Interview mit Niklas Karlsson von Orbit Culture

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ORBIT CULTURE gelten als eine der vielversprechendsten Bands dieser Zeit. Mit ihrem Mix aus Groove, Härte und größter Eingängigkeit haben sie sich in den letzten Jahren schon eine große Fanbase erspielt. Nach dem letzten Album „Nija“ veröffentlichen die Schweden mit „Shaman“ nun eine Fünf-Track-EP, die es in sich hat. Wir konnten mit Gitarrist und Sänger Niklas Karlsson über die EP und den bisherigen Werdegang der Band sprechen.

Hi Niklas, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst. Wie geht es dir?
Vielen Dank, mir geht es großartig!

Eure neue EP „Shaman“ ist auf dem Weg und ich muss sagen: ich kann nicht genug davon kriegen. Es gibt so viel Neues zu entdecken, so vieles, was es vorher bei ORBIT CULTURE noch nicht gab. Schüttelst du das einfach so aus dem Ärmel oder braucht es lange, bis ein Song fertig ist?
Danke für die netten Worte. Diesmal war es so, dass sich die Songs quasi von selbst geschrieben haben. Ich hatte dieses Mal einen etwas anderen Ansatz beim Schreiben als bei unserem vorherigen Album „Nija“: wir wollten, dass sich die Songs besser auf das Live-Publikum übertragen lassen, also haben wir nicht so viel nachgedacht und die Songs einfach fertiggestellt, anstatt uns ewig mit bestimmten Fills, Gitarrenmustern usw. aufzuhalten.

Wie kann man sich den Schreibprozess bei ORBIT CULTURE denn grundsätzlich vorstellen? Manche schreiben ganze Alben im Tourbus (was momentan eher schwieriger ist), andere ziehen sich dafür komplett zurück.
Da wir nicht mehr so viel touren können, hat es sich so eingestellt, alles zu Hause zu schreiben und aufzunehmen. Ich fürchte, dass ich das im Tourbus gar nicht könnte, denn beim Touren möchte ich mich zu 100 Prozent auf die Liveshows und die Gespräche mit den Fans konzentrieren, anstatt in den Tourbus zu flüchten, um zu schreiben. Wenn es ums Schreiben geht, muss ich nachts zu Hause ganz allein sein, das ist am sinnvollsten.

Bevor wir uns näher mit „Shaman“ befassen: Vermutlich war „Nija“ und die vorherige Unterschrift bei Seek and Strike ein wahrer Booster für eure Karriere. Wo immer man liest, man findet außergewöhnlich gutes Feedback. Was würdest du sagen, hat sich in eurem Leben verändert seit dem Release des letzten Albums?
Ja, absolut. Wir haben unsere Sachen immer sehr gut gehütet und es fiel uns von Anfang an sehr schwer, jemand anderen an uns heranzulassen. So sehr wir uns auch einen Plattenvertrag wünschten, hatten wir immer mit dem Problem zu kämpfen, dass wir in gewisser Weise paranoid waren, anstatt einen Schritt zurückzutreten und eben keine Angst zu haben, jemanden um Hilfe zu bitten. In den paar Jahren, in denen wir die Jungs von Seek & Strike nun einfach das tun ließen, was sie immer getan haben, bin ich mit unserem Label sehr zufrieden. Durch sie haben wir viel mehr Einsicht darin gewonnen, wie wir uns und unsere Musik promoten können, während sie uns vor den nicht so netten Leuten in dieser Branche beschützt haben.

Im Promozettel der „Shaman“ gibt es ein Statement von dir, in dem du sagst, dass sich manche der Songs auf „Nija“ nicht so gut auf die Bühne übertragen lassen und ihr euch daher mehr auf Live-Spielbarkeit der neuen Songs konzentriert habt. Kannst du das ein wenig konkretisieren? Hoffentlich fallen daunter nicht „Rebirth“ oder „Behold“…
Haha, ich glaube, ich habe mich ein bisschen falsch ausgedrückt, als ich das gesagt habe. Um ehrlich zu sein, haben wir sie nur in unserem Proberaum gespielt, mehr oder weniger, und am Ende haben wir sie so oft gespielt, dass wir ihrer überdrüssig wurden, also wissen wir nicht sicher, wie gut sie in einem Live-Setting funktionieren würden. Das ist der Nachteil, wenn man Sachen schreibt und aufnimmt, ohne sie vorher so viel zu proben. Aber hey, mach dir keine Sorgen wegen „Rebirth“ oder „Behold“. Mit denen ist alles bestens!

