Der Belgier Filip Dupont alias Lykormas ist ein kreativer und in der Folge viel beschäftigter Mann: Mit seiner Band HEMELBESTORMER war er gerade erst auf Tour, nun erscheint – kurz vor dem neuen Album der Instrumental-Doom-Band – mit „Beyond“ das dritte Album seines Soloprojekts LHAÄD. Was es mit dem Namen auf sich hat, welches Konzept er mit dem Projekt verfolgt und welche anderen Eisen er derzeit im Feuer hat, verrät uns Dupont im Interview.
LHAÄD ist nicht gerade ein eingängig oder auch nur leicht auszusprechen – was bedeutet dieser Name, und warum war er trotzdem die perfekte Wahl für dieses Projekt?
LHAÄD ist ein Anagramm von Hadal. Die Hadal-Zone – oder hadopelagische Zone – ist die tiefste Zone in den Ozeanen, mit Abgründen, die tiefer als 10.000 Meter reichen. Das Wort Hadal ist abgeleitet von Hades, dem griechischen Gott der Unterwelt. Wenn man weiß, dass sich das Konzept von LHAÄD um die finsteren, undurchsichtigen Gewässer der Ozeane dreht, hat man die Antwort.
Die erste Veröffentlichung von LHAÄD kam 2021 heraus, jetzt erscheint das dritte Album. Wie gehst du an ein neues Album heran, schreibst du imemr mal wieder Musik, oder das ganze Album fokussiert innerhalb eines kurzen Zeitraums?
Ich schreibe ein Album oft in ein paar Wochen, alles in einem Fluss, voll fokussiert und mit Tunnelblick. Meistens entwerfe ich die größten Parts und Atmosphären im Kopf, bevor ich diese Ideen dann in Tracks umsetze. Wenn ich einmal im Flow bin, denke ich über Musik nach, wenn ich in der Natur spazieren gehe, wenn ich im Bett liege, wenn… im Grunde die ganze Zeit. Das funktioniert bei allen meinen Bands, außer bei HEMELBESTORMER. Diese Stücke sind so vielschichtig und lang, dass ich sie nacheinander schreibe und zwar über einen längeren Zeitraum verteilt. Aber es gibt keine feste Regel. Es kommt, wie es kommt.
Die Titel der drei Alben, „Below“, „Beneath“, „Beyond“, aber auch die Artworks lassen auf einen Zusammenhang schließen – stimmt das, oder ist das nur der allgemeine Stil von LHAÄD?
Die drei Alben fügen sich zu einem Konzept zusammen: Hadopelagic Black Metal. Unterhalb („below“), unter („beneath“) und schließlich jenseits („beyond“) der Oberfläche. Das Design und die Artworks passen zueinander und sind bei allen drei Alben ähnlich. Sie führen die Musik in die tiefen Gewässer, wo es kalt, dunkel und unter eine Milliarde Tonnen von Wasser ist.
Die Cover sehen aus, als wären sie Teil einer Bildergeschichte, man nähert sich über die Alben diesem geheimnisvollen Tor unter dem Meer. Kannst du uns etwas über das Konzept dahinter erzählen?
Die Ozeane der Erde sind zu weniger als 20 % erforscht. Es ist eine riesige (neue) Welt voller Dunkelheit, die noch unbekannt ist. Ihre unendliche Erhabenheit hat mein Interesse weit mehr geweckt als die üblichen Geschichten über den Tod und das Böse. Man kann es mit einer Reise durch den Weltraum vergleichen, die mehr oder weniger die gleiche Atmosphäre hat. Das Cover des ersten Albums zeigt ein vages Bild von zwei Tentakeln, die einen in die Fluten locken. „Beneath“ zeigt eine karge ozeanische Landschaft und ‚Beyond‘ zeigt die Tür, ein Tor zur Hölle am tiefsten Punkt des Ozeans – es zeigt, was sich jenseits des Grundes der Ozeane befindet.
Die Songs haben keine Titel, sondern lediglich Nummern. Warum?
