Festivalbericht: Brutal Assault Open Air 2013 (Tag 3)

07.08.2013 - 10.08.2013 Josefov

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Ein Festival wird erwachsen: Zum mittlerweile 18. Mal fand in diesem Jahr das BRUTAL ASSAULT im Tschechischen Josefóv statt. Und wie schon in den Jahren zuvor, waren wir auch 2013 für euch im Hinterland der Tschechischen Republik, um für euch von dem sympathischen Festival mit dem Jahr für Jahr großartigen Lineup zu berichten.

Was bisher geschah…

 

Freitag, 09.08.13

Nachdem wir uns aufgrund des regnerischen Wetters gegen das Vormittagsprogramm aus ANTROPOFAGUS, ATTACK OF RAGE, KATALEPSY, MINORITY SOUND sowie den bayerischen Death Metallern OBSCURA entschieden hatten, beginnt der Konzerttag für uns mit GLORIOR BELLI aus Frankreich.
Wusste die Band auf ihrem aktuellen Album, „The Great Southern Darkness“ mit Southern-Rock-Einflüssen zu überzeugen, erinnert beim heutigen Auftritt ausser den Koteletten von Sänger J. wenig an diese Redneck-Attitüde. Statt dessen gibt es vergleichsweise gewöhnlichen Black Metal mit Rockversatz – nicht schlecht, aber auch keine Offenbarung. Unterhaltsam macht den Auftritt bei leichtem Nieselregen hauptsächlich die Entertainerqualität von J.. Dass er zum finalen „Meet Us At The Southern Sign“ mitsamt Gitarren in den Pressegraben springt und die Fans in der ersten Reihe auf seiner Gitarre mitspielen lässt, passt da gut ins Bild – wirklich spektakulär macht das den Auftritt jedoch auch nicht.
(MG)

Bereits früh an diesem zweiten Festivaltag präsentiert sich eine der führenden einheimischen Death-Metal-Bands: HYPNOS liefern eine Show unter frequentem Einsatz der Pyrotechnik. Ob dieses ein kluges Arrangement ist, mag man anfangs bezweifeln – der „Startschuss“ in Form von Feuerwerksraketen jedenfalls verfehlt am hellen, frühnachmittäglichen Himmel doch eher deutlich seine Wirkung. Eine angemessene Stimmung stellt sich dennoch bald ein, v.a. dank der tadellosen Performance der Band. Einer angetanen Menge wird flotter Death-Metal geliefert – am Ende hat man einen durchaus positiven Eindruck von der Gruppe gewonnen.
(FI)

HateNach MISANTHROPE, PRO-PAIN und LOUDBEAST stehen mit HATE so etwas wie Lokalmatadore auf der Bühne – zumindest, wenn man weiß, dass das Brutal Assault stark von Polen frequentiert wird. Entsprechend voll ist es dann auch trotz der vergleichsweise frühen Uhrzeit vor der Bühne. Musikalisch ist die Nähe zu Behemoth und Vader nicht zu leugnen, entsprechend kann die Band, die unlängst erst durch den plötzlichen Tod ihres Bassisten Mortifer in die Schlagzeilen gekommen war, auch nicht eben mit Individualität punkten. In Kombination mit der dargebotenen Feuerspucker-Show der Saiteninstrumentalisten jedoch allemal ein unterhaltsamer Auftritt.
(MG)

ORPHANED LAND dagegen hat wenig später mit widrigen Bedingungen zu kämpfen: Gerade als die Prog-Metaller aufgelaufen sind, sorgt heftiger Platzregen für eine Flucht großer Teile des Publikums Richtung Zeltplatz bzw. in den Schutz der höhlenartigen Festungsbar seitlich der Bühnen. Im dazugehörigen Gewitter samt Blitzeinschlägen in unmittelbarer Nähe bleibt nur noch ein harter Kern der Fans vor der Metalshop-Stage stehen. Die Band aus Israel indes lässt sich nicht beirren und präsentiert den hiergebliebenen ein abwechslungsreiches Set samt einigen Auszügen vom aktuellen Machwerk „All is One“. Als Höhepunkt schließlich gibt es mit „Ocean Land“ und „Norra el Norra“ zwei Hymnen vom – durchaus feine Ironie – die biblische Sintflut thematisierenden Konzeptalbum „Mabool“. Letzerer Song verbreitet mit seiner Eignung zum Mitklatschen und -hüpfen bei wieder nachlassendem Regen eine Stimmung, die auf einem mit „Brutal Assault“ betitelten Festival wohl nicht gerade typischerweise vermutet würde. Doch verstehen es Kobi Farhi und Co., mit solchen Aktionen sowie durch indivuelle Kunstfertigkeit am Mikro bzw. Instrument zu begeistern und so den im wahrsten Sinne des Wortes beinahe verhagelten Gig würdig zu beschließen.
(FI)

Extremer wird es nun ohnehin wieder bei den Alt-Deathern MALEVOLENT CREATION. Im inzwischen nur mehr leichten Regen lassen sie den Worten von Fronter Brett Hoffmann („You wanna hear some Death Metal?“ – [lautes Antwortgebrüll] – „Then we’re gonna fuckin‘ deliver!“) Taten folgen und ballern unbarmherzig ein Hochgeschwindigkeitsbrett nach dem anderen über den Platz. Sehr gefällt dabei, wie schnörkellos seitens der Band vorgegangen wird: Technisch souverän, aber gleichzeitig ohne jegliche Allüren gibt sie Songs mit Refrains wie „You will die – i will kill you“ zum Besten. Dementsprechend kommen auch erst gar keine Erwartungen an musikalische Innovation, phantasievolle oder gar ausgefallene Songtexte und ähnlich überflüssigen Firlefanz auf. Davon aber, in Sachen erstklassigen, erdigen Death Metals einwandfrei bedient worden zu sein, dürften die US-Amerikaner am Ende auch noch den letzte Zuschauer überzeugt haben.
(FI)

Etwas sanfter geht es nun mit den Franzosen von ALCEST weiter. Zurückhaltend, ja, fast schüchtern, wie man es von ihm nicht anders gewohnt ist, führt Sänger Neige durch das sehr stimmig zusammengestellte Set, in dem neben den Hits vom aktuellen Album „Les Voyages De L’âme“ auch der über Tage unbezwingbare Ohrwurm „Percées De Lumière“ vom Vorgängerwerk seinen Platz findet. Einzig, dass der Bass über weite Strecken etwas zu laut abgemischt ist und eine Gitarre von Zeit zu Zeit nicht perfekt gestimmt klingt, bietet Angriffsfläche für Kritik – ansonsten gibt es es hier hinsichtlich der Leistung der Band wenig zu meckern. Warum die Franzosen jedoch bereits so früh auf die Bretter müssen, erschließt sich mir nicht – wären ALCEST (wie auch Primordial) doch eigentlich prädestiniert für stimmungsvolle Mitternachtsshows.
(MG)

Nach den Gothic-Rockern von FIELDS OF THE NEPHILIM werden nun die unangefochtenen Meister der rhythmischen Doppelbödigkeit auf der Metalshop-Stage erwartet: MESHUGGAH bekleidet den ersten der beiden, heute rein schwedisch besetzten Headlinerslots. Und derweil es während des Openers „Swarm“ noch kurze Zeit in Anspruch nimmt, die Soundeinstellungen anzupassen, hat man bald darauf das Publikum in der Hand. Drückend, treibend und in höchster musikalischer Vollendung wird mit den Nackenmuskeln ebenso wie mit den grauen Zellen der Zuhörer kurzer Prozess gemacht; spätestens ab dem flotten „Combustion“ vom vorletzten Album „ObZen“ gibt es kein Halten mehr. Eigentümlicher Effekt ist dabei auch der unvermittelte Beginn eines jeden Songs mitten aus dem Redefluss der Ansage von Fronter Jens heraus. Über dieses irre Timing hinaus stellt die Band, allen voran Drummer Thomas Haake, bei immer perfekterem Sound einmal mehr unter Beweis, dass sie eine Klasse für sich ist. Zu spektakulärer Lasershow und Vokoder-verzerrtem Spoken-Word-Intro wird schließlich das finale „The Last Vigil“ eingeleitet. Ein würdiger Abschluss für eine denkwürdige Show.
(FI)

Setlist Meshuggah:
01. Swarm
02. Combustion
03. obZen
04. Do Not Look Down
05. Demiurge
06. Bleed
07. New Millennium Cyanide Christ

