Konzertbericht: Napalm Death w/ Master, Primitive Man, Wormrot

19.02.2024 München, Backstage (Werk)

Kreativ sind NAPALM DEATH mit ihren Tour-Namen zugegebenermaßen nicht – aber warum auch, „Campaign For Musical Destruction“ trifft es schließlich ein ums andere Mal sehr gut. Auch in ihrer 2024er Version hat die Kampagne nichts an musikalischer Zerstörungskraft eingebüßt – und das, obwohl die Thrasher WEHRMACHT alias BIERMÄCHT kurzfristig abgesprungen sind. An deren Stelle übernehmen ab der heutigen Show MASTER den Slot vor dem Headliner, bis PIG DESTROYER wie geplant für die letzten sechs Termine zum Tourtross stoßen. Weiterhin dabei und nicht minder destruktiv: PRIMITIVE MAN und WORMROT.

WORMROT im Februar 2023 in MünchenMit WORMROT startet der Abend um 19:00 Uhr direkt fulminant: Das Duo aus Signapur hat sich einem wilden Mix aus Grindcore, Death und Thrash Metal verschrieben, der dafür, dass instrumental nur eine Gitarre und Schlagzeug agieren, beachtlich fett klingt. Als Sänger haben sich die beiden Musiker 2022 Gabbo Dubko an Bord geholt. Zwar lässt der gebürtige Argentinier, der als Bassist und Sänger der unterdessen aufgelösten Implore bekannt wurde, durch seine zurückhaltende Bühnenpräsenz etwas zu deutlich erkennen, dass er hier nur Gast ist – musikalisch aber bereichert er den eh schon rohen Sound sehr passend um brutale Screams. Für zarte Trommelfelle ist das alles in allem nichts – aber das gilt schließlich für den ganzen Abend. Insofern liefern WORMROT in den ihnen gegebenen 30 Minuten nicht nur eine alles in allem starke Performance ab, sondern stimmen die Fans im zwar abgehängten, aber dafür gut gefüllten Backstage Werk perfekt auf den restlichen Abend ein.

PRIMITIVE MAN im Februar 2023 in MünchenAus dem Reigen der schnellen Bands brechen PRIMITIVE MAN aus. Wie der Name schon erahnen lässt, gehen die Amis den Weg der stumpfen Gewalt – weniger brutal klingt ihr Death-Doom deswegen noch lange nicht: Primitive, stur wiederholte Riffs treffen auf auch nicht eben facettenreiches Growling und Begeisterung für Feedback-Sounds. Wirklich kreativ mutet das alles bei PRIMITIVE MAN nicht an: Im Vergleich mit dieser musikalischen Steinzeit-Keule gehen selbst die Bonner Genrekollegen Valborg noch feinsinnig zu Werke. Insbesondere „Lärm mit Feedbacks machen“ ist im Jahr 2024 wahrlich kein bahnbrechender künstlerischer Ansatz mehr – und das Resultat meistens eben einfach nur Lärm. Trotzdem kann man dem Trio aus Denver nicht absprechen: Auf fast meditative Art und Weise „funktioniert“ ihre Show: Am Ende ihres 40-Minuten-Sets bekommen PRIMITIVE MAN sogar Zugabe-Rufe zu hören.

MASTER im Februar 2023 in MünchenMit MASTER haben die Tourveranstalter einen absolut würdigen Ersatz für den Haupt-Support-Slot organisiert – insbesondere für die Kürze der Zeit. Allerdings kann man MASTER-Mind Paul Speckmann und seine zwei Mitstreiter vermutlich auch mitten in der Nacht aus dem heimischen Bett auf eine Bühne holen und bekommt eine zumindest ordentliche Show geboten. Auch bei ihrem heutigen Tour-Debüt legt das Trio einen stimmigen Mix aus Routine und Improvisation an den Tag: Während die Band mehrfach über die zu spielenden Songs berät oder abklärt, ob noch Zeit übrig ist, findet sich im Set kein einziger Song des eben erst erschienenen Albums „Saints Dispelled“ – und auch die zwei vorangegangenen Werke werden nur mit je einem Stück angespielt. Dafür haben MASTER gleich sechs Nummern aus den Anfangstagen der Band im Programm – genauer von „Master“ (1990) und „On The Seventh Day God Created… Master“ (1991). Einen großen Unterschied macht das freilich nicht – schließlich zählen MASTER definitiv nicht zu den Bands, deren Fans sich mit Stilwechseln herumschlagen mussten. So ist dann auch von der ersten Minute an klar, was bis zur letzten geboten ist – dass MASTER am Ende nur 40 Minuten spielen, ist trotzdem schade. Denn wenn schon der Sound nicht perfekt ist und Alex „93“ Nejezchlebas Soli viel zu laut aus den Boxen gnideln, findet der Auftritt der grundsympathischen Truppe großen Anklang.

