Konzertbericht: Orbit Culture w/ Defects

18.03.2024 München, Feierwerk (Hansa39)

Es ist kein Geheimnis, dass in der Metal-Szene gerade ein Generationenwechsel stattfindet – und zwar nicht nur mit nachdrängenden Bands, die in die Fußstapfen ihrer Idole treten, sondern mit jungen Musikern, die eigene Wege gehen. ORBIT CULTURE sind hierfür ein gutes Beispiel: Stilistisch interpretieren die Schweden die Melodic-Death-Metal-Kultur ihres Landes um – und spielen kurzerhand einen sehr eigenständigen Mix aus Groove, Death und Thrash Metal. Ihre Musik veröffentlichen ORBIT CULTURE, wie mittlerweile üblich, vornehmlich häppchenweise: Zwar bringt es das Quarttet in zehn Jahren bereits auf vier Alben, imposanter aber noch ist die Zahl von vier EPs und neun Single-Auskopplungen.

Vor allem aber die Herangehensweise an das Thema Shows ist typisch für diese Generation: Spielten sich Bands früher ab der ersten Demo die Finger wund, um berühmt zu werden, erarbeiteten sich ORBIT CULTURE ihre Bekanntheit vornehmlich im Internet. Erst 2014 – nach dem zweiten Album – ging die Band überhaupt auf die Bühne. Doch nach nur einer Handvoll Shows und einer Tour im Vorprogramm von Rivers Of Nihil war die Band bereits so routiniert und etabliert, dass sie nach der Pandemie erst mit Fit For an Autopsy durch die USA und dann mit In Flames durch Europa ziehen konnten.

Nun versuchen sich ORBIT CULTURE am nächsten Schritt: ihrer ersten Headliner-Tour. Und auch dahingehend ist die Band unverkennbar Teil einer neuen Generation – mit einem neuen Anspruch und Perfektionismus. Doch dazu später mehr. Die Rechnung geht jedenfalls auf: Die gebuchten Venues sind allesamt nicht die kleinsten Clubs – und doch ganz offensichtlich bereits zu klein für ORBIT CULTURE. Eine vorab ausverkaufte Show jagt die nächste, und trotz Nieselregen stehen die Fans in München bereits weit vor Einlass im großen Pulk vor dem Feierwerk, um sich in der 400 Fans fassenden Halle einen guten Platz zu sichern.

DEFECTS im März 2024 in München

So können sich bereits DEFECTS als erste und einzige Vorband über eine gesteckt volle Halle freuen – weniger gut besetzt ist hingegen die Bühne: Von insgesamt fünf Musikern sind heute verletzungsbedingt nur drei anwesend. Dass in der Folge ein erheblicher Teil der Musik (darunter leider auch die Leadgitarre) vom Rechner abgespielt wird, ist aus musikalischer Sicht natürlich ein Dämpfer. Durch das enorme Engagement der übriggebliebenen Musiker werden DEFECTS heute aber zum „Power-Trio“: Insbesondere Sänger Tony Maue überzeugt durch vollen Einsatz – sei es auf der Bühne oder mitten im Circlepit. Mit ihrem brachialen Sound, der zwischen Modern Metal, Nu-Metal a lá Slipknot und (insbesondere in den Refrains) US-Metal im Stile von Five Finger Death Punch anzusiedeln ist, treffen die Newcomer bei den im Durchschnitt erwartungsgemäß jungen Konzertbesuchern jedenfalls einen Nerv. Dass das Publikum bereits bei der Vorband jedes Spielchen mitmacht und etwa bereitwillig mit ihren Handys die Halle ausleuchtet, ist keine Selbstverständlichkeit – zumal niemand im Raum mehr als zwei Songs der Band kennt: Das Debüt „Modern Error“ erscheint erst im Mai 2024!

ORBIT CULTURE im März 2024 in München

Schon der Umbau lässt erahnen: ORBIT CULTURE haben in der kleinen Halle Großes vor. Das Drumkit steht auf einem formidablen Drumriser, davor sorgen mehrere LED-Leisten für moderne Illumination und die Nebelmaschine läuft auf Hochtouren. Tatsächlich wirkt dann auch alles, vom atmosphärischen Umbau-Soundtrack über das fast durchchoreografiert wirkende Auftreten der Band bis zur Lightshow so bis ins Detail durchgeplant wie eine Arena-Produktion. Im Hansa39, sonst vornehmlich Austragungsort schweißtreibender Punk- und Hardcore-Shows, wirkt das zugegebenermaßen erst einmal befremdlich – passt aber perfekt zu dieser Band, die wirklich nichts in ihrer Karriere dem Zufall überlässt.

ORBIT CULTURE im März 2024 in München

Nach dem Intro des aktuellen Albums „Descent“ (2023) legen ORBIT CULTURE mit dem Album-Opener „Black Mountain“ los, später folgen noch „Alienated“, „From The Inside“ und – als finaler Song des Abends – „Vultures Of The North“. Dazwischen mischen ORBIT CULTURE gekonnt je drei Songs von „Nija“ (2020) und „Redfog“ (2018) und „Strangler“ von der „Shaman“-EP (2021). Bei druckvollem Sound kommen insbesondere die schnelleren Passagen richtig fett – und sorgen schnell für tropische Temperaturen und einen schweißtreibenden Moshpit, in dem später auch Gitarrist Richard Hansson mitwirkt. Als ein echtes Highlight erweist sich der neueste Track, „While We Serve“, von der Digital-EP „The Forgotten“: Wenn ORBIT CULTURE musikalisch wie in Sachen Performance auf diesem Level weitermachen, steht den Schweden eine große Zukunft bevor.

  1. Black Mountain
  2. Strangler
  3. North Star Of Nija
  4. Nensha
  5. The Shadowing
  6. See Through Me
  7. Redfog
  8. Alienated
  9. From The Inside
  10. Saw
  11. While We Serve
  12. Vultures Of North

ORBIT CULTURE im März 2024 in München

In einigen Belangen orientieren sich ORBIT CULTURE vielleicht einen Tick zu sehr an den ganz Großen des Genres: 40 € für ein Shirt, 60 € für ein VIP-Upgrade (zusätzlich zum Ticketpreis von 30 €) und der Umstand, dass die Band nach dem letzten Ton direkt verschwindet, statt sich noch unter die Fans zu mischen, wirken schon etwas Rockstar-mäßig.

Andererseits liefern ORBIT CULTURE auch eine Show, die einer großen Produktion einer über viele Jahrzehnte etablierten Band nur im Hallenvolumen nachsteht. Schlussendlich wird man die Band wohl schon bald in Hallen sehen, in denen man solche Preise gewohnt ist. Das ist zwar auch irgendwie schade, aber immerhin passt dann alles wieder zusammen – und wenn man ehrlich ist, gehört diese Band auch schnell (als Headliner) auf die großen Bühnen dieser Welt.

ORBIT CULTURE im März 2024 in München

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