08. Mind’s Mirrors
09. In Death – Is Life / In Death – Is Death
10. The Last Vigil

Festival

Nach diesem rundum perfekten Auftritt könnte man ebenso guten Gewissens den Weg zum Zelt antreten – besser kann es am heutigen Tage eigentlich nicht mehr werden. Dennoch ist das natürlich keine reale Option, steht mit IN FLAMES doch nun ein Headliner auf dem Programm, der Jugenderinnerungen wach werden lässt. Bevor die Band jedoch dann auch in real auf der Bühne steht, dauert es dank Verzögerungen beim Soundcheck noch etwas, so dass der straffe Zeitplan etwas durcheinanderkommt. Als die Band schließlich doch noch die Bretter betritt und mit dem Titeltrack ihres aktuelle Albums „Sounds Of A Playground Fading“ eröffnet, ist das jedoch rasch vergessen. Sänger Fridén wirkt gut aufgelegt, lässt sich zu Plauderein hinreißen und nimmt einem im Pressegraben stehenden Photographen die Kamera ab um damit von der Bühne Photos zu machen. Dass Fridén sich anschließend nicht nehmen lässt, nahezu einen kompletten Song mit dem eigenen Smartphone mitzufilmen, ist wohl symptomatisch für die Zeit, in der wir leben – als wäre nicht schon schlimm genug, dass im Publikum ständig die Smartphones gen Himmel gereckt werden…

Trotz großen Engagements seitens der Band fallen die Reaktionen des Publikums eher verhalten aus. Und auch, wenn die Band versucht, das gekonnt zu überspielen, merkt man Fridén seine Verwunderung an Ansagen wie „You’re really quiet for an metal-audience“ doch merklich an. An der Setlist kann die schwache Resonanz jedenfalls kaum liegen – finden hier doch neben den insgesamt fünf Songs vom aktuellen Output auch diverse ältere Stücke ihren Weg in die Setlist. Deren Krönung in Sachen Exklusivität stellt dabei ohne Frage „The Hive“ vom 1997er-Album „Whoracle“ dar. Mit „Take This Life“ endet der Auftritt fulminant – ob IN FLAMES das Brutal Assault jedoch in bester Erinnerung behalten werden, darf zumindest angezweifelt werden.
(MG)

Setlist IN FLAMES:
01. Sounds Of A Playground Fading
02. Where The Dead Ships Dwell
03. Pinball Map
04. Trigger
05. Cloud Connected
06. The Hive
07. Ropes
08. Fear Is The Weakness
09. The Quiet Place
10. All for Me
11. The Mirror’s Truth
12. System
13. Deliver Us
14. Take This Life

Wer nach diesen beiden Live-Erlebnissen noch nicht genug hat, kann im Aschluss bei AMORPHIS noch einen drauf setzen: Immer noch 15 Minuten hinter dem Zeitplan liefern die Finnen genau die souveräne Show ab, die man von ihnen kennt. Zwar ist Fronter Tomi Joutsen heute nicht ganz so tonsicher, wie man das von dem Ausnahmesänger gewohnt ist, ansonsten gibt es jedoch wenig zu bemängeln: AMORPHIS spielen sich quer durch ihre Diskographie und haben mit Songs wie „Into Hiding“ auch Fans der alten Werke etwas zu bieten. Dass das aktuelle Album „Circle“ nur mit drei Songs im Set vertreten ist, macht dabei wenig … sind die Songs, wie schon beim Hören der Platte vermutet, doch auch live eher durchschnittlich. Nach dem Band-Hit „House Of Sleep“ aus dem Jahre 2006 ist dann Schluss. Vielleicht nicht das Konzert des Jahres, jedoch wie immer sehenswert und unterhaltsam.
(MG)

Setlist AMORPHIS:
01. Shades Of Gray
02. Narrow Path
03. Sampo
04. Silver Bride
05. Into Hiding
06. On Rich And Poor
07. Nightbird’s Song
08. Hopeless Days
09. House Of Sleep

