultur“-Romane von Iain M. Banks.
Nordische Mythologie: Walhalla.
Zuhause: Studio.
Ein Essen, dass dich immer glücklich macht: Fish Tacos.
Etwas, das jeden schlechten Tag besser macht: Angeln.
BRYMIR in zehn Jahren: Überall.

Finntroll Brymir Europa Tour 2022

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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