Konzertbericht: Blind Guardian /w Orphaned Land

25.04.2015 Düsseldorf, Mitsubishi Electric Hall


BLIND GUARDIAN ist mittlerweile eine Band, die weltweit gerne auf den Bühnen gesehen wird. Verantwortlich dafür sind nicht nur zehn teilweise hochkarätige Alben, sondern auch eine enorme Spielfreude bei hohem technischem Können. Und so überrascht es nicht, dass Auftritte in der Heimatregion Rheinland immer wieder für regelrechte Begeisterungsstürme sorgen. So startete die Promotions-Tour zum neuen Album „Beyond The Red Mirror“ in Krefeld, wo vor fast dreißig Jahren alles begann, dennoch füllen die deutschen Vorzeige-Power-Metaller nur kurz später die aufgrund einer Teilbestuhlung auf etwa 6.000 Plätze reduzierte Mitsubishi Electric Hall fast komplett. Und diese sollen ihr Kommen nicht bereuen.

Zunächst aber liegt es an den israelischen Folk Metallern ORPHANED LAND, die zu früher Stunde bereits ordentliche Zuschauermenge auf Betriebstemperatur zu bringen. Im Vorfeld konnte man sich fragen, wo die Schnittpunkte dieser auf den ersten Blick unterschiedlichen Bands liegen. Zwar ist man hinterher nicht viel schlauer, denn die sehr von orientalischen Melodien geprägten Songs der Band klingen schon deutlich anders als das Material des Headliners. Trotzdem entpuppt sich die Wahl des Openers als eine gute, denn das Quintett um den charismatischen Frontmann Kobi präsentiert sich in ausgesprochener Spiellaune. Schlagzeuger Matan lässt die Sticks in jeder noch so kurzen Pause gekonnt durch die Finger wirbeln, trifft dennoch jeden Schlag wie im Schlaf und hat noch Zeit, immer wieder aufzuspringen und an den Animationen des Publikums teilzunehmen.

Konzert 2015 Orphaned Land

Die Saitenfraktion hat im etwa 45-minütigen Set einige Schwerstarbeit zu verrichten, denn so einfach, wie die Musik auf Platte manchmal klingt, ist sie nun wirklich nicht zu spielen. Kompliziert-progressive Läufe beeindrucken vor allem die Musiker unter den Zuschauern, Grund zur Klage gibt es aber nicht: Die Nummern sitzen und so springt der Funken rasch über. Daran hat selbstverständlich auch Kobi einen großen Anteil. Zwar hält er sich mit Ansagen (vermutlich ob der begrenzten Spielzeit) insgesamt zurück, dennoch sind die Fans bereit, dem in einem esoterischen Predigeranzug agierenden Fronter aus der Hand zu fressen. Nur einmal unterbrechen ORPHANED LAND ihren Auftritt kurz, um Kobi die Möglichkeit zu geben, die Herzensangelegenheit mitzuteilen: Frieden im heiligen Land und den umgrenzenden Gebieten, wofür sich die Band ohne Verweis auf Politik oder Religion einsetzt. Die Musik soll für sich sprechen und das tut sie an diesem Abend auch, wobei zu befürchten ist, dass die Message nicht bei den Entscheidungsträgern ankommt, die für die missliche Lage im Nahen Osten verantwortlich sind.

Nach der Dreiviertelstunde ist Schluss, ORPHANED LAND legen einen symphatischen Auftritt hin und präsentieren sich als Band, die man durchaus mögen kann. Die Reaktion des Publikums ist ein entsprechend warmer Applaus, so dass Band wie Fans auf einen guten Auftakt des Abends zurückblicken können.

Beyond The Red Mirror Cover

Ein paar Songs vom Band, längere Schlangen an den Bierständen und relaxter Umbau auf der Bühne, doch dann erlischt plötzlich das Licht und die ersten Klänge des Intros zur neuen Platte „Beyond The Red Mirror“ erschallen. Mit seinen über neun Minuten Spielzeit ist „The Ninth Wave“ auf den ersten Blick natürlich kein folgerichtiger Opener, aber trotzdem funktioniert die Nummer von Anfang an. Das Publikum zeigt sich textsicher wie bei den älteren Klassikern und so wird BLIND GUARDIAN der Einstieg mehr als leicht gemacht. Das sieht auch die Band so, Fronter Hansi wird nicht müde, immer wieder zu erwähnen, wie „megageil“ er die Resonanz findet. Das nimmt man ihm ab, mittlerweile könnte er mit seinem adretten Haarschnitt und den schicken Klamotten auch bestens ein Seminar in Sozialpädagogik an der Universität leiten.

