Konzertbericht: Murderdolls w/ Marionette

18.01.2011 München, Backstage Halle

Es gibt Bands, bei denen man eigentlich nicht mehr damit gerechnet hätte, sie noch einmal live zu sehen – die MUDERDOLLS gehörten für mich lange Jahre in diese Kategorie, waren die beiden Köpfe hinter der Band, Wednesday13 und Joey Jordison, doch anderweitig so eingespannt, dass eine Wiederbelebung der zur Ruhe legten MURDERDOLLS nicht all zu wahrscheinlich zu sein schien. Mit „Women and Children Last“, welches 2010 das Licht der Welt erblickte, konnten die Amerikander diese Befürchtung bereits ansatzweise zerstreuen, war eine Tour zum Album doch vorherzusehen.
Nun ist es also soweit und die MURDERDOLLS sitzen wieder im Tourbus. Nachdem sie, nach eigenen Angaben nicht ganz ohne den Hintergedanken der „Tourverpflegung“, als erstes Amsterdam angesteuert hatten, steht nun mit München der erste Gig der Tour auf deutschem Boden an.

Nachdem sich beim Einlass um 19:00 erst eine relativ beschauliche Besucherzahl im Backstage eingefunden hat, füllt sich die Halle bis zur Vorband, die pünktlich um 20:00 die Bühne betritt, doch kräftig, so dass sich die Schweden MARIONETTE über Publikumsmangel wirklich nicht beschweren können.
Die Schweden, die mit Robin Jensen einen Ersatzmann hinter den Kesseln sitzen lassen, wissen dies zu würdigen und geben von Anfang an Vollgas. Und auch, wenn die eher peinliche Maskarade von Sänger Axel Widén zunächst schlimmes vermuten lässt, wissen MARIONETTE doch recht schnell zu überzeugen. Sicherlich, die Mischung aus Visal Kay und Metalcore ist vielleicht nicht jedermanns Sache, insgesamt gesehen muss man jedoch anerkennen, dass MARIONETTE ihre Hausaufgaben gemacht haben: Musikalisch relativ abwechslungsreich wissen die Göteborger vor allem durch ihre Spielfreude zu überzeugen und sorgen so, wenn auch nicht für einen wilden Moshpit, so doch immerhin für wohlwollenden Applaus der Fans.
Viel Zeit, langweilig zu werden, bleibt MARIONETTE jedoch auch garnicht, wurde ihnen doch lediglich eine knappe halbe Stunde Spielzeit zugewiesen. So wirklich schade findet das wohl niemand, ist das Publikum doch wohl ausschließlich für die MURDERDOLLS gekommen – um das Publikum in Konzertlaune zu bringen, sind die Schweden aber sicher keine schlechte Wahl.

