Interview mit Skald Draugir von Helrunar

HELRUNAR stehen für anspruchsvollere Black-Metal-Kost aus deutschen Landen. Sänger und Texter Skald Draugir stand uns für ein interessantes Interview zum neuen Album „Baldr Ok Íss“ freundlicherweise Rede und Antwort.

Hallo Skald Draugir! Vielen Dank erst einmal für das Interview. Wie geht es denn die Tage? Habt ihr so kurz vor dem Erscheinen des neuen Albums diesbezüglich noch etwas vorzubereiten, oder ist es eher ein gespanntes Warten auf die erste Resonanz?
Hallo! Es ist wohl eher Letzteres. Nachdem wir in diesem Jahr viel Arbeit in die Band investiert haben widmen wir uns jetzt wieder den banalen Aspekten des Lebens… dem Studium oder dem Broterwerb zum Beispiel. Langeweile gibt es also nicht.Was wir von den Resonanzen bisher mitbekommen haben ist größtenteils positiv. Das erfreut uns natürlich.

Auch „Baldr Ok Íss“ habt ihr ja wieder im Klangschmiede Studio E bei Markus Stock aufgenommen. Seid ihr rundum zufrieden, was die Zusammenarbeit mit ihm anbelangt? Fühlt ihr euch bei Lupus Lounge / Prophecy als Label gut aufgehoben? Ich habe von ihnen über die Jahre den Eindruck eines extrem Fan- und Bandfreundlichen Labels bekommen.
Diesen Eindruck kann ich bestätigen! Sowohl die Zusammenarbeit mit dem Label als auch mit Markus Stock als Produzenten lief super. Er hat Soundtechnisch das beste aus diesem Album herausgeholt, was wir erwarten können, und Prophecy unterstützen uns hervorragend in allen Belangen.

Ist „Baldr Ok Íss“ tatsächlich als Konzeptalbum zu verstehen? Was behandeln die Texte, natürlich neben Mythen aus der nordischen Mythologie, diesmal? Bei der Promo-CD lagen sie leider nicht bei, und trotz im Allgemeinen recht verständlicher Texte ist sicher leider doch die ein oder andere Aussage beim Hören untergegangen.
Ja, man kann es als Konzeptalbum betrachten. Bei einigen Texten kommt das Konzept eher zum tragen, andere lassen sich eher assoziativ im Konzept einordnen, aber ich denke der rote Faden bleibt immer erhalten.
Grundsätzlich geht es um das Zusammenspiel gegensätzlicher Kräfte, symbolisch verkörpert durch Baldr, den Licht/Sonnengott und der Kraft des Eises. Grundlage ist der Mythos von der Tötung Baldrs durch den blinden Höðr. Die Waffe, die er benutzt ist ein Mistelzweig, auch deutbar als Speer, womit er wiederum (wenn man den Symbolismus der nordischen Mythologie betrachtet) die Kraft des Eises verkörpert. Überreicht wurde ihm der Speer durch Loki, einem Gott also, der auch für die verdrängten, dunklen Seiten der Götter steht.
In den Texten weite ich die Bedeutungsebenen aus, beziehe sie z.T. auch auf moderne Phänomene… ich finde es immer wichtig zu sehen, welche Bedeutungen ein alter Mythos auch für den modernen Menschen haben kann. Das er die hat, steht außer Frage, denn ein Mythos ist voll mit Symbolen und versteckten Bedeutungen, die immer ihre Gültigkeit haben werden, so lange es Menschen gibt. Wie genau man nun die Texte und den Mythos deuten will, soll dem Hörer überlassen bleiben.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle noch anmerken, dass die Promo – Cd den ersten Mix des Albums enthält… beim letztendlich verwendeten Mix haben wir noch ein paar Kleinigkeiten geändert.

Mit „Hunta and Boga“ ist ein Song auf dem Album vertreten, der mit sehr hymnischem, klar gesungenem Refrain aufwartet. Wird dieser Song live gespielt werden oder ist das eben aufgrund dieser sehr voluminösen Vocals nicht möglich?
Wir würden ihn sehr gerne Live spielen, weil er als Live – Song sicher auch gut funktioniert. Was die Chöre betrifft: Da werden wir uns wohl auf die Fans verlassen müssen.