Oder er fungiert einfach weiter als Sänger der möglicherweise besten Metalband aus deutschen Landen. Dies tut er nämlich nicht nur an diesem Abend höchst erfolgreich. Gleich mit dem zweiten Song steigt man in eine Reihe älterer Hits ein, von welchen „Nightfall“ die größte Aufmerksamkeit zu teil wird. Tausend Kehlen singen mit, mindestens ebenso viele Fäuste werden gereckt und die Anzahl der durch die Luft gepeitschten Haare lässt sich beim besten Willen nicht ermitteln. Nur so viel: Die Stimmung ist von Anfang an großartig und steigert sich in ihrer Intensität in ausgewählten Momenten noch weiter.

Besonders viel Energie transportiert dabei „Prophecies“ vom neuen Album, dort steht es etwas im Schatten der epischen Eröffnung und dem fast radio-tauglichen „Twilight Of The Gods“, doch die Livedarbietung schlägt die CD-Version noch einmal um Längen. Kurz darauf wird es für zwei Songs etwas besinnlicher, die Band versammelt sich vor dem riesigen Drumset, um in Lagerfeuerrunde „Miracle Machine“ und „Lord Of The Rings“ zu zelebrieren. Stimmungsvoll, keine Frage, doch danach braucht es wieder mehr Power und die wird mit der vielleicht einzigen Schwachstelle im Set geboten: Natürlich ist „And Then There Was Silence“ ein epischer Track par excellence, aber die Viertelstunde, die der Song nun einmal braucht, wird aller Interaktion zwischen Publikum und Band doch ziemlich lang. Eventuell wären zwei oder drei kürzere Lieder nicht verkehrt gewesen, zumal hier Platz für weitere Klassiker gewesen wäre.

Konzert 2015 Tourflyer

Sei es drum, die meisten haben auch hier ihren Spaß und lassen sich kurz darauf auch nicht einschüchtern, als Hansi bereits nach elf Songs das Ende des Konzerts ankündigt. Allerdings dauert es auch nicht lange und es sind nicht viele „Zugabe“-Forderungen notwendig, um die Krefelder wieder auf die Bühne zu holen. Erneut ist es an der Zeit für Klassiker, „Into The Storm“ und natürlich „Valhalla“ werden lautstark abgefeiert, in diesen Rahmen passt „Twilight Of The Gods“ mit dem eingängigen Mitsing-Refrain ganz hervorragend. Erneut verabschieden sich BLIND GUARDIAN und erneut werden sie durch die nach wie vor kochende Halle reaktiviert.

„Ohne Bard´s Song geh´n wir nicht nach haus´“ teilt das Publikum der Band mit und nach „Wheel Of Time“ wird diesem Wunsch statt gegeben. Hansi muss eigentlich nicht einen Ton singen, es schallt ihm auch so von einem gigantischen Chor entgegen. Klarer Fall, hier schwebt noch mal ein stimmungsvoller Gänsehautmoment, aber irgendwie wäre es ein nicht in den Rahmen passender Abschluss. Denken sich auch BLIND GUARDIAN und legen mit „Mirror, Mirror“ noch einmal richtig los, bevor außer der Reihe (sozusagen „played by crowds request“) auch noch „Majesty“ auf die Menge losgelassen wird.

    1. The Ninth Wave
    2. Banish From Sanctuary
    3. Nightfall
    4. Fly
    5. Tanelorn (Into The Void)
    6. Prophecies
    7. Lost In The Twilight Hall
    8. Acoustic
    9. Miracle Machine
    10. Lord Of The Rings
    11. And Then There Was Silence
    12. And The Story Ends

    1. War Of Wrath
    2. Into The Storm
    3. Twilight Of The Gods
    4. Valhalla

  1. Wheel Of Time
  2. The Bard’s Song – In The Forest
  3. Mirror Mirror
  4. Majesty

Dann ist aber wirklich Feierabend, knapp zweieinhalb Stunden bieten BLIND GUARDIAN beste Unterhaltung, hohe spieltechnische Sicherheit und einen prima Sound. Lediglich der Bass hätte etwas lauter sein können, aber dies ist bei der Band seit jeher ein leiser Kritikpunkt. Gemeinsam mit dem Opener, der seine Rolle als Anheizer zur vollsten Zufriedenheit erfüllt, bereitet die Band den tausenden Fans aller Altersstufen eine erstklassige Unterhaltung.

BLIND GUARDIAN machen in den kommenden Tagen noch in folgenden Städten halt:

30.04.2015, Leipzig, Haus Auensee
01.05.2015, Stuttgart, Liederhalle Beethoven Saal
02.05.2015, Hamburg, O2 World

Publiziert am von Jan Müller

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert