Konzertbericht: Refused w/ Speedway, Safi

12.10.2025 München, Muffathalle

„Refused Are Fucking Dead“ hieß es schon auf „The Shape Of Punk To Come: A Chimerical Bombination In 12 Bursts“, jenem Genreschubladen-­schreddernden Album, das 1998 den Hardcore grundlegend verändert hat – und auf dessen Release dann ja auch tatsächlich die (erste) Auflösung der Band folgte. Seitdem sind 27 Jahre vergangen, in denen sich die Band zweimal wieder zusammengerauft hat – mal kürzer (2012), mal für längere Zeit (seit 2014) – um nun, 2025, abermals an ihr Ende gekommen zu sein. Nur diesmal eben wirklich: Wortreich begründet und zur Abwechslung mal nicht im Streit tritt die schwedische Hardcore-Legende ab, um Platz für Neues zu schaffen. Dazu zählt wohl auch eine neue Band in gleicher Besetzung, was dem Glauben an die Endgültigkeit des Abschieds natürlich in etwa so zuträglich ist wie eine Auferstehung am Karfreitag – oder eigentlich sogar schon am Donnerstag.

Denn noch sind REFUSED ja nicht weg, ganz im Gegenteil: Amerika, Europa, Südamerika, Australien kommen nochmal in den Genuss ihrer „Refused Are F*ing Dead (And This Time They Really Mean It)“ betitelten Abschiedstour, ehe die Band zu Weihnachten dorthin zurückkehrt, wo dereinst ihre Krippe stand, und sich mit drei Shows im nordschwedischen Umeå endgültig verabschiedet. Auf den zunächst veröffentlichten Tour-Plakaten noch nicht einmal aufgeführt, darf sich München einigermaßen überraschend über die letzte Deutschland-Show freuen: Begleitet von SAFI und SPEEDWAY, mit denen REFUSED das eine oder andere verbindet.

SAFI in München im Oktober 2025Zunächst ist da SAFI, ein Trio um Frontfrau Sandra Fink, die REFUSED-Fans bereits auf deren Tour 2015 nur wenige Meter vom heutigen Spielort entfernt, ebenfalls auf dem Muffatwerk-Gelände, im nur einen Bruchteil so großen Ampere als Vorband erleben durften. Mittlerweile haben SAFI drei Alben, deren neuestes, „Groteske“ betitelt, auch die Basis der heutigen Show bildet. Schnell kristallisiert sich heraus, dass der Albumtitel nicht das einzige Groteske ist – auch die Paarung von SAFI mit REFUSED ist eigentümlich. Mit ihrem auf Deutsch und mit auf die Dauer (von nur 30 Minuten) ziemlich anstrengender Stimme besungenen Alternative-Rock verfehlt das Trio das Münchner Publikum komplett: Die mit gewollt avantgardistischem Noise angereicherten Stücke sorgen vornehmlich für ratlose Blicke, der Applaus reicht kaum, um die Gitarre durchzustimmen, ohne peinliche Stille aufkommen zu lassen. Man mag der Formation die Ambitionen nicht absprechen – für diesen Stil bedarf es aber der richtigen Nische, und die ist zumindest heute definitiv nicht im Mauerwerk der Muffathalle zu finden.

SPEEDWAY in München im Oktober 2025Ganz anders verhält es sich mit SPEEDWAY, einer so jungen wie alt klingenden Hardcore-Band aus Schweden. Die wecken im zu guten Teilen mit REFUSED in die Jahre gekommenen Publikum – und sogar bei REFUSED selbst, wie sich später zeigen soll – nochmal Jugenderinnerungen: Zu Two-Step-Rhythmen, wie sie Veteranen des Genres wie SICK OF IT ALL nicht besser hätten schreiben können, kommt schnell Bewegung ins Publikum, ein CRO-MAGS-Cover trägt seinen Teil bei. Dass die Band mit „A Life’s Refrain“ in diesem Jahr erst ihr Debüt-Album veröffentlicht hat, ist bei diesem Zeitreise-Sound kaum zu glauben. Richtig gut wird die Show aber erst durch die Performance, genauer die Begeisterung und Hingabe, mit der die Newcomer gemeinsam mit dem Publikum den Oldschool-Hardcore feiern. Dazu gehört auch, dass SPEEDWAY überhaupt auftreten, obwohl sich Lead-Gitarrist Adam Hagerum just eine Woche vor Tourstart das Handgelenk gebrochen hat und – sicherlich zum Grausen seines Orthopäden – einfach durchzieht. Hardcore!

