Konzertbericht: Napalm Death w/ Misery Index, Full Of Hell, The Body

10.07.2019 München, Backstage (Halle)


Große Tourpackages sind gerade im Metal-Bereich keine Seltenheit. Der Vorteil: Freunde einer bestimmten Musikrichtung können an einem Abend möglichst viel mitnehmen. Der Nachteil: Oft stellt sich bei einer gewissen Gleichförmigkeit auch Ermüdung ein. Als zum bereits stattlichen Line-Up der aktuellen NAPALM-DEATH-Tour neben den Headlinern, Full Of Hell und The Body auch noch Misery Index als Special Guest bestätigt wurden, herrschte demnach sowohl Freude als auch Zweifel vor. Erstere überwiegt allerdings, als pünktlich um 19 Uhr in einer noch recht überschaubar gefüllten Backstage Halle zum ersten Mal das Licht erlischt.


Das Duo THE BODY steigt mit lautem Drone in den Abend ein, bevor die beiden Musiker in groovige Schlagzeugrhythmen, eine bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Gitarre und elektronisches Brummen wechseln. Das manische, hohe Kreischen von Sänger und Gitarrist Chip King verleiht dem ansonsten mächtigen Sludge-Sound der Band einen ganz eigenen Charakter. Das Publikum ist von der ersten Sekunde an mit dabei und lässt zwischen den Songs immer wieder lauten Jubel ertönen. Auf minimalste Aussagen beschränkt ein wirklich gelungener Einstieg in einen langen Abend.


Nach einer knappen Umbaupause ist die Bühne in rotes Licht getaucht und mit einem Spoken-Word-Interlude beginnt das Set von FULL OF HELL. Als der rasende Grindcore der Truppe einsetzt, zeigt sich leider, dasss die Band mit dem schlimmsten Sound des Abends bestraft ist. Während das hohe Kreischen von Sänger Dylan Walker gut zu hören ist, sind die tiefen Growls kaum wahrzunehmen. Während die Band musikalisch großartig ist (auch wenn man heute leider wenig davon hört) kommt ein weiteres Problem hinzu: Leider zerstören die elektronischen Drone-Unterbrechungen bei beinahe tropischen Temperaturen jeden Flow, was auch für die durchweg sympathischen Ansagen gilt. Leider ein gebrauchtes Konzert.


Daran anschließend ist die Backstage Halle beinahe bis auf den letzten Platz gefüllt, kein Wunder, tritt mit MISERY INDEX doch ein mehr als namhafter Special Guest auf. Dass die Band heute nur zu dritt ist, fällt dabei kaum ins Gewicht: Präzise wie ein Rasiermesser hämmern die brutalen, dabei immer auch melodischen Riffs aus den Boxen, wie ein Uhrwerk bearbeiten MISERY INDEX ihre Instrumente. Noch erstaunlicher als diese Leistung ist der Sound: kristallklar und perfekt abgemischt. Was genau ist hier denn los gewesen? Mit knapp 45 Minuten Spielzeit und einigen Moshpits sowie lautem Jubel legt die Band die Messlatte für den heutigen Headliner extrem hoch.


Wie genau soll man nach einer derart straighten, mitreißenden Performance bei einem schon erschöpften, aus allen Poren schwitzenden und müden Publikum punkten? Wenn man NAPALM DEATH heißt, scheint das absolut kein Problem zu sein. Was die vier Jungs aus Birmingham an diesem Abend abliefern, kann als Blaupause für eine intelligente, unterhaltsame Show durchgehen. Mit extrem schlauen politischen Ansagen, in denen sich Sänger Mark „Barney“ Greenway für mehr Menschlichkeit einsetzt, werden die Musik sowie die Texte noch besser nachvollziehbarer. Wie sollte man im Angesicht des aktuellen Stands der Gesellschaft anders reagieren, als mit der Musik von NAPALM DEATH?

Gut 75 Minuten powern sich Band und Publikum vollends aus. Alte Klassiker treffen auf neue Songs, „You Suffer“ spielt die Band sogar zwei Mal (einmal auch in doppelter Länge) und der Jubel mag kaum aufhören. Die Aussage, dass „reasonably soon“ ein neues Album der Grindcore-Legenden erscheinen wird, die eigentlich schon lange über dieses Genre hinausgewachsen sind, lässt auf eine baldige Fortsetzung des Abends hoffen – der schlüssig ohne Zugabe endet.

Ein randvoll gepackter Abend mit großartiger, wenn auch fordender Musik findet somit sein Ende. Was genau dem Mischer bei Full Of Hell passiert ist, wird ein Rätsel bleiben – ansonsten mit nahezu perfektem Sound und guter Laune ist diese Tour von NAPALM DEATH ein Rundum-Sorglos-Paket.

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