„Shaman“ kommt mit einer großen Menge des für euch typischen Grooves, aber mir fällt auch ein deutlich verstärkter Einsatz verschiedener Samples auf. Beispielweise die Drehleier zu Beginn von „A Sailor’s Tale“ und orchestrale Klänge. Zeichnet dafür Fredrik (Bassist, Anm.) verantwortlich, der nebenbei auch gerne Filmmusik komponiert?
Ich wollte, dass der Song wie eine lange Reise ist, sehr inspiriert von den „Fluch der Karibik“-Filmen und „Master Of Puppets“ von Metallica. So sehr ich auch Fredriks cineastische Solostücke mag, das habe ich alleine gemacht, und ich hatte echt Angst, es den Jungs zu zeigen. Ich glaube, die Idee zu diesem Song entstand im Jahr 2018. Ich hatte gerade meine Freundin kennengelernt und sie hatte zwei Akustikgitarren an der Wand hängen. Ich hatte einen Tag frei von meinem regulären Job und als sie zur Arbeit ging, habe ich einfach den ganzen Tag auf ihren Gitarren gespielt und so ist dieser Song entstanden.

Apropos „A Sailor’s Tale“, vor einigen Monaten fragtest du in eurer Facebook-Community rhetorisch, ob sieben Minuten für einen Song zu seien und die Leute sind ausgeflippt. Das Ergebnis ist herausragend, wie kam der Song zustande, insbesondere mit diesen krass ungewöhnlichen Anfang?
Um ehrlich zu sein, hat der Song anfangs sogar acht bis neun Minuten gedauert. Allerdings haben einige der Riffs und Änderungen, die ich schließlich entfernt habe, dem Song nicht so viel gegeben, wie ich gehofft hatte. Ich wollte schon immer Songs wie „Master Of Puppets“ schreiben. Ich bin mir sicher, dass ich dieses Niveau an Riff-Ideen und Songstrukturen nie erreichen werde, aber ich werde es zumindest versuchen, haha.

Werdet ihr den Song live spielen? Das dürfte doch eine ziemliche Herausforderung sein.
Vom Spielen her ist es eigentlich einer der leichteren Songs, sowohl für die Gitarren, als auch den Bass und das Schlagzeug. Bei „Mast Of The World“ von der selben EP mache ich mir etwas mehr Sorgen, haha. Die Zutaten in diesem Song sind spielerisch nicht so schwierig, es ist eher die Ausdauer und das Drumherum, was perfekt sein muss, damit der Song seine Botschaft wirklich vermittelt.

„Carvings“ hat innerhalb einer Woche die 100000er Marke bei Youtube durchbrochen. Würdest du sagen, dass das der ideale Song ist, um ORBIT CULTURE kennenzulernen?
Das ist wirklich cool! Ich denke, wir haben besser geeignete Songs, um die Leute in unsere Musik einzuführen. „Carvings“ war eher dazu gedacht, unseren älteren Fans von damals zu zeigen, dass das Growling und die stampfenden Traktor-Riffs nicht so bald verschwinden werden.

Wenn wir kurz die Augen schließen und uns vorstellen, auf einem netten Festival zu sein, ihr auf der Bühne und das erste Riff von „Strangler“ ertönt – stimmst du zu, dass diese Nummer ein absoluter Fan-Favorit sein wird? Die Leute können wunderbar mitsingen und dann kickt noch der Hetfield-Vibe?
Absolut. Dieser Song wurde einfach nur geschrieben, um die Leute zum Mitsingen zu bringen und eine tolle Zeit im Publikum zu haben. Es ist einer der kürzesten Songs, die wir je geschrieben haben, aber wenn er eingängig ist, und das ist er hoffentlich für die Fans, dann wird er sicherlich einer der energiegeladeneren Songs für das Publikum sein.

Nochmal zum Songwriting: Denkst du schon beim Schreiben an die Growl-Parts und an die klar gesungenen? Oder überlegst du dir erst am Ende, welche Zeile wie gesungen werden könnte?
Normalerweise schreibe ich zuerst den ganzen Song und füge dann meine „falschen“ englischen Wörter hinzu, nur um die Silben und so weiter dahin zu bekommen, wo sie sein müssen. Ich schreibe eher unter der Berücksichtigung, wie es klingt, und das Schreiben von Texten ist für mich nur ein notwendiges Übel, haha. Die Aufteilung der beiden Gesangsstile klappt ziemlich eigenständig. Oft verleiten mich die dunkleren Riffs dazu, dass ich Growls verwende und offene Akkorde mit Leads und so weiter führen meistens dazu, dass ich mehr Klargesang verwende.

