Konzertbericht: Avatar w/ Vail Of Maya, Kassogtha

23.03.2023 München, Theaterfabrik

Eigentlich wollten AVATAR direkt nach der Pandemie auf „Going Hunting Tour“ gehen, um das 2020 erschienene Album „Hunter Gatherer“ zu präsentieren. Aus den 2022er-Terminen wurde am Ende nichts, die Shows mussten auf 2023 verschoben werden. Zum Trost bekommen die Fans der Schweden nun neue Musik von zwei bislang nicht live vorgestellten Alben – von „Hunter Gatherer“ und dessen eben erst erschienenem Nachfolger „Dance Devil Dance“. VAIL OF MAYA sind als Support nach wie vor dabei – statt SONIC ASSAULT hingegen KASSOGTHA.

In Johanneskirchen gelegen, also eher „bei“ als „in“ München, zählt die (neue) Theaterfabrik nicht unbedingt zu den am besten erreichbaren Locations der Stadt: Öffentlich fährt alle 20 Minuten die S8, von einer Anreise mit dem PKW raten die Hallenbetreiber aufgrund der Parkplatzsituation ab. So wundert es nicht weiter, dass es an diesem Mittwochabend längst nicht alle Fans die frühe Show vom Opener KASSOGTHA mitbekommen – ist diese doch um 18:30 Uhr bereits vorbei.

Schon um 18:50 Uhr sind dann VEIL OF MAYA an der Reihe. Musikalisch ist das Quartett zwischen Tech-Death, Metalcore und Djent einzuordnen – allerdings mit stark melodischer Schlagseite, die durch den über weite Strecken klaren Gesang von Lukas Magyar betont wird. Ob es am dünnen Sound liegt oder daran, dass dieser Stilmix nicht unbedingt das ist, was Avatar-Fans für gewöhnlich hören, ist schwer zu sagen – die Amerikaner haben heute ein dickes Brett zu bohren. Mit fast 20 Jahren Banderfahrung gelingt es VEIL OF MAYA zwar schlussendlich doch noch, das Publikum in der mittlerweile vollen Halle zu etwas Gemoshe und einem kleinen Circlepit zu motivieren – allerdings wirklich erst mit den beiden letzten Songs ihres 45-Minuten-Sets.

  1. Viscera
  2. Whistleblower
  3. Leeloo
  4. Overthrow
  5. Lisbeth
  6. Punisher
  7. Godhead
  8. Synthwave Vegan
  9. Outsider
  10. Outrun
  11. Mikasa

Spätestens an dieser Stelle sollte das Setting Erwähnung finden, in dem der heutige Konzertabend stattfindet – ist die Theaterfabrik doch mehr Eventlocation als Konzerthalle: Von der Decke hängen Kristalllüster, die weißen Wände sind auf der einen Seite mit Spiegeln, auf der anderen mit Laden-Atrappen verziert und die Bühne, die nur bei Bedarf in die Halle gebaut wird, erinnert an eine Sommerfestbühne. Mit anderen Worten: Wenn in diesem Setting keine Metal-Konzert-Stimmung aufkommt, ist daran nicht unbedingt die Band schuld.

Umso bemerkenswerter ist, was geschieht, als um 21:00 Uhr jene Glocke erklingt, die auch „Dance Devil Dance“ einläutet, und AVATAR-Drummer John Alfredsson den titelgebenden Song startet: Zwar ist das Publikum noch weit davon entfernt, auszurasten – aber an Atmosphäre mangelt es diesem Einstieg sicher nicht. Dass die extravagant gewandete Band um Front-Freak Johannes Eckerström auf gewisse Art und Weise perfekt in diese bizarre Location passt, ist nur ein Baustein im großen Kunststück, das AVATAR hier und heute gelingt. Auch der nun auf einmal perfekte Sound trägt seinen Teil bei, und natürlich die perfekte Inszenierung der Musik durch Kostüme und Stageacting.

Vor allem aber ist es Eckerström zu verdanken, dass das Publikum nun auch schnell auftaut: Als Sohn einer deutschen Mutter macht er alle Ansagen auf Deutsch und begeistert mit Witz („Mein Deutsch ist nicht perfekt, aber besser als euer Schwedisch!“) und Authentizität. So ist der Auftritt nicht nur ein wilder Ritt durch sechs Alben (wobei „Dance Devil Dance“ natürlich im Mittelpunkt steht, „Hunter Gatherer“ aber überraschenderweise nur mit zwei Songs vertreten ist) sondern auch eine hochunterhaltsame Show: Quasi jeden Song leitet Eckerström mit einer Anekdote ein, wenn er etwa Deutschland als das Land der Dichter und Märchenerzähler preist und sich dabei auf die Gebrüder Grimm und Helge Schneider beruft.

Dazwischen covert er am Piano „Nur geträumt“ von Nena, knotet in einer wahren Clowns-Einlage auf der Galerie Luftballon-Tiere oder inhaliert das Helium aus einem Luftballon für eine Ansage mit Schlumpfstimme. Doch Eckerström kann auch ernsthaft: Wie viele Musiker dankt er den Fans gegen Ende der Show für die Unterstützung – doch bei ihm bleibt es nicht bei der abgedroschenen „Ohne euch wären wir nichts“-Floskel. Mit Humor, aber eben von Herzen kommend, verdeutlicht er, wie traurig der Abend ohne die Fans wäre: „Fünf Schweden, allein in einer riesigen Halle – der Große will sich schminken und die anderen sagen: OK“ Und lauter als bisher brandet erneut Jubel auf.

  1. Dance Devil Dance
  2. The Eagle Has Landed
  3. Valley Of Disease
  4. Chimp Mosh Pit
  5. Scream Until You Wake
  6. Bloody Angel
  7. For The Swarm
  8. Puppet Show
  9. When The Snow Lies Red
  10. Do You Feel In Control
  11. Black Waltz
  12. Nur geträumt (Nena-Cover)
  13. Tower (Piano-Version)
  14. Colossus
  15. Let It Burn
  16. A Statue Of The King
  17. The Dirt I’m Buried In
  18. Smells Like A Freakshow
  19. Hail The Apocalypse

So vergehen knapp zwei Stunden wie im Fluge. Ehe man sichs versieht, haben AVATAR nur noch „einen – nein: zwei“ Songs für das Münchner Publikum, sind „Smells Like A Freakshow“ und „Hail The Apocalypse“ gespielt, haben sich die fünf Schweden mit einem Knall in Luft aufgelöst, um kurz darauf zur herzlichen Verabschiedung nochmal auf der Bühne zu erscheinen. Genau so geht Musik-Entertainment!

Dass AVATAR hier und heute vor gut 1.000 Münchner ihr bislang größtes Indoor-Konzert als Headliner gespielt haben, ist kaum zu glauben: So viel der Abend auch von der Intimität in der Theaterfabrik profitiert, sind AVATAR doch eigentlich für die ganz großen Bühnen bestimmt.

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