Interview mit Jarne Brauns von East-Merch

Warum genau kosten Bandshirts auf einmal 40€? Was genau ist in der Produktion teurer geworden? Und: War früher alles besser? Mit Merchandise-Produzent (und Party.San-Open-Air-Veranstalter) Jarne Brauns sprachen wir im Rahmen unseres Specials „Von Merch und Margen: Wer verdient an Bandshirts?“ über alles dieses und vieles mehr.

Welche Kostenpunkte bei der Produktion von Merch haben sich im Vergleich zur Prä-Pandemie-Zeit verändert?
Im Grunde eigentlich alle. Die Personalkosten sind wie überall ein wichtiger Faktor. Im Rahmen der Inflation ist es nur fair, den Mitarbeitern mehr Geld zu bezahlen. Dazu kommen gestiegene Preise für Baumwolle, gestiegene Preise bei Farbe und Kleber sowie ständig steigende Logistikosten der Paketdienstleister. All das gebündelt rechtfertigt eine Preiserhöhung.

Was kostet ein Tourshirt, hergestellt in einer Stückzahl, wie es Bands für eine große Europatour benötigen, jetzt etwa in der Produktion?
Das variiert natürlich und kommt sehr auf die Farbigkeit der Motive und der zu bedruckenden Rohware an. In diesem Business über Preise zu reden würden meine Mitbewerber als unfair verstehen. Von daher herrscht hier also professionelles Schweigen.

Wie erklärst du dir die extreme Preissteigerung von 25€ bis 30€ auf jetzt 35€ bis 40€ für den Fan als Endkunde?
Das ist relativ einfach zu erklären. Die früher gewonnene Marge der Bands beziehungsweise Vertriebsfirmen wurde beibehalten und einfach auf das teurer eingekaufte einzelne Produkt addiert. Das ist total verständlich. Ein Shirt für 40,-€ zu verkaufen ist allerdings heftig und nur mit einer zu langen Nahrungskette zu erklären. Sprich: Hersteller, Druckerei, Vertriebsfirma, Management, Verkaufspersonal, Hallenvermieter und am Ende die Band. Bei Bands wie Kiss, Metallica, Perl Jam und so weiter – also den Großen – verdienen ja einige Firmen mit.

Jarne von East-Merch

Ist Merchandise der richtige Ansatzpunkt, um gestiegene Produktionskosten zu kompensieren?
Wo sonst sollen die Bands und Agenturen das Geld herbekommen? Von Tonträgerverkäufen? Leider nein. Früher haben die Fans die Platten gekauft, jetzt wird gestreamt. Diese „verlorenen“ Gelder holen sich viele Künstler – vor allem die sehr großen – über ihr Merchandise zurück. Ich finde das nachvollziehbar. Das Merch und die Konzerttickets sind die einzigen Einnahmen der Künstler. Die Gelder die die Streamingdienste „zurückgeben“, sind zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Die Fans haben es viel leichter: Für knapp 10 € im Monat hast du mit einem Schlag die größte Plattensammlung der Welt auf deinem Telefon beziehungsweise PC. Kaum jemand kauft noch Platten, die meisten Fans sparen sich das Geld. Dafür muss man heute eben beim Merch ein paar mehr Euros lassen, um seine Bands zu unterstützen.

Trotz allem gibt es ja auch noch Bands, die das anders handhaben – aktuelles Beispiel sind Heaven Shall Burn, die ihre Tourshirts für 25€ verkaufen, während Kreator 40€ verlangen. Wie ist das zu erklären?
Es gibt hier viele Faktoren, die die Shirtpreise nach oben schnellen lassen. 40,-€ für ein Shirt sind schon happig, aber in diesen Zeiten manchmal nicht anders machbar, gerade wenn man wie Kreator eine massive Produktion fährt. Vieleicht hatte die Band auch nur Bio-Ware dabei, das wissen wir ja im Moment gar nicht. Ich persönlich denke, dass 25,-€ bis maximal 30,-€ die aktuellen Grenzwerte sein sollten. Aber weder Kreator noch HSB sind für „Gier“ bekannt – eher das Gegenteil ist der Fall. Man muss dazu wissen, dass einige großen Hallenbetreiber aber auch Clubs nur Merchverkäufe zulassen, wenn man deren Personal dazu einkauft beziehungsweise Prozente an sie abdrückt. Dazu kommt, dass das Merch-Personal, das mit der Tour mitfährt, teurer geworden ist. Ich rede von bis zu doppelt so hohen Tagessätzen wie noch vor der Pandemie. Gutes Personal ist rar geworden und das Personal, das noch arbeitet, lässt sich seine Dienste gut bezahlen.

