Ryoji Shinomoto hat sich bereits mit seiner Band RYUJIN einen Namen als äußerst versierter Gitarrist gemacht. Mit seinem ersten Solowerk, einem Tribute-Album für Alexi Laiho, hat Shinomoto ein weiteres Ausrufezeichen gesetzt – die Coverversionen sind nicht nur technisch herausragend, sondern auch äußerst spannend neu oder genauer gesagt traditionell japanisch angehaucht arrangiert. Im Interview erklärt Shinomoto, wie er auf die Idee zu einem Coveralbum kam, was ihn mit Alexi Laiho verbindet – und ob die Songs in diesen Versionen jemals live zu hören sein werden.
Mit „Children Of Bushido“ hast du ein Coveralbum mit Songs von Children Of Bodom veröffentlicht. Wann wurde die Idee dazu geboren?
Letzten April habe ich aus Spaß angefangen, „Follow The Reaper“ zu spielen. Ich hatte schon immer die Angewohnheit, neben dem Schreiben von eigenem Material auch Songs zu covern, die mein Interesse geweckt haben oder bei denen ich noch etwas Neues lernen konnte. Diesmal entschied ich mich für den RYUJIN-Stil, der traditionelle japanische Instrumente und Tonleitern zu dem verbindet, was ich „Samurai Metal“ nenne. Es hat überraschend gut funktioniert, so dass ich mit „Lake Bodom“ weitergemacht habe, was noch besser funktioniert hat. Irgendwann hat Avalon – das Label, das uns wegen einer japanischen Veröffentlichung von RYUJIN kontaktiert hatte – diese Coverversionen gehört. Obwohl die RYUJIN-Veröffentlichung nicht zustande gekommen ist, boten sie mir stattdessen an, dieses Projekt zu veröffentlichen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich entschloss, ein komplettes Album zu machen. Ein weiterer großer Ansporn war, Warmen zu sehen, wie sie Bodom-Cover live aufführten, mit Petri von Ensiferum an der Gitarre und am Gesang. Wir waren schon einmal zusammen auf Tournee, und ich war ein großer Fan seiner früheren Band Norther, also hat es mich einfach berührt. Ich spürte den kollektiven Geist der Hommage an Alexi – und das hat mich dazu gebracht, meine eigene Hommage zu kreieren, in meinem eigenen Stil.

Als Gitarrist hast du sicher eine besondere Beziehung zu Alexi Laiho. Wie hat das angefangen, wann hast du Children Of Bodom für dich entdeckt und konntest du ihn vielleicht sogar mal persönlich treffen?
Anfangs war ich einfach nur Fan – vor allem in meiner Teenagerzeit. (lacht) Ich habe sie einige Male live gesehen, als sie durch Japan tourten. Später, als meine Band begann, international zu arbeiten, waren wir mit Children Of Bodom auf ihrer Asien-Tournee im Jahr 2015. Wir haben sogar einige Termine in Japan gemeinsam gespielt, und dadurch hatte ich die Chance, ein Interview mit Alexi für ein japanisches Gitarrenmagazin zu machen. Wir sind uns zwar nicht super nahe gekommen, aber wir haben während dieser Tour zusammen in einer Bar abgehangen. Diese Erinnerungen sind etwas, das ich sehr schätze.
Für das Album hast du die Songs nicht nur gespielt, sondern neu arrangiert und mit vielen traditionellen japanischen Instrumenten gearbeitet. Wie bist du an diese Umarbeitung der Songs herangegangen?