Was ist bei ORBIT CULTURE an Tagen los, an denen ein neuer Song oder eine neue Platte veröffentlicht wird? Ich könnte mir vorstellen, dass eine Band dann den ganzen Tag die Sozialen Medien verfolgt um erstes Feedback zu erhalten. Oder man durchforstet Youtube nach ersten Reaction-Videos. Seid ihr an diesen Tagen zusammen, oder ist jeder für sich?
Wenn wir Singles veröffentlichen, ist normalerweise jeder bei sich zu Hause, aber wenn es darum geht, ein ganzes Album oder eine EP zu veröffentlichen, treffen wir uns gerne mit unseren Freunden und unserer Familie und gehen essen. Was die YouTube-Reaktionen angeht, die lieben wir alle und versuchen auch, die meisten von ihnen zu sehen. Der Großteil von ihnen ist äußerst nett und sie geben uns konstruktive Kritik, und das ist immer interessant.

Im Zuge der „Nija“-Promotion gibt es ein nettes Interview mit dir auf einem englischen Youtube-Kanal. Du wirst gefragt, welches deine Lieblings-Songs darauf sind und im Spaß sagtest du „Ich hasse sie alle“. Wahrscheinlich resultiert das daraus, dass du all eure Werke selbst produzierst und mixst und Songs irgendwann nur noch Daten und Dateien sind. Möchtest du all das weiterhin übernehmen oder ist es denkbar, damit jemand anderen zu betrauen? Würde es dir sehr schwer fallen, das ganze Producing in andere Hände zu geben?
Das ist sehr wahr. Es fällt mir sehr schwer, unsere früheren Sachen zu hören, einschließlich „Nija“ und langsam auch schon „Shaman“… Wenn man die Songs beim Schreiben, Aufnehmen, Abmischen, Aufnehmen von Musikvideos und so weiter tausendmal hört, wird man natürlich müde davon und fängt an, alles zu hören, was daran falsch ist. Es gibt so viele großartige Toningenieure da draußen, aber wenn es um das Abmischen geht, werde ich es wohl immer selbst machen, schon allein weil ich ein Kontrollfreak bin. Aber mit einem anderen Produzenten zusammenzuarbeiten, das ist eine andere Sache. Dann kann ich derjenige sein, der hinter dem Pult steht und ihnen die ganze Zeit auf die Nerven geht. Das wäre etwas, das ich in Zukunft sicher tun würde. Damit meine ich dich, Buster Odeholm…

Orbit Culture - ShamanWird es eines Tages eine reine Ballade von ORBIT CULTURE geben? „Behold“ oder „See Through Me“ zeigen ja, dass ihr durchaus das Zeug dazu hättet.
Tatsächlich arbeiten wir schon seit ungefähr einem Jahr an einer cineastischen Ballade, um Richards (Gitarrist, Anm.) verstorbenen Vater zu gedenken. Damit sind wir aber äußerst vorsichtig und wollen es kein Stück überstürzen. Mal schauen, wann dieser Song das Licht der Welt erblicken wird.

Es ist toll mitanzusehen, wie alle Bandmitglieder um den Austausch mit ihren Fans bemüht sind. Beinahe täglich sieht man euch in der Facebook-Gruppe oder auf Discord. Ihr postet auch mal ein fröhliches Bild aus der Kneipe und so weiter. Was bedeuten euch eure Fans, aber insbesondere die Facebook-Gruppe?
Sie bedeuten uns mehr, als wir ihnen jemals sagen könnten. Direkt nach „Nija“, oder vielleicht war es auch ein bisschen davor, wurde diese Gruppe auf Facebook gegründet und wir konnten nicht glauben, wie viele Leute tatsächlich auf die Band stehen. Die Leute machen Tattoos, Autoaufkleber und sind generell unglaublich nett zueinander. Das ist wirklich selten im Internet. Ich glaube, die Leute in dieser Gruppe wissen mehr über die Band als wir selbst. Sie sind super interessiert und ihre Recherchefähigkeiten sind unübertroffen. Die Fangruppen und die Interaktionen sind etwas, das wir sehr schätzen. Sie leisten wirklich wertvolle Arbeit für uns, in dem sie unsere Musik anderen Leuten näher bringen. Und sie schlafen nie.

Das war es Niklas, herzlichen Dank nochmal! Dir gehören die letzten Worte.
Vielen Dank, mein Freund. Es hat mir viel Spaß gemacht, deine Fragen zu beantworten. Die neue EP „Shaman“ wird am 24. September 2021 über Seek & Strike veröffentlicht. Die EP wird auf allen Plattformen erhältlich sein, also stellt sicher, dass ihr sie zu euren Playlists hinzufügt.

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Publiziert am von Andreas Althoff

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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