Der Gesang auf den LHAÄD-Alben ist, abgesehen von der Flüsterzeile im Outro von „Beyond“, improvisiert. Er ist roh und kommt direkt aus dem Herzen, oft ist es der erste Take. Sie sind nicht durchdacht, sondern in ihrer reinsten Form. Dies ist Absicht, damit die Sprache nicht die Urschreie ruiniert. Es macht also keinen Sinn, Titel für sie zu suchen. Das heißt aber nicht, dass Texte nicht wichtig sind. Für meine längst aufgelöste Band GORATH – hört sie euch ruhig mal an, fangt dazu am besten mit „Apokálypsis“ und „Misotheism“ an! – habe ich Bücher über die Geschichte der Maya verschlungen, noch bevor die Unheilsprophezeiungen für 2012 in aller Munde waren, um „The Fourth Era“ zu schreiben. Für „MXCII“ habe ich alle Texte im lokalen Dialekt geschrieben, gemischt mit Latein, und ein Dialektwörterbuch für die korrekte Schreibweise benutzt. Die englischen Übersetzungen wurden in Spiegelschrift neben das Original gestellt. Kaum jemand hat über diese Texte gesprochen. Das ist schade, denn sie enthalten viel Schönheit und Geschichte. Meine Mitstreiter bei RITUALS OF THE DEAD HAND und ENTARTUNG kümmerten sich bei beiden Bands um die Texte. Alles historische Inhalte. Für ENTARTUNG hat Vulfolaic in verschiedenen Sprachen geschrieben, auf Deutsch, Russisch, Schwedisch … makellos!
Was inspiriert dich dazu, diese Art von Musik zu machen – besonders im Vergleich zu deiner anderen Band, HEMELBESTORMER?
Es ist bei beiden das Gleiche: Natur, Raum, Stille, Sonne, Mond, Tiere, Sterne, Dunkelheit, Insekten, langsames Leben … im Grunde alles, was sich dieser modernen Welt entgegenstellt.
Warum hast du dich entschieden, LHAÄD als Soloprojekt zu betreiben?
Was ist ein Projekt? Was ist eine Band? Ist Funeral Mist ein Projekt oder eine Band? Oder Deathspell Omega? Und was ist mit Megadeth – ist das nicht eigentlich nur Dave Mustaine plus Musiker? Ich schreibe alle Musik und nehme alles selbst auf. Ich sehe keinen Sinn darin, einem anderen Gitarristen beizubringen, was er spielen soll, wenn ich es selbst besser und schneller machen kann. Dasselbe gilt für Bass und Schlagzeug. Das wäre sehr zeitaufwändig und zu teuer. Ein richtiges Schlagzeug aufzunehmen würde ein paar tausend Euro kosten. Wenn alle meine „Projekte“ echte „Bands“ sein sollten, wäre ich pleite. Oder man müsste touren, aber das ist bei meinem vollen Terminkalender nicht machbar.
Bei einem Soloprojekt muss man nie auf jemanden warten, man ist völlig unabhängig – aber es fehlt vielleicht auch der Input oder die Kritik von außen. Fehlt dir das manchmal?
Gute Frage. Vor nicht allzu langer Zeit hat mir ein guter Freund genau diese Frage gestellt. Ich habe zuvor nie darüber nachgedacht. Wenn ich Musik schreibe, drücke ich nicht auf den Aufnahmeknopf, wenn ich nicht völlig davon überzeugt bin, dass sie gut ist. Ich bin 46 Jahre alt, und schreibe länger Musik und veröffentliche sie auf Demokassetten und all das, als es das Internet und Streaming überhaupt gibt. Vor LHAÄD habe ich etwa 20 (!) komplette Alben für frühere und aktuelle Bands geschrieben. Ich weiß, was ich kann, und ich kenne meine Grenzen. Außerdem weiß ich, dass man nie zu 100 % zufrieden sein wird. Am Ende gibt es immer etwas, das man hätte besser oder anders machen können. Das behalte ich immer im Hinterkopf. Ich versuche, Perfektion anzustreben, denn es ist alles für die Ewigkeit.
Könntest du dir vorstellen, LHÄAD irgendwann einmal auf die Bühne zu bringen?
Es gab tatsächlich schon einige Angebote von Festivals und von befreundeten Musikern, die sich mir anschließen wollten. Aber zum jetzigen Zeitpunkt wäre es sehr schwer zu realisieren. Ich habe immer auch Bass oder Gitarre gespielt, wenn ich gesungen habe. Aber für LHAÄD denke ich, dass es schwer wäre, Gitarre zu spielen und gleichzeitig die Texte zu improvisieren. Aber wenn ein Angebot kommt, das man nicht ablehnen kann, kann das die Motivation enorm ankurbeln.
Mit HEMELBESTORMER warst du gerade erst auf Tour – wie war es, welche Eindrücke von der Szene nimmst du von dieser Konzertreise mit?