Nach kurzem Umbau- und längerer Rockstar-Pause ist es um 21.00 Zeit für die Mörderpuppen, die ihren Auftritt mit „World According To Revenge“ und „Chapel Of Blood“ dem Anfang ihres aktuellen Albums entsprechend beginnen. Und schon hier zeigt sich der Vorteil von Touren, die klar auf einen Headliner ausgelegt sind: Das Publikum besteht zu 100% aus Fans der Band, so dass diese quasi Heimspielatmosphäre genießen kann. Gerade die vornehmlich weiblich besetzten ersten Reihen singen so ziemlich jede Zeile mit, und auch der Rest der Halle erfüllt Frontmann Wednesday13 jeden Wunsch, sei es nun Mitklatschen, Mitsingen oder das Zeigen der Devilhornes. Bei relativ gutem Sound (bisweilen könnten die Gitarren einen Tick lauter sein, aber gut…) rockt sich die Truppe so durch ein Set, das eine Ausgewogene Mischung alter wie neuer Songs enthält: Ob nun die Hits des neuen Albums, wie das fast schon skatepunkige „Summertime Suicide“, Klassiker wie „197666“, die man schon vom MURDERDOLLS-Vorgängerprojekt Frankenstein Drag Queens From Planet 13 kennt oder der Wednesday13-Song „Bad Things“, der sich auch noch in die Setlist gemogelt hat – Verschnaufpausen gibt es hier fast keine. Wie schon bei Stone Sour –>wird auch hier die familiäre Beziehung der Bands aus dem Slipknot-Umfeld deutlich, als Wednesday13 „Welcome To The Strange“ dem verstorbenen Slipknot-Bassisten Paul Gray widmet – eine schöne Geste, die vom Publikum anerkennend gewürdigt wird.Auch sonst sind die Reaktion der Zuhörerschaft, ganz wie die Songs, gleichbleibend gut: Die MURDERDOLLS hauen einen drei-Akkord-Punk-Riff nach dem anderen raus, das Publikum feiert ihn ein ums andere begeistert ab. Doch wo bei anderen Bands bei so geringer Variabilität im Songmaterial irgendwann Monotonie Einzug hält, machen die MURDERDOLLS dies durch ihre Spielfreude doppelt wett… da verzeit man Wednesday13 sogar, dass seine Stimme bisweilen eher gegrölt als gesungen klingt.
Auch optisch ist einiges Geboten – und das nicht nur (oder vielleicht sogar: nicht so sehr?) für die weiblichen Fans von Joey Jordison, zeigt dieser seinen bekanntermaßen guten Musikgeschmack doch mehr als deutlich auch am Outfit: Statt der dezenten, androgynen Horror-Punk-Schminke, wie man sie von den frühren MURDERDOLLS oder Wednesday13 kennt, präsentiert sich der Ausnahme-Schlagzeuger an der Gitarre mit Corpsepaint, auf das so mancher Black Metaller stolz wäre, Inverted-Cross-Anhänger und Watainshirt von Kopf bis Fuß auf Black Metal getrimmt. Der Stimmung tut das keinen Abbruch, und so feiert das gesteckt volle Backstage seine Helden bis zur letzten Minute – die erst nach beachtlichen 90 Minuten Show anbricht: ach einem ersten Zugabeblock verabschieden sich die DOLLS ein zweites Mal, um nach einem herrlich unterhaltsamen Intro, indem über das Wort „Fuck“ philosophiert wird, zum finalen „I Love To Say Fuck!“ ein letztes Mal richtig Gas zu geben. Und auch, wenn ich auch den Enthusiasmus der teils in Tränen aufgelösten weiblichen Fanschar nicht ganz teilen kann, muss ich doch anerkennend festhalten, dass der heutige Auftritt der MURDERDOLLS kaum hätte besser laufen können.

Bei aller Begeisterung für den Konzertabend – ein Wermutstropfen bleibt: Denn auch, wenn 90 Minuten Spielzeit wirklich keinen Anlass zu Kritik bieten, sind die Preise, die hier verlangt werden, schlichtweg unverschämt. 24€ (+ Gebühren) im Vorverkauf, kostet das Abendkassenticket schon stolze 30€ – für eine einzige Band mit unbekanntem Support nicht eben wenig. Doch damit nicht genug, geht die Preistreiberei am Merchandise-Stand doch erst so richtig los: Mit weiteren 30€ ist man mit einem Band-Shirt dabei, ebenfalls 30€ müssen für eine Mütze (!!!) und stolze 50€ für einen Hoodie über den Tisch gehen. Sicherlich, in einer Zeit, in der der Live/Merchanidse-Sektor den Haupteinnahmequell im Musikbusiness ausmachen, wird hier natürlich geschröpft, was es zu schröpfen gibt (und offensichtlich gibt es mehr als genug, wenn man sich anschaut, wie viele Leute trotz dieser Preise zuschlagen) – doch irgendwo sollte auch eine Grenze erreicht und eingehalten werden. Kein Shirt der Welt ist 30€ wert, und die Hingabe der eigenen Fans derart auszunutzen ist schlicht und ergreifend ungehörig. Der Band kann hier wohl kaum ein Vorwurf gemacht werden, ist derartiges doch zumeist Sache des Labels – dieses jedoch sollte sich an dieser Stelle gehörig an die Nase fassen und sich fragen, ob das wirklich der richtige Weg ist, die Krise im Music-Business zu bekämpfen – hätten sich doch sicherlich einige Fans mehr (mir inclusive) ein Shirt gekauft, hätte dieses faire 15 bis maximal 20€ gekostet.

Setlist MURDERDOLLS:
— World According To Revenge (Intro)
01. Chapel Of Blood
02. Death Valley Superstars
03. Homicide Drive
04. Slit My Wrist
05. Twist My Sister
06. She Was A teenage Zombie
07. My Dark Place Alone
08. Drug Me To Hell
09. Summertime Suicide
10. Die My Bride
11. People Hate Me
12. Blood Stained Valentine
13. Pieces Of You
14. Bad Things
15. Nowhere
16. Welcome To The Strange
17. 197666
18. Motherfucker I Don’t Care

19. Dawn Of The Dead
20. I Take Drugs
21. Dead In Hollywood
—22. I Love To Say Fuck

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Fotos von: Moritz Grütz

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