Wobei mich das Stichwort live gleich zur nächsten Frage bringt: Bis vor kurzem wart ihr mit den Polen Behemoth, sowie Aborted und Sworn auf Tour. Was für ein Gefühl war es, mit Behemoth als international bekannter Band zu touren, und das dazu noch in einer so bunten Mischung, was die Nationalitäten angeht? Mit Norwegen, Belgien, Polen und Deutschland war da ja durchaus einiges geboten.
Es war natürlich eine sehr interessante, neue Erfahrung. Wir sind zuvor noch nie so lange am Stück getourt, und schon gar nicht in einem Nightliner. Es ist, wie man sich denken kann, eine ganz andere Sache, jeden Tag woanders zu sein und einen Gig zu spielen, als irgendwo hin zu fahren und am nächsten Tag wieder zu Hause zu sein. Wir haben uns mit den anderen Bands hervorragend verstanden und hatten viel Spaß. Außerdem war es natürlich ein toller Einblick ins Rock\’n\’Roll – Leben.

Welche Kunstzweige vermögen dich, neben der Musik, noch zu begeistern? Kannst du vielleicht sogar konkrete Beispiele für Werke und/oder Künstler nennen, die es dir aus den Bereichen der bildenden und der ephemeren Kunst sowie der Literatur angetan haben?
Eigentlich alle. Kunst ist mein Leben, oder sagen wir, zumindest ein wichtiger Teil davon. Es ist egal, ob es sich um Literatur, bildende Kunst, Musik, Film oder Theater handelt. Alle Kunstzweige stehen für mich gleichwertig als Ausdrucksmittel nebeneinander. Die Art des Ausdrucks ist halt nur immer eine andere, und die Arbeitsweise… ich bin auch in anderen Kunstzweigen tätig, und sie sind immer eine Bereicherung für die Bandarbeit.

Viele Künstler haben mich beeinflusst oder beeindruckt, so fällt mir die Auswahl schwer… als Literaten nenne ich mal William Butler Yeats, Gottfried Benn, Franz Kafka und William Blake, die alle sprachlich unglaublich starke, bedeutungsschwere und bildreiche Texte verfasst haben. Was Theater betrifft sind es zum Beispiel George Tabori, der sehr düstere Stücke geschrieben hat, oder auch Joanna Laurens, die ganz hervorragend mit Sprache zu spielen versteht. Dazu kommen die Klassiker: William Shakespeare und Edmond Rostand.
Als bildende Künstler prägten mich vor allem Symbolisten, Expressionisten und der Jugendstil, bisweilen mag ich auch Romantiker. Generell liebe ich alle Präraffaeliten. Und Edward Munch, Gustav Klimt, Franz von Stuck, Arnold Böcklin… ich könnte jetzt endlos weitere Künstler aufzählen, die eventuell niemandem etwas sagen…

Du beschäftigst dich ja sehr gerne mit Mythen und Runen, und verfasst ja auch deine Texte so, dass viele Interpretationsmöglichkeiten für bestimmte Verse funktionieren können. Da sich diese durchweg auf sehr hohem Niveau befinden, hast du dir schon einmal überlegt, ein Buch zu schreiben und selbst als Autor zu publizieren, um dich weiter auszudrücken? Oder sind gerade die kurzen, einzelnen Verse das geeignetere Mittel, deine Gedanken richtig zu verpacken und Interpretationsspielraum zu lassen?
Ja, ich habe mir überlegt ein Buch zu schreiben… wie das dann aussehen wird, ob es Gedichte enthält, einen Roman, Ideen zur nordischen Mythologie oder was auch immer, kann ich noch nicht sagen. Eben so wenig ob sich irgendjemand findet, der es dann veröffentlicht.

Einige Bands tun sich schwer damit Texte in einer „toten“ Sprache zu singen, ein Beispiel sind Menhir, die das Althochdeutsche recht holprig (oder eigenwillig?) wiedergeben. Du selbst dichtest sogar im Altnordischen, was sicherlich eine massive Herausforderung ist. Besteht nicht die Gefahr, sich falsch auszudrücken, wenn man die Sprache nicht, wie du, studiert? Wie bewertest du im Allgemeinen die Re-Inszenierung (oder Neuverwendung?) alter Sprachstufen?
Es hängt davon ab, was man damit erreichen will. Im allgemeinen haben alte Sprachen einen tollen, geheimnisvollen Klang… sie sind also ein sprachlicher Effekt, den man gezielt einsetzen kann um Atmosphäre zu erzeugen. Wichtig ist allerdings, dass man sich über die Bedeutung der verwendeten Passage im Klaren ist, und sie vernünftig ins Textkonzept eingliedert. Man sollte so etwas immer ganz bewusst tun, auch wenn die meisten Hörer den Text womöglich nicht verstehen. Das ist zumindest ein Anspruch, den ich an mich stelle.
Und, ja, man sollte vorher die Aussprache üben. Auch wenn ich mit meiner Altnordisch – Aussprache nicht immer zufrieden bin (ich entdecke immer wieder kleine Fehler, die mich dann endlos wurmen)… man sollte wenigstens versuchen, es korrekt wiederzugeben.