Es waren fünf Termine in Deutschland. HEMELBESTORMER haben insgesamt die meisten ihrer Shows in Deutschland gespielt. Wir lieben Deutschland und kommen dort gut an, auch unsere Freunde von Pothamus, die jeden Abend ein grandioses Set abgeliefert haben. Abgesehen von der ersten Show in Bremen waren die Besucherzahlen gut, und wir hatten auch eine tolle Zeit. Städte wie Karlsruhe und Stuttgart fühlen sich wie ein zweites Zuhause an, aber es gibt auch viele Orte in Deutschland für uns zu entdecken: HEMELBESTORMER waren noch nie in Stuttgart, Nürnberg und Frankfurt zu Gast, um nur ein paar Städte zu nennen. Auch Berlin und Hamburg sind schon viele Jahre her. Aber die Chancen stehen gut, dass wir im Februar nächsten Jahres wieder eine kleine Deutschlandtour machen werden. Hoffentlich mit unseren Freunden von Wyatt E.
Was hat dir am Touren besonders gefallen – und was nicht so sehr?
Ich persönlich bin derjenige bei HEMELBESTORMER, der am wenigsten gerne live spielt. Klar, ich genieße die Energie auf der Bühne jeden Abend. Ich mag es, neue und alte Bekanntschaften zu treffen. Ich mag es, mit meinen Freunden unterwegs zu sein. Aber es ist immer ein großer Stress, die Termine zu planen und alles richtig zu organisieren. Ich mag auch nicht das „Eile mit Weile“-Spiel: Alles mit Höchstgeschwindigkeit zu bewältigen, um rechtzeitig (am Veranstaltungsort) anzukommen, dann aber noch sechs Stunden zu warten. Keine körperliche Betätigung, zu viel Snacks und ein absoluter Mangel an angemessenem Schlaf.
Das letzte Album ist von 2021 – gibt es auch in musikalischer Hinsicht bald Neues von HEMELBESTORMER?
Ja. Noch diesen Monat wird der erste von drei Videoclips veröffentlicht, um die Promotion und die Pre-Order für unser viertes Album einzuleiten, das im Juli auf Pelagic Records erscheinen wird [Update: „The Radiant Veil“, VÖ: 25.07.2025]. Haltet die Augen offen, denn es übertrifft „Collide & Merge“ und alle unsere vorherigen Alben bei weitem.
Und was ist mit deinen anderen bereits erwähnten Projekten, WOLVEN, RITUALS OF THE DEAD HAND und ENTARTUNG? Kannst du uns diesbezüglich irgendwelche Neuigkeiten mitteilen?
Du hast NOX vergessen! Es ist ein Projekt von Inmesher von Rope Sect als Sängerin und mir, der die Musik macht. Keine Gitarren, kein Metal. Stellt euch eine elektronische Version von Depeche Mode vor – melodisch, dunkel und mit Beats. Unser Debüt ist letztes Jahr als Digipak-CD und in einigen sehr coolen farbigen Vinyl-Editionen erschienen. Checkt das Album auf Bandcamp aus! Ich habe auch etwas Neues angefangen: Ich stehe total auf Dissection und (alte) Naglfar, aber kaum eine Band zollt ihnen auf angemessene Art und Weise Tribut. Also habe ich im Januar beschlossen, selbst ein komplettes Album zu schreiben. Große Worte … die könnten wie ein Bumerang auf mich zurückschlagen, sorry dafür. Arne – auch Sänger bei Marche Funèbre – wird im Mai vorbeikommen, um seine Gesangslinien beizusteuern. ARCHAIC OATH, schreibt es euch irgendwo auf! Über WOLVEN: Ich habe viele Ideen in meinem Kopf, aber noch nicht die Zeit, sie in Musik umzusetzen. Ich war in einem guten Flow beim Schreiben des nächsten Albums von RITUALS OF THE DEAD HAND und habe die Hälfte der Stücke fertiggestellt. Ich werde alle Demos neu aufnehmen und einige kreative Beiträge des Bassisten einbeziehen, bevor ich den zweiten Teil schreibe. ENTARTUNG ist, so weit ich weiß, tot.

Lassen uns das Interview mit einem kurzen Brainstorming beenden:
Black Metal: „De Mysteriis Dom Sathanas“, aber genau in diesem Moment dreht sich das neue Teitanblood
Klimawandel: er ist da und kann nicht geleugnet werden
Roadburn: Ich habe es geliebt,dort zu spielen, obwohl es mittlerweile sehr artsy geworden ist
Tauchen: habe ich nie gemacht, obwohl ich Schnorcheln liebe
LHÄAD in zehn Jahren: entweder tot oder noch aktiv – mit der nächsten Triologie!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.