Konzertbericht: Deathstars w/ Priest, Liv Sin

25.11.2023 München, Strom

Als sich 2019 andeutete, dass die DEATHSTARS ein neues Album veröffentlichen würden, dürfte die Freude der Fans so groß gewesen sein wie die Überraschung – schließlich waren die Industrial-Dark Rocker seit 2014 mehr oder minder von der Bildfläche verschwunden. Anstelle des großen Comebacks kam dann allerdings die große Pandemie: „Everything Destroys You“ erschien in der Folge statt 2020 erst drei Jahre später, die Headliner-Tour wurden viermal (!) verschoben, dann abgesagt und schließlich für Herbst 2023 neu bestätigt. Nun ist es endlich soweit: Annähernd zehn Jahre nach ihrer letzten Europatour sind die Schweden wieder „on the road“ – in Begleitung ihrer Landsmänner und -frauen von PRIEST und LIV SIN.

Immerhin: Die Fans sind der Band treu geblieben. Die Show im Münchner Strom ist bereits vorab restlos ausverkauft, und schon lange vor dem Einlass stehen Fans im Schneeregen Schlange. Wer sich davon einen Platz in der ersten Reihe erhofft, wird allerdings enttäuscht: Diese haben sich bereits jene Fans gesichert, die für 100€ ein VIP-Ticket zugebucht haben.

LIV SIN im November 2023 in MünchenUm 19:30 Uhr ist das Strom dann auch wirklich bereits zum Bersten voll – trotzdem dauert es etwas, bis sich das Publikum mit LIV SIN anfreundet. Die Truppe um Fronterin Liv Jagrell passt mit ihrem Heavy-Rock aber auch nicht so richtig in das ansonsten eher düstere Billing des Abends. Dagegen arbeiten die vier Musiker, vor allem aber Rock-Röhre Liv mit starkem Einsatz engagiert an – und spätestens, als Liv für einen Song ins Publikum kommt, hat die Band ihren Applaus sicher. Ein perfekter Match ist die Band im Billing dieser Tour allerdings nicht – dass LIV SIN nur 30 Minuten Spielzeit bekommen haben, bedauert wohl niemand so richtig.

PRIEST im November 2023 in MünchenDeutlich besser passen die Synth-Popper PRIEST zum Headliner – eigentlich. Trotdem muss sich auch das Trio aus Stockholm seinen Applaus heute hart erarbeiten: Dass es sich bei Sänger Mercury um den ehemaltigen Ghost-Bassisten Water und bei Keyboarder Salt um den ehemaligen Ghost-Musiker Air handelt, bringt PRIEST zumindest hier und heute keine Vorschusslorbeeren ein. Ob es den Deathstars-Fans nicht bewusst oder einfach egal ist, dass hier durchaus gefeierte Rockstars auf der kleinen Strom-Bühne stehen, lässt sich nicht ausmachen. So etwas wie Stimmung kommt aber augenscheinlich erst auf, nachdem sich das Publikum einige Songs lang mit dem Sound der Schweden vertraut gemacht hat.

PRIEST im November 2023 in MünchenDoch selbst dann bleibt die Begeisterung für die an sich starke Performance von PRIEST eher verhalten: Dass Salt auf dem abgegriffenen, weißen, noch mit „Airghoul“ beschrifteten Roland AX-Synth bereits von ganzen Arenen gefeiert wurde, ist fast surreal – hier und heute hält sich der Jubel für seine Keytar-Soli doch eher in Grenzen. Und auch die Reaktionen auf Mercurys Versuche, mit dem Publikum in Verbindung zu treten, werden mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Während sich einige Fans bereitwillig auf den Kopf fassen lassen, weichen andere fast angewidert zurück. Zwar funktioniert auch hier ein Gang ins Publikum gewissermaßen als Eisbrecher – als Karrierehighlight werden PRIEST ihre heutigen 45 Minuten Stagetime aber wohl nicht erinnern.

  1. The Pit
  2. Neuromancer
  3. A Signal In The Noise
  4. Blacklisted
  5. The Cross
  6. Obey
  7. Nightcrawler
  8. Burning Love
  9. History in Black
  10. Vaudeville

DEATHSTARS im November 2023 in MünchenEtwa um 21:30 Uhr kommen dann – endlich, möchte man sagen – die Herren, auf die hier alle gewartet haben: die DEATHSTARS. Wer die Band (nur?) noch von den Promofotos des aktuellen oder gar vorangegangener Alben in Erinnerung hat, könnte allerdings kurz verunsichert sein. Insbesondere, dass Andreas „Whiplasher Bernadotte“ Bergh mit Hut statt Offiziersmütze eher an Pete Doherty als an Marilyn Manson erinnert, kommt überraschend – steht ihm wie auch der Band bei näherer Betrachtung aber gut zu Gesicht. Auch sonst haben die DEATHSTARS sich von einem allzu pedantisch gepflegten Gruftie-Chic freigemacht. Die Heterogenität im Look der Band wirkt nicht nur authentischer als jede Kostümierung, sondern auch spannender anzuschauen: Während Gitarrist Emil Nödtveidt, wie Whiplasher, optisch vergleichsweise unauffällig bleibt, ziehen Skinny Kangur und der unlängst zur Band zurückgekehrte Gitarrist Cat Casino im betont femininen Look die große Show ab. Und zwischen den Fronten sitzt, trommelt und posiert Marcus Johansson, der mit seinem Corpsepaint gleichermaßen als Black-Metaller-Drummer oder Fotomodel arbeiten könnte.

DEATHSTARS im November 2023 in MünchenZugegeben, insbesondere Whiplashers Look böte eine perfekte Steilvorlage, um sich über einen im Karriereknick aus der Form geratenen Rockstar auszulassen. Nur gibt es dazu nicht den geringsten Grund: Was die DEATHSTARS heute in Sachen Performance abliefern, ist über jeden Zweifel erhaben. Über ein wahres Brett von Sound schmettert Whiplasher souverän die Lyrics alter wie neuer Hits. Und davon gibt es im Set, das mit „Night Electric Night“ schon stark beginnt, reichlich. Zugleich gibt er sich so authentisch wie nie zuvor: Das fast schon hysterische Kreischen eines weiblichen Fans lässt ihn fast hilfesuchend zu Cat blicken, ehe er dem Mädchen kurzerhand seinen Hut aufsetzt. So vergehen 75 Minuten wie im Flug – und schon ist auch die Klassiker-Zugabe, bestehend aus „Blitzkrieg“ und „Cyanide“ gespielt: Begeistert bejubelt gruppieren sich die DEAHSTARS noch für ein Foto vor den Fans, dann ist eine rundum gelungene Dark-Rock-Show vorbei.

  1. Night Electric Night
  2. Between Volumes and Voids
  3. All the Devil’s Toys
  4. Ghost Reviver
  5. Midnight Party
  6. Tongues
  7. Death Dies Hard
  8. This Is
  9. New Dead Nation
  10. Fire Galore
  11. Metal
  12. Everything Destroys You
  13. Blood Stains Blondes
  14. Chertograd
  15. Blitzkrieg
  16. Cyanide

Nach dem rundum gelungenen Comeback-Album kann man den DEATHSTARS nun also auch attestieren: Live-Combeack geglückt! Dass LIV SIN heute nicht wirklich passen und auch PRIEST nicht so ganz zünden, ist für die Bands schade – für die Fans, die heute eindeutig quasi ausnahmslos für die DEATHSTARS gekommen sind, bleiben mit deren mitreißenden Performance hingegen keine Wünsche offen.

DEATHSTARS im November 2023 in München
DEATHSTARS im November 2023 in München

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