MASTER im Februar 2023 in München

  1. Master
  2. Subdue The Politician
  3. Pledge Of Allegiance
  4. Judgement Of Will
  5. Submerged In Sin
  6. Terrorizer
  7. Vindictive Miscreant
  8. Re-Entry And Destruction (Death-Strike-Cover)
  9. Pay To Die

NAPALM DEATH im Februar 2023 in MünchenNoch lauter, noch schneller und kein bisschen abwechslungsreicher geht es um 21:45 Uhr mit NAPALM DEATH weiter: Wer die Briten kennt, weiß sowieso, was hier zu erwarten ist – wer sie nicht kennt, weiß es nach einem Song. Das macht aber überhaupt nichts, denn gesegnet mit einem nun absolut ausgewogenen, wenn auch brüllend lauten Sound liefern NAPALM DEATH den perfekten Soundtrack, um sich den Kopf freizuschütteln oder sich im wilden Moshpit ganz zu verlieren. Auf der Bühne zieht unterdessen Fronter Barney unermüdlich seine Kreise – auf zwei gesunden Beinen und ohne Zwischenfall. Wir erinnern uns: An selber Stelle hatte sich der Brite auf der letzten Tour den rechten Knöchel gebrochen und die restlichen Shows im Sitzen absolbiert.

NAPALM DEATH im Februar 2023 in MünchenKontraste zum brutalen Songmaterial setzen auch heute seine herzensguten Ansagen, mit denen er die Abwesenheit von Bassist Shane Embury erklärt („He is not dead. He just needs some time, as all of us do, from time to time“) oder mit deutlichen Worten den gesellschaftlichen Rechtsruck kritisiert („Hate is no longterm solution“, aber auch: „AfD fick dich!“). Musikalisch darf an dieser Stelle natürlich das Dead-Kennedys-Cover „Nazi Punks Fuck Off“ nicht fehlen, das NAPALM DEATH ebenso souverän vortragen wie die übrigen 22 Songs ihres Sets. Dass Shane nicht mit von der Partie ist, ist im Übrigen nur zu sehen, nicht aber zu hören: Mit Adam Clarkson haben sich NAPALM DEATH einen vergleichsweise unbekannten, aber topfitten Bassisten ins Team geholt. Nach „Instinct Of Survival“ und „Contemptuous“ ist dann Schluss – ohne Zugaben zwar, nach 75 Minuten schweißtreibender Performance ist das aber auch vollkommen in Ordnung.

NAPALM DEATH im Februar 2023 in München

  1. From Enslavement To Obliteration
  2. Taste The Poison
  3. Next On The List
  4. Continuing War On Stupidity
  5. Contagion
  6. The Wolf I Feed
  7. Resentment Always Simmers
  8. That Curse Of Being In Thrall
  9. Amoral
  10. It’s A M.A.N.S. World!
  11. Backlash Just Because
  12. Fuck The Factoid
  13. Suffer The Children
  14. When All Is Said And Done
  15. Scum
  16. M.A.D.
  17. Success?
  18. You Suffer
  19. Metaphorically Screw You
  20. Dead
  21. Nazi Punks Fuck Off (Dead-Kennedys-Cover)
  22. Instinct Of Survival
  23. Contemptuous

Neben NAPALM DEATH, die sich einmal mehr als Konstante des Genres erwiesen haben, gehen vor allem WORMROT als Gewinner des Abends hervor: Obwohl schon seit 2007 aktiv, wirkt es, als ginge die Karriere dieser Band jetzt erst so richtig los. Von PRIMITIVE MAN gibt es eine eigenwillige, von MASTER – wie nicht anders erwartet – eine grundsolide Show zu sehen. Nach diesem Abend dürften so manchem Fan nicht nur die Ohren klingeln, sondern vom wilden Moshen auch Knochen oder Nackenmuskeln schmerzen. Mit anderen Worten: Die „Campaign For Musical Destruction Tour 2024“ ist als voller Erfolg zu werten.

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