Konzertbericht: Polaris w/ Alpha Wolf, Great American Ghost & Stepson

06.10.2022 München, Backstage (Werk)

Polaris: Europa-Tour

Drei Anläufe hat es benötigt, bis POLARIS endlich ihre erste ausgedehnte Headliner-Tour durch Europa antreten durften. Und fast drei Jahre ist auch schon ihr zweites Album „The Death Of Me“ alt, das die Australier nun endlich auch in den hiesigen Gefilden live präsentieren können. Mit im Gepäck haben sie ihre Landsmänner von STEPSON und ALPHA WOLF sowie die amerikanischen Kollegen von GREAT AMERICAN GHOST. Insgesamt also ein Metalcore-Line-Up, das für diesen Donnerstagabend im Münchner Backstage auf der einen Seite viel Melodie, auf der anderen Seite auch schiere Brutalität verspricht.

Stepson live in München II
STEPSON live im Backstage München 2022

Den Start macht die Melodic-Hardcore-Truppe STEPSON, die erstmals auf unserer Seite der Welt zugegen ist. Bereits im letzten Jahr hätte das Quintett Teil des POLARIS-Konvois sein sollen. Umso schöner ist es für Fans und Band, dass sie auch in diesem Jahr die Möglichkeit dazu erhalten. Um Punkt 19:30 Uhr betreten STEPSON die Bühne und wer sich vorab etwas in die Truppe eingehört hat, muss erstaunt feststellen: Das, was die Jungs live abliefern, ist deutlich härter als auf Platte! So kommt es flott zum ersten kleinen Pit im Publikum und auch weniger mit der Band vertraute Personen werden zum rhythmischen Kopfnicken animiert. Gänzlich überzeugend ist der Auftritt der Australier allerdings nicht. Der Sound ist etwas verwaschen und Frontmann Brock Conrys Geschrei wirkt insgesamt sehr monoton. Da macht Gitarrist und Back-Up-Sänger Nickolas Farr seine Sache klar besser – was Screams und Klargesang angeht.

  1. Learning To Let Go
  2. Come With Me
  3. This Is How It Feels
  4. Leak
  5. The Entire History Of You
  6. Deeper Sleep
  7. Eraser
Great American Ghost live in München
GREAT AMERICAN GHOST live im Backstage München 2022

Nach dem nicht ganz runden Auftritt von STEPSON folgen die schon deutlich erfahreneren GREAT AMERICAN GHOST, die dieses Jahr sogar schon das zweite Mal in Europa auf Tour sind. Und von den ersten Tönen an wird der Härtegrad ordentlich nach oben geschraubt. Dass sie mit ihrem rohen Sound, der die Linie zwischen Hardcore und Metalcore verschwimmen lässt, am heutigen Abend allerdings fast schon wie Exoten vom Publikum aufgenommen werden, ist dann doch etwas überraschend. So steht das nun zwar dichter gefüllte Publikum beinahe starr da. Der Energie auf der Bühne schadet dies hingegen kaum: Die Gitarristen Niko Gasparrini und Grayson Stewart (u.a. auch bei Norma Jean) headbangen um die Wette und Frontmann Ethan Harrison wirkt, als könnte er jeder Zeit von der Bühne kommen und den vorderen Reihen den Kopf abbeißen. Ersteres tut er gegen Ende des Sets tatsächlich und sorgt so doch noch für eine Wall Of Death und einen anschließenden Pit. Auch die Setlist lässt kaum Wünsche offen. So wird die hervorragende „Torture World“-EP in ganzer Länge präsentiert und mit Brechern wie „Ann Arbor (Be Safe)“ und „Altar Of Snakes“ ergänzt.

  1. Kingmaker
  2. Womb
  3. Death Forgives No One
  4. Scorched Earth
  5. Torture World
  6. Altar Of Snakes
  7. Ann Arbor (Be Safe)
Alpha Wolf live in München
ALPHA WOLF live im Backstage München 2022