Ich wollte das Rhythmus- und Schlagzeugfundament von Grund auf neu aufbauen – nicht einfach die Originale kopieren. Es war fast so, als würde ich neue Songs komponieren, die auf dem Geist der Originale basieren. Bei den Gitarren habe ich, wo immer es mir passend erschien, die Tonleitern verschoben, um mehr japanisches Feeling zu erzeugen. Sobald der Band-Sound feststand, habe ich damit begonnen, traditionelle Instrumente übereinander zu schichten: mehrere Shamisen-Spuren, wo es passte, Flöten, die die Streicher im Hintergrund ersetzen, und bei Bedarf einige symphonische Arrangements im klassischen Stil. Während des gesamten Prozesses habe ich mich ständig gefragt: „Wie kann ich das noch japanischer machen?“

Nach welchen Kriterien hast du die Songs ausgewählt? „Nur“ nach persönlicher Vorliebe, oder auch danach, wie gut diese Art der Umsetzung funktioniert?
Als ich ein Teenager war, noch vor GYZE, hatte ich eine Band namens Suicide Heaven – wir haben als Bodom-Coverband angefangen. Ich erinnerte mich noch an einige der Songs, die wir damals gespielt haben, also habe ich ein paar von ihnen aufgenommen. Außerdem habe ich Songs ausgewählt, die mir persönlich gefallen und bei denen ich das Gefühl hatte, dass ich sie auf einzigartige Weise neu interpretieren könnte. Zudem habe ich mich absichtlich auf neun Titel beschränkt, da die meisten Alben von Children Of Bodom neun Songs enthalten.
Gab es auch einen Song, den du gerne gecovert hättest, der aber nicht so funktioniert hat, wie du es wolltest, sodass du dich dagegen entschieden hast?
Ich habe nicht konkret damit angefangen, aber ja, ich wollte eigentlich „Hate Crew Deathroll“ covern – in meinem Kopf hätte ich den Refrain dann zusammen mit einigen meiner Musikerfreunde gesungen. Es wäre toll gewesen, Petri, Matthew – den Produzenten von RYUJIN – und andere befreundete Musiker einzuladen, um gemeinsam den Refrain zu singen. Aber am Ende habe ich mich entschieden, dass es der beste Weg ist, Alexi zu ehren, wenn ich vom Mixing bis zum Mastering alles selbst mache, um den persönlichen Geist des Projekts zu bewahren.
Die gecoverten Songs stammen alle aus dem Frühwerk von Children Of Bodom, das für dich wahrscheinlich prägend war – was hältst du persönlich von den späteren Alben und dem Material von Bodom After Midnight?
Ganz genau. Als ich an diesen Coverversionen arbeitete, wurde mir noch mehr bewusst, wie natürlich das frühe, klassisch geprägte Bodom-Material passt, besonders für japanische Ohren. Natürlich sind auch die späteren Alben voller großartiger Songs, aber wie du weißt, bleibt die Musik, die man in jungen Jahren hört, für immer bei einem. Deshalb hat vor allem das dritte Album einen besonderen Stellenwert für mich. Ich liebe auch das Material von Bodom After Midnight sehr. Neben dem klassischen Vibe hatte Alexi diese Art, Horrorfilm-ähnliche Melodien zu schreiben, und bei Bodom After Midnight kam das voll zum Tragen. Eine weitere wichtige Motivation: der letzte Track, den Alexi vor seinem Tod veröffentlichte, war ein Dissection-Cover. Die Musik von Children Of Bodom – die Cover, die Texte – war immer stark von Dissection beeinflusst, und obwohl sich Künstler oft von ihren Einflüssen distanzieren, hat Alexi seine angenommen. Das hat auch mich inspiriert: Anstatt zu versuchen, meinen Bodom-Einfluss zu verbergen, beschloss ich, ihn mit diesen Coverversionen ganz offen zu feiern.
Das Album ist eine rein digitale Veröffentlichung – warum? Bist du mit dieser Label-Entscheidung zufrieden, oder hättest du es lieber als physische Veröffentlichung gehabt?
