Interview mit Anna Murphy von Lethe

Die experimentell-elektronische Kollaboration zwischen Tor-Helge Skei (Manes) und Anna Murphy (Eluveitie) trägt mit LETHE den Namen eines mythologischen Flusses der Unterwelt und brachte auf ihrem Debüt „When Dreams Become Nightmares“ ebenso düstere Texte hervor. Überhaupt nicht schaurig, sondern sogar äußerst unterhaltend beantwortete Anna nun, wie diese musikalische Zusammenarbeit zwischen Norwegen und der Schweiz dank dem Internet zustande kam und wie sich die schwer beschäftigte Musikerin und Tontechnikerin ihre Zukunft vorstellt.

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Was ist das für ein Gefühl, mal nicht nach neuen Songmaterial von Eluveitie, sondern als Sängerin von LETHE interviewt zu werden? Aufregender, da eine bisher noch neue Rolle?
Ja, genau! Bei LETHE bin ich sowohl als Mensch als auch als Musikerin völlig anders als bei anderen Projekten.

Wie groß ist das Interesse an eurem Debüt? Wie war die Resonanz bisher, bist du zufrieden?
Ganz ehrlich, ich bin sehr überrascht wie viele positive Feedbacks und Reviews wir erhalten haben. Nicht, dass ich unser Werk nicht toll finde, aber es ist schon recht schwierig, heute noch Aufmerksamkeit zu bekommen, es gibt so viele gute Musiker und Bands. An dieser Stelle muss ich sagen, dass Debemur Mortii hervorragende Arbeit leistet als Label und viele Ohren auf uns Aufmerksam macht. Ich bin sehr zufrieden und bin sehr motiviert, an neuem Material für LETHE zu arbeiten, Tor-Helge ebenfalls.

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Zwischen deiner Heimat, der Schweiz, und Norwegen, dem Heimatland von Tor-Helge Skei,  liegt ein enormer Weg und trotzdem fanden du und Skei irgendwie zueinander. Könntest du unseren Lesern bitte erzählen, wie und wann ihr beide auf die Idee kamt miteinander musizieren zu wollen?
Also, ich höre Manes schon seit einigen Jahren und bis Dato ist sie eigentlich eine meiner allerliebsten Bands, die mich als Musikerin auch sehr beeinflusst hat. An der Listeningsession für das letzte Eluveitie-Album habe ich einen Journalisten kennengelernt, David Genillard, mit dem ich mich über Musikgeschmack und solche Sachen unterhalten habe. Er war es, der mir ca. ein Jahr nach dem Gespräch gesagt hat, dass Tor-Helge Musiker sucht, um ein paar Cover zu machen, vor allem Sängerinnen. Ich habe daraufhin Tor-Helge eine Mail geschrieben, wir haben ein paar Songs zusammen gemacht und das war es eigentlich. Es passte wunderbar und unsere Vorstellungen vom Musikmachen waren genau die selben. Das meiste erfolgte dann durch Dateiaustausch im Internet und so haben wir die Songs geschrieben. Um das Album endgültig fertigzustellen, bin ich nach Norwegen gereist und da haben wir auch gleich an neuem Material gearbeitet. Das erste Mal gesehen haben wir uns eigentlich erst, als das Album schon praktisch fertig war, das ist schon ziemlich interessant!

Warum habt ihr das Projekt „LETHE“ genannt?
Die Idee hinter dem Namen stammt von Tor-Helge. LETHE ist ein Fluss in der Unterwelt der griechischen Mythologie. LETHE ist für uns mehr als „bloß“ Musik. Es gibt einiges, was wir vergessen und mit LETHE verarbeiten wollen.

dmp0102_1000x1000-3Das Artwork von „When Dreams Become Nightmares“ sowie die Bilder im Booklet geben mir Rätsel auf – sehe ich da Quallen, die sich von einer Seeanemone hinfort bewegen und wenn ja, könntest du mir bitte den Kontext zum Albumtitel erklären? Habt ihr dem Gestalter Robert Høyem freie Hand gelassen oder erarbeitete er etwas nach euren Vorgaben?
Das darf jeder für sich interpretieren, ein bisschen Geheimnis muss sein. (lacht) Robert haben wir ziemlich freie Hand gelassen, mit ein paar Angaben und Anregungen, aber nicht mehr.

Eure Texte sind überwiegend düster und melancholisch gehalten. Was veranlasste euch dazu, lyrisch in dieser Stimmung bleiben zu wollen? Oder anders gesagt: Weswegen klingt euer Debüt nicht fröhlicher?
Ich will nicht für uns beide sprechen, aber bei mir ist es so, dass ich aus fröhlichen Ereignissen oder Gefühlen nicht wirklich Inspiration schöpfen kann. Und bei LETHE ist alles erlaubt, wir wollen uns da keine Grenzen setzen oder einen Plan haben. Und das ist dabei herausgekommen. (lacht)

a1451065490_2Wie kann ich mir den Entstehungsprozess zu dem Album vorstellen? Welche Möglichkeiten nutzten du und Skei, um über Lyrics zu sprechen, gemeinsam zu komponieren und zu proben?
Hoch lebe das Internet! Anfangs haben wir nur gemailt und Aufnahmen hin- und hergeschickt. Dann irgendwann kam noch Skype dazu, was einiges vereinfachte und gesehen haben wir uns erst einmal in Norwegen. Geprobt haben wir noch nie, aber wir haben schon darüber gesprochen, mal live zu spielen. Wer weiß, vielleicht wird das eines Tages etwas. Wir bevorzugen jedoch nach wie vor E-Mails schreiben, wenn es um das Komponieren und um Ideenaustausch geht.