Obwohl ALPHA WOLF musikalisch in dieselbe Kerbe wie GREAT AMERICAN GHOST schlagen, wirkt das Publikum mit den Australiern schon deutlich vertrauter. Und so muss Frontmann Lochie Keogh gar nicht erst um Action bitten – der Platz vor der Bühne wird von Beginn an von selbst zu einer sich bewegenden Masse. Äußerst aktiv zeigt sich auch die Band selbst: Gitarrist Sabian Lynch, wie auch schon vor der Pandemie mit Maske als Accessoire, nutzt die gesamte Fläche der Werk-Bühne für sich. Sänger Keogh zeigt sich genauso energisch und baut auch eine aus dem Publikum auf die Bühne gegebene Ken-Puppe in seine Performance ein. Die Setlist wird von Tracks der aktuellen Platte „A Quiet Place To Die“ dominiert, ältere Fans dürfen allerdings auch an „Sub-Zero“ und „Russian Roulette“ ihre Freude haben. Während das Publikum im Moshpit sichtlich Spaß hat, ist für die anwesenden Hardcore-Kids heute jedoch wenig zu holen. Denn auch auf Aufforderung des Frontmanns, Platz für Two-Step zu machen, bleibt alles dicht gedrängt und bei wilder Schubserei. Schmälern tut das den Auftritt der Jungs insgesamt nicht, zeigt jedoch eindrucksvoll auf, dass die Zielgruppe ALPHA WOLFs schon lange über die Hardcore-Szene hinausgewachsen ist.

  1. Ultra-Violet Violence
  2. Creep
  3. Russian Roulette
  4. Acid Romance
  5. Sub-Zero
  6. Rot In Pieces
  7. Bleed 4 You
  8. 60cm Of Steel
  9. Akudama
Polaris live in München
POLARIS live im Backstage München 2022

Um 22:15 Uhr wird es im bei weitem nicht ausverkauften Werk dann doch ziemlich eng vor der Bühne: POLARIS stehen in den Startlöchern. Mit „Pray For Rain“ hat die Band nicht nur einen klasse Opener für ihr aktuelles Album geschrieben. Der Track eignet sich auch perfekt dazu, um ihre Show zu eröffnen. Nach sanftem Einstieg, bei dem sich das Publikum schon äußerst textsicher zeigt, dröhnt die erste Riff-Salve aus den Boxen und die Fans fallen im Pit umgehend übereinander her. Technisch brillant und äußerst abgeklärt spielt sich das Quintett in den folgenden 60 Minuten durch „The Death Of Me“, von dem einzig „The Descent“ es nicht in die Setlist geschafft hat. Während Frontmann Jamie Hails die Meute mit seinen Screams stets nach vorne peitscht, genießt auch Lead-Gitarrist Ryan Siew das Spotlight sichtlich. So spielt er sich mit seinen eingängigen Soli, beispielsweise bei den Pit-Granaten „Consume“ und „Landmine“, in den Vordergrund. Auch gesangstechnisch hat sich die Band entwickelt: So wird der Klargesang nicht mehr nur von Bassist Jake Steinhauser übernommen, sondern Hails steuert selbst einige Parts dazu bei. Weshalb POLARIS die Shooting-Stars der Szene sind, ist an Tracks wie „All Of This Is Fleeting“ oder „Lucid” leicht zu erkennen: Wunderschöne (und keineswegs kitschige) Ohrwurmmelodien treffen auf knallharte Breakdowns und technisch anspruchsvolles Riffing. Ob Circle-Pits, Wall Of Deaths oder gemeinsames Mitgrölen – Stillstand herrscht während des Auftritts dadurch zu keiner Sekunde. Nach zwölf Songs und exakt 60 Minuten ist es mit dem wilden Treiben allerdings auch schon vorbei. Schade, denn mit „The Descent“ hätte man auch gleich das aktuelle Album vervollständigen können und auch für ältere Hits wie „Regress“ oder „Crooked Path“ hätten Band und Fans mit Sicherheit noch Kraft gehabt. Insgesamt ist dies allerdings nur ein kleiner Wermutstropfen bei einem hervorragenden Headliner.

  1. Pray For Rain
  2. Vagabond
  3. Creatures Of Habit
  4. Consume
  5. Hypermania
  6. Above My Head
  7. Landmine
  8. All Of This Is Fleeting
  9. Masochist
  10. Lucid
  11. Martyr (Waves)
  12. The Remedy

POLARIS haben an diesem Abend bewiesen, weshalb sie nach gerade einmal zwei Full-Lengths und zwei EPs (und einer Pandemie, die mit dem Release von „The Death Of Me“ begann) schon eine Headliner-Show im größten Saal des Backstages spielen dürfen. Die Australier treffen wie kaum eine andere Band den Nerv der Zeit und kombinieren Progressive Metal und Metalcore zu einer explosiven Mischung, die erst recht live niemanden kalt lassen dürfte. Mit drei weiteren aufstrebenden Bands im Schlepptau, lässt sich auf einen äußerst gelungenen Abend zurückblicken, dessen Highlight jedoch ohne Frage die Headliner selbst sind.

Publiziert am von Silas Dietrich

Fotos von: Patrick Schaewel

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