Ehrlich gesagt, das solltest du Napalm Records fragen! (lacht) Das Album wurde in Japan physisch veröffentlicht. Ursprünglich wollte Napalm Records das Album auch weltweit auf CD und Vinyl veröffentlichen, aber aufgrund von engen Zeitplänen wurde dieses Vorhaben verschoben. Sie haben mir gesagt, dass sie immer noch hoffen, später eine physische Veröffentlichung zu machen. Wenn ihr es also wollt – bitte verschafft euren Stimmen Gehör! Vor allem, weil es sich um ein Memorial-Projekt handelt, fände ich es wirklich toll, wenn es eines Tages auf Vinyl erscheinen würde.
Warum hast du dich dazu entschieden, das Album als Soloalbum zu veröffentlichen und nicht als offizielles Album deiner Band RYUJIN?
Gute Frage. Dieses Projekt war sehr persönlich, und ich wollte nicht, dass RYUJIN – eine ernstzunehmende Band mit eigenen Songs – als eine Band gesehen wird, die „nur“ Covers macht. Wir sind schließlich eine echte Band. Davon abgesehen war der kreative Prozess aber nicht viel anders – auch bei RYUJIN übernehme ich normalerweise den Großteil der Produktionsarbeit. Es ist so ähnlich wie bei den Projekten von Wintersun oder Linked Horizon. Außerdem möchte ich unter meinem Solonamen die Freiheit haben, Dinge wie Cover, Instrumentalstücke und andere kreative Experimente auszuprobieren.
Den Presseinformationen zufolge hast du fast alles auf dem Album eingespielt, außer dem Schlagzeug – wer hat das gemacht oder hast du es programmiert?
Das Schlagzeug habe ich auch selbst programmiert. Abgesehen vom Artwork war niemand anderes an der Entstehung dieses Albums beteiligt.
Das Cover greift die COB-Ästhetik mit dem Reaper auf, kombiniert mit dem japanischen Samurai-Stil – aber es sieht etwas seelenlos aus. Ist das ein KI-generiertes Bild?
Nein, ganz und gar nicht. Das Artwork wurde von Machine Room aus Großbritannien entworfen – demselben Designer, der bisher alle Albumcover und Singles von RYUJIN, ehemals GYZE, gestaltet hat. Ihr Stil hat immer perfekt zu unserer Vision gepasst, also war es eine leichte Entscheidung, wieder mit ihnen zu arbeiten.
Werdet ihr einige der Songs mit RYUJIN live spielen?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir sie in RYUJIN-Sets einbauen werden, aber ich habe ein paar Angebote von Festivals erhalten, die nach einem speziellen „Bushido“-Solo-Set gefragt haben. Wenn der Zeitpunkt, das Line-up und andere Bedingungen stimmen, könnte es sein, dass ich eines dieser Angebote annehme.
Zum Schluss noch ein kurzes Update zu RYUJIN – was ist der Stand der Dinge, in welcher Phase befindet ihr euch im Moment?
Im Moment bereiten wir uns auf die Sommerfestivals in Europa vor. Dieses Mal fliege ich alleine von Japan aus, und mein finnisches Team übernimmt den Rest. Diese Konstellation wird wahrscheinlich der Standard für unsere europäischen Aktivitäten werden – vor allem aus Gesundheits- und Kostengründen – und ich finde es persönlich ideal. Außerdem arbeite ich an vielen neuen Songs und stelle langsam die Arrangements fertig. Gegen Ende des Jahres planen wir, die Gespräche mit Napalm Records über das nächste RYUJIN Album aufzunehmen.
Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming – was fällt dir zu folgenden Begriffen als Erstes ein:
Finnland: Sauna
Japan: Anime
Das beste Solo von Alexi Laiho: „Sixpounder“
Platte oder Streaming? Streaming – aber physisch für persönliche oder Erinnerungsstücke
Das komplizierteste Riff von COB: „Trashed, Lost & Strungout“.
Der beste noch lebende Metal-Gitarrist: Ich muss jetzt einfach Alexi Laiho sagen. Seine Energie ist immer noch lebendig! Aber meine ernsthafte Antwort ist Yngwie Malmsteen.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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