Welche Bands oder Genres haben euch im Entstehungsprozess von „When Dreams Become Nightmares“ beeinflusst?
Hm, das ist schwierig zu sagen, man wird ja vor allem unbewusst beeinflusst von anderen Bands. Wir haben uns beide vorgenommen, uns nicht einzugrenzen oder zu sagen „das passt nicht“ oder „das tanzt jetzt schon aus der Reihe“. Ich glaube, dass uns das relativ gut gelungen ist, unser einziges Kriterium war, ob es gefällt oder nicht, aber ob das nun ein Black-Metal-Riff, Pop/ Rap-Gesang oder ein Drum’N’Bass-Beat ist, war völlig egal.

Auf „When Dreams Become Nightmares“ bekamt ihr viel Unterstützung von außenstehenden Musikern, bspw. von Asgeir Hatlen und Niklas Kvarforth. Wie wurden sie zu diesem Projekt hinzugezogen?
Asgeir Hatlen hat schon auf einigen Manes-Scheiben gesungen und ist vor allem durch die Zusammenarbeit mit Tor-Helge mit von der Partie. Niklas und Tor-Helge kennen sich auch, glaube ich, bin mir aber nicht sicher. (lacht)

Ist LETHE als ein längerfristiges Projekt angelegt?
02Gibt es bereits neue Pläne?
Auf jeden Fall, wir arbeiten bereits am nächsten Album.

Auf eurem Youtube-Kanal sind bereits einige mit einem Video unterlegte Songs zu finden. Die Machart der Clips ähnelt sich: Es sind immer Sequenzen aus älteren Filmen. Weswegen habt ihr euch für diese Art Musikvideo entschieden?
Das war Tor-Helge. Er mag alte Filme und ist immer auf der Suche nach Material und schneidet dann gerne etwas zusammen. Ich finde das sehr cool und passend und bin immer wieder überrascht und erfreut, was er da zusammenbastelt.

Da du mit Skei zusammenarbeitest, komme ich nicht um die Frage herum: Wie vertraut bist du mit Manes? Falls sehr, wie ist dann die Zusammenarbeit mit (vielleicht?) einem deiner musikalischen Idole?
Wie du bereits weißt, sehr vertraut! (lacht) Es ist sehr toll und ich bin echt froh, dass dieser Zufall passiert ist.

Meinst du, dass du und Skei es schaffen, zusammen als LETHE auf Tour zu gehen? Oder wird er sein Hauptaugenmerk auf die Promotion des bald erscheinenden neuen Albums von Manes legen?
Es wäre schon toll, ist aber zeitlich leider schwierig. Es würde bestimmt nicht an der Distanz scheitern, man könnte ja einfach intensive Probewochen planen, aber ich habe schon Prioritäten gesetzt mit Eluveitie und es ist immer schwierig, da drumherum zu planen. Aber wer weiß, unmöglich ist es ja nicht!

Du bist schwer beschäftig: Neben Eluveitie, Fräkmündt und LETHE wirst du bald im Vorprogramm von Anneke Van Giersbergen auf Tour gehen und dein erstes Soloalbum „Cellar Darling“ live präsentieren. Planst du trotzdem noch mehr Projekte, neue Bands und weitere Gastauftritte?
Das ist richtig! (lacht) Hm, also ich plane eigentlich gar nichts, ich schau einfach was auf mich zukommt. Aber ich denke, ich habe schon genug Projekte momentan. Irgendwann wird es dann doch zu viel. Aber das hab ich mir nach drei Bands auch gedacht und dann wurden es, ähm, mehr. (lacht)

07Stellst du dir deine Zukunft weiterhin als eine Kombination von all dem vor oder möchtest du dich auf längere Sicht nur auf den Gesang oder nur auf die Arbeit als Toningenieurin konzentrieren?
Das ist eine gute Frage. Ich denke nicht wirklich an die Zukunft und frage mich auch nicht, was sie bringen könnte. Schlussendlich kann man es eh nicht wissen und ich nehme die Tage so wie sie kommen. So wie es momentan ist, bin ich mehr als zufrieden und ich würde gar nichts an den Nagel hängen wollen von all den tollen Beschäftigungen, die ich gefunden habe.

Ich möchte das Interview mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden. Was kommt dir beim Lesen der folgenden Begriffe in den Sinn:
Musikgenres, mit denen du nichts anfangen kannst:
Man kann mit allen Musikgenres etwas anfangen, auch wenn sie nur zur Belustigung dienen.
Schweizer Volksabstimmungen: Ich lese nicht einmal Zeitung, weshalb sollte ich abstimmen gehen? Wenigstens behaupte ich nicht, ich hätte Ahnung davon. Sollen doch alle deswegen heulen gehen und mich in Ruhe lassen! (lacht)
Lieblingsalbum 2013: Das neue DJ Hidden-Album! Kam das da heraus? War das letztes Jahr? Keine Ahnung, jedenfalls ist es toll!
Olympische Winterspiele in Sotschi: Interessieren mich sogar noch weniger als Schweizer Volksabstimmungen.
Anna Murphy in zehn Jahren: Keine Ahnung, das ist ja das Spannende daran!

Vielen Dank für das Interview, Anna! Die letzten Worte gehören dir – willst du unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Danke Dir! Und ich danke für das Interesse! All hail Ragusa Schoggi (aber nur die dunkle)!

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