Während auf der Jägermeister-Stage CARCASS die Bühne betreten, geht es für mich auf der Indoor-Bühne weiter: In einer Festungs-Baracke untergebracht, bietet die Obscure-Stage auch in diesem Jahr einige reizvolle Underground- oder Special-Gigs wie den Akustik-Auftritt von NOVEMBERS DOOM. In fast schon familiärer Atmosphäre bietet die Band hier Frühwerke wie „Serenity Forgotten“ aus dem Jahre 1999 und Akustik-Versionen neuerer Songs wie „They Were Left To Die“, „Autumn Reflection“ oder „Of Age And Origin – Pt.2: A Day Of Joy“ zum Besten – aufgelockert durch die sympathischen Ansagen von Fronter Paul Kuhr, der sich auch nicht zu schade ist, mitten in einem Song grinsend zuzugeben, dass er den Faden verloren hat. Beim Publikum kommt all das mehr als nur gut an, so dass sich der Stagemanager schließlich genötigt sieht, den Amerikanern noch Zeit für eine Zugabe einzuräumen, so dass man auch noch in den Genuss von „For Every Leaf That Falls“ von der gleichnamigen EP aus dem Jahre 1997 kommt. Ein Gänsehautmoment!
(MG)

Noch einmal in eine extreme Richtung des Death Metal geht es mit den alten britischen Meistern von CARCASS. Dass aber auch hier immer Raum für Humor ist, zeigt Fronter Jeff Walker: Nie um einen Spruch zur Verspätung im Zeitplan („Just as always – the Swedes use up too much time and Carcass always gets fucked in the ass!“) oder zur eigenen Zungenfertigkeit ([sagt hintereinander „Danke“ in zehn Sprachen]: „I’m a cunning linguist – just ask the ladies!“) verlegen, sorgt er für Stimmung. Gut dazu passt die Musik: Haufenweise Brecher aus den 80ern und 90ern versetzen die Menge in Feierlaune, spätestens ab dem Klassiker „Surgical Jigsore Quandary“ sind Moshpits und die Party drumherum in vollem Gange. Trotzdem mag so mancher den ebenfalls von Arch Enemy bekannten langjährigen, doch mittlerweile abgewanderten Gitarristen Michael Amott vermissen. Doch auch das vierköpfige aktuelle Line-Up meistert die Anforderungen der Bühne mit Bravour, sodass hier kein echter Verlust entsteht. Als die Briten die Zuhörer schließlich in die Nacht entlassen, blickt man ringsum in zufriedene Gesichter.
(FI)

Carcass

Für alle, die nach dem Carcass-Auftritt immer noch nicht bedient sind, bieten nun OVERKILL als letzte Band auf der Metalshop-Stage die Gelegenheit, den Deal mit der Nackenmuskulatur über einen formidablen Muskelkater in trockene Tücher zu bringen. Ansonsten ist hier leider wenig in trockenen Tüchern, beginnt es doch pünktlich zum Beginn der Show erneut stark zu Regnen und Gewittern. Während Front-Sympath Bobby „Blitz“ Ellsworth von der Gewitter-Kulisse hellauf begeistert ist, lässt sich auch das Publikum den Spaß nicht verderben und bleibt vor der Bühne stehen, auf der OVERKILL ein wahres Thrash-Feuerwerk abfeuern: Egal, ob „Electric Rattlesnake“ vom aktuellen Output „The Electric Age“, „Ironbound“ vom Vorgänger oder der Klassiker „In Union We Stand“ aus dem Jahre 1987 („Taking Over“) – hier bleibt kein Haupthaar ungeschüttelt. Mit dem The-Subhumans-Cover „Fuck You“ beenden die Amerikander schließlich ihr Set – nicht, ohne die Verschiebung im Zeitplan durch das Überziehen ihres Sets nochmals auszuweiten.
(MG)

Setlist OVERKILL:
01. Come And Get It
02. Rotten To The Core
03. Wrecking Crew
04. Bring Me The Night
05. Electric Rattlesnake
06. Hello From The Gutter
07. Ironbound
08. Elimination
09. In Union We Stand
10. Fuck You (The-Subhumans-Cover)

Mit den düsteren Klängen von CULT OF LUNA klingt der zweite volle der drei Festival-Tage stimmig aus, der, trotz des eher durchwachsenen Wetters, doch diverse Konzerthighlights zu bieten hatte.

Weiter zu Tag 4 …

Fotos mit freundlicher Genehmigung von: Jull Lucas und Andreas Papelitzky

Publiziert am von und Felix Indra (Gastredakteur)

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