  1. Thin Air
  2. Sanctified
  3. Another Life
  4. S.O.F.
  5. In Shadows Deep
  6. Permission To Dream
  7. Solitaire
  8. Tomorrow
  9. Cover-Song
  10. Day By Day
  11. Touch
  12. Endless
  13. Passion Play

REFUSED in München im Oktober 2025Bei so viel Oldschool-Vibe passt es nur ins Bild, dass REFUSED ihr letztes Set mit „Poetry Written in Gasoline“ eröffnen – dem auf dieser Tour erstmalig live gespielten Opener ihrer „The New Noise Theology E.P.“ von 1998. Und das ist, nicht nur den Showverlauf betreffend, erst der Anfang: Am Ende stehen den drei Songs ihrer beiden letzten Alben „War Music“ (2019) und „Freedom“ (2015) ganze sechs Songs aus den rohen ’90er-Jahre-Releases gegenüber – und weil sich REFUSED mit dem vergleichsweise krachigen Material pudelwohl zu fühlen scheinen, gibt es erstmal in „The Deadly Rhythm“ ein bisschen SLAYER („Reign In Blood“), und später halb spontan und (zumindest teilweise) gänzlich unvorbereitet auch noch ein in der Folge ziemlich punkiges BLACK-FLAG-Cover („Nervous Breakdown“) obendrauf. Dazwischen, drumherum, omnipräsent – natürlich – „The Shape Of Punk To Come“. Neun Songs, also quasi alle „richtigen“ Songs auf dem Album, gibt es zu hören. Selbstverständlich auch, ein letztes Mal „New Noise“, begleitet – natürlich – von einer massiven Wall of Death.

REFUSED in München im Oktober 2025Die Band wirkt dagegen eher gemäßigt. Natürlich ist das Alter ein Faktor. Das weiß Lyxzén, der im Juni 2024 einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte, wohl besser als jeder andere: „When we were young, we played 20 minutes. Now we are 50+ and play 70 to 80. Great idea!“ Aber REFUSED wirken nicht alt – eher besonnen, abgeklärt. Mit der Eleganz eines Raubtierdompteurs bändigt Dennis Lyxzén sein Mikrofon, das er mal an der langen Leine durch die Luft wirbelt, um es dann wieder in Sekundenschnelle an sich zu reißen. Zum SLAYER-Cover schwingt Lyxzén tänzelnd die Hüften, springt zwischendurch bemerkenswert hoch und lässt sich zum Ende der Show auf den Bühnenboden fallen. Das alles ist als Inszenierung der Musik absolut hinreichend. Weil diese für sich selbst steht, keiner Inszenierung bedarf – und weil es sich eben nicht wie eine Inszenierung anfühlt, sondern als würden die Musiker ihre Songs auf dieser Tour ein letztes Mal bewusst durchleben – nicht, wie man das von ihnen erwartet, sondern schlicht, wie sie sie fühlen.

REFUSED in München im Oktober 2025Gefühle sind auch sonst ein Thema: Die Absurdität, dass die Musiker sich nun, am Ende ihrer großen Reise mit REFUSED, besser verstehen als je zuvor, bringt Lyxzén ebenso zur Sprache wie die allgemeineren Themen unserer Zeit – Mental Health und die große Politik. Mag jedes dieser Statements inhaltlich „erwartbar“ sein, werden REFUSED gerade dadurch authentisch, dass sie um diesen Umstand wissen und sie trotzdem machen. Hier liegt der eigentliche Kern der Aussage verborgen, unter den Plattitüden: Dass man es satthaben darf, seit 30 Jahren die gleichen Missstände anprangern zu müssen, oder morgens aufzuwachen und sich tagtäglich fragen zu müssen, was Donald Trump jetzt wieder angestellt hat – und dass man deswegen trotzdem nicht aufgeben oder leise sein darf. Kein Song könnte das besser auf den Punkt bringen als „It’s not O.K.“, den REFUSED heute noch spontan vor das finale „Pump The Brakes“ einschieben:

„It’s not okay
To pretend everything’s alright“

Und gerade darum ist es O.K., dass REFUSED jetzt aufhören, heute und generell, so wie es O.K. ist, wenn sie unter anderem Namen weitermachen. Sie haben es sich verdient. Heute, und mit 35 Jahren harter Arbeit.

  1. Poetry Written In Gasoline
  2. The Shape Of Punk To Come
  3. The Refused Party Program
  4. Rather Be Dead
  5. REV001
  6. Liberation Frequency
  7. Summer Holidays vs. Punkroutine
  8. The Deadly Rhythm
  9. Circle Pit
  10. Burn It
  11. The Economy Of Death
  12. Refused Are Fucking Dead
  13. Worms Of The Senses
  14. Nervous Breakdown (BLACK-FLAG-Cover)
  15. Elektra
  16. New Noise
  17. Tannhäuser/Derivè
  18. It’s Not O.K. …
  19. Pump The Brakes
REFUSED in München im Oktober 2025
REFUSED in München im Oktober 2025

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