Habt ihr euch für das Schreiben des neuen Albums bewusst von anderen Musikern inspirieren lassen? Beziehungsweise welche Musik hört ihr zurzeit und welche speziellen Künstler kannst du hier als vielleicht auch unbewussten Einfluss nennen?
Generell sind wir wie immer von den „alten Norwegern“ beeinflusst… ich meine, die norwegischen Black Metal Bands und Alben von Anfang bis Mitte der Neunziger. Wir hören noch vielfältige andere Musik…da findet sich alles Mögliche von Klassik, Soundtracks, Folk und Mittelater – Musik über alle Arten Metal, Rock und Hard Rock, 70er – Sachen bis hin zu Trip Hop und Ambient – Kram, wenn man sich den Musikgeschmack der ganzen Band anschaut. All diese Musik – Formen werden wohl ihren Einfluss auf uns haben… aber, so wie Du es sagst, oft eher unbewusst.

Der Sound Helrunars besteht sicher zu einem nicht unwesentlichen Teil auch aus den klirrenden, kalten Akustikgitaren. Gab es schon einmal Überlegungen, mehr in diese Richtung zu machen, und eventuell sogar eine ganze Scheibe in diesem Gewand aufzunehmen?
Ja, die gibt es.

So stupide die Frage auch klingen mag: Aus welchem Grund habt ihr angefangen, Musik zu machen? Geht es euch vor allem darum, eure eigenen Gefühle und Gedanken in musikalischer Form auf CD festhalten zu können, ohne dabei an Vorgaben gebunden zu sein? Wollt ihr den Hörer durch die Kombination aus den tiefgreifenden Texten und der musikalischen Untermalung zum Nachdenken anregen, ihn verändern? Oder wollt ihr vor allem 50 Minuten gute Unterhaltung bieten?
Es ist wohl eine Mischung aus allem, was Du gesagt hast… wobei der Unterhaltungsaspekt aber wohl eher nicht so wichtig ist.

Zweifellos seid ihr eine naturverbundene Band. Welche Ecken in unserem überbevölkerten Heimatland kann man noch empfehlen, wo es doch so schwer ist, einen schönen und einsamen Ort zu finden – im Gegensatz zu Skandinavien, wo es 10 Meter abseits der Hauptstraße schon aussieht, als ob dort noch nie ein Mensch seinen Fuß hingesetzt hätte?
Da muss sich wohl jeder selber auf die Suche begeben. Schöne Orte gibt es überall, man muss sich nur auf den Weg machen, um sie zu finden. Man könnte jetzt beispiele wie den Harz oder den Teutoburger Wald nennen, ich glaube aber, dass man gar nicht so weit fahren muss. Es gibt überall schön, oft einsame Orte.

Zum Abschluss eine etwas zukunftsbezogene Frage: Wo, würdest du schätzen, steht der heidnische Metal in 10 Jahren? Ist die Vielzahl an Bands, die sich diesem aktuell mehr oder weniger intensiv widmet, nur ein Hype, oder ein bestehender Strom, der so weiter existieren kann und wird? Denn auch wenn der Vergleich auf den ersten Blick hinken mag, und sicher nicht für die Bands gilt, die sich diesem Thema tiefgreifender gewidmet haben: Nu Metal wollte nach etwa 10 Jahren auch keiner mehr hören, obwohl es damals auch ein unheimlich gehyptes Genre war.

Oh, sind die 10 Jahre für den Nu Metal schon vorbei? Mir kommt es vor, als sei der erst gestern aufgetaucht… ich kümmere mich kaum um Genres und deren Popularität. Ich höre einfach was mir gefällt. Dass es den Pagan Metal in 10 Jahren noch in dieser Form gibt ist sehr unwahrscheinlich, ebenso , dass er dann noch so populär ist. Im Moment ist es wohl wirklich ein Hype, und vielen Bands möchte ich ihre Ernsthaftigkeit einfach mal absprechen. Fehlende Ernsthaftigkeit ist ein Symptom populärer, gehypter Kunst- oder Entertainmentformen. Und deren Lebensspanne ist immer begrenzt.

Vielen Dank dir für das Interview viel Erfolg Helrunar für die Zukunft. Die letzten Worte gehören wie üblich dir.
Danke für das Interview! Einen Gruß an alle Fans und jene, die uns unterstützen! Dankeschön!

Publiziert am von Marius Mutz

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