Wie würdest du die Preisentwicklung prognostizieren – werden Bandshirts zu Luxus, den sich nicht mehr jeder leisten kann?
Nein, das denke ich nicht. Wenn Du Metaller bist, aber auch Fußball spielst oder magst, bist du ganz andere Preise gewöhnt. Kauft man sich fürs Training ein simples Shirt einer bekannten Sportmarke ist man gut und gern bei 40 € bis 50 €. Ich will hier gar nicht von den Merch-Produkten der Vereine anfangen. Bei Markenklamotten regen sich die Leute auch nicht darüber auf, dass ein simpler Hoody mal eben 100 € kostet. Aber wenn eine Band das abrechnet, regen sich alle auf. Da muss man mal in Ruhe darüber nachdenken. Ich empfehle, gut abzuwägen und die Bands zu unterstützen, die man wirklich cool findet.

Als problematisch empfinde ich aber auch die Qualität vieler Shirts von heute. Ich habe 20 Jahre alte Shirts, die allenfalls etwas ausgewaschen, aber nach wie vor top in Form sind. Die heute verwendeten Shirts hingegen sind oft nach einmal Waschen verzogen, der Druck wellt … ist etwa ein Softstyle-Shirt überhaupt dazu geeignet, bedruckt zu werden?
Ich würde sagen, dass sich die Shirt-Qualität vieler Hersteller eher zum Besseren gewendet hat. Man kann heute als Band billige Ware einkaufen, aber auch auf Markenhersteller setzen oder Bio-Ware bestellen. Das gab es früher nicht. Mein originales Immortal-Shirt von 1993 – von der Tour mit Blasphemy und Rotting Christ – ist heute trotz weniger Nutzung der letzte Lappen. (lacht) Das Gildan-Softstyle-Shirt ist ein leichtes Shirt, das viele richtig gut finden, die keinen Bierbauch haben. Es fällt kleiner aus als reguläre Größen. Ich bin kein Fan von diesem Shirt, aber ich verstehe die Bands, die es mögen. Das ist alles Geschmackssache.

Wie alt ist dein ältestes Bandshirt – und wie viele Jahre gibst du einem durchschnittlichen 2023 neu gekauften Shirt, wie man es auf großen Touren aktuell erwerben kann?
Mein ältestes Shirt ist ein Tankard-Shirt von der 1991er-Tour mit Xentrix und Megalomaniax. Wie lange ein Shirt hält, hängt von der Pflege ab. Packst du deine Shirts in den Trockner? Bügelst du deine Shirts auf links? Trägst du aggressives Deo etc. … da kann man viel falsch respektive richtig machen. Wenn du willst, dass deine Shirts 20 Jahre halten, lass sie von der Mutti waschen. (lacht) Mal Hand auf´s Herz: Ich verstehe diese Nummer, dass man Shirts sammelt, aber hey, irgendwann muss man auch mal was neu kaufen und die alten Lappen eben Lappen sein lassen. (lacht)

Produktauswahl von East-Merch

Gibt es wegen Rohstoffmangel oder dergleichen keine besseren Rohlinge mehr – oder wird hier von vielen Bands/Labels einfach nur noch das billigste Material bestellt?
Die Frage suggeriert das Bands absichtlich nur billige Rohware kaufen. Das kann ich so nicht bestätigen. Viele Bands haben leider keine gefüllten Bandkassen und können auch keine großen Sprünge machen. Hier würde ich einfach Verständnis zeigen, ihnen den billigen Rohling verzeihen und sogar ein paar Euro Trinkgeld hinterlassen. Findest du eine Band cool und ihr Shirt kostet 15 bis 20 €, dann denk nicht lange nach! Unterstütze die Band und mach keinen Alarm wegen der Shirtmarke!

Wäre es denn wirklich so viel teurer, wenn man zumindest auf anständige Rohlinge drucken würde … oder gar auf nachhaligen Produkten wie Fairtrade- oder Biobaumwolle?
Nun, Bio und Fairtradeware ist fast doppelt so teuer wie ein reguläres Shirt. Wenn alle Bands auf Bio und Fairtrade setzen würden, müssten alle noch mehr bezahlen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen das gerade diese Shirts auch nicht das Gelbe vom Ei sind. Diese Produkte sind toll für das Gewissen aber am Ende weiß keiner ob sie nicht doch aus derselben Fabrik stammen wie das günstigere Shirt einer größeren Marke.

Bandshirts sind so gesehen schon immer Luxusprodukte, als kaum jemand ein Bandshirt kauft, weil er etwas zum Anziehen braucht. Wie weit können Preis und Qualität noch auseinanderdriften, bis die Fans nicht mehr mitspielen?
Diese Frage kann ich dir nicht beantworten. Wenn ich das wüsste, würde ich heute sicher anders arbeiten und mich darauf strategisch einstellen. Ich denke aber, dass die Grenze mittlerweile erreicht ist. Wer ein Shirt für über 40,-€ von einer Band kauft, will das Shirt und hat das Geld. Wer es nicht bezahlen will, unterstützt diese Preisspirale eben nicht und supportet stattdessen eine coole Undergroundband.


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