Auf ein neues Album warten Fans von THE EXPLOITED weiterhin vergeblich – zumindest live bleiben die Schotten jedoch erfreulich präsent: Gemeinsam mit CODE RED ORGANISATION und ihren New Yorker Genrekollegen THE CASUALTIES macht die Punk-Legende nun einmal mehr Europas Konzerthallen unsicher.
Den Anfang machen, um zehn Minuten verfrüht, CODE RED ORGANISATION. Warum, ist wie schon bei der letzten Tour von Exploited, bei der die Band aus Freiburg im Breisgau ebenfalls den Opener gab, nicht ganz klar – würde der Thrash Metal der Truppe doch weit besser zu Bands wie Sodom oder Tankard denn zum Hardcore-Punk des heutigen Restprogramms passen. Entsprechend distanziert bleibt das Publikum – im räumlichen Sinne, aber auch, was die Sympathien angeht: Während sich die hintere Hallenhälfte zusehens füllt, tanzen vor der Bühne selbst gegen Ende des Sets lediglich zwei einsame Fans bierseelig den Pogo. CODE RED ORGANISATION lassen sich davon jedoch nicht beirren und liefern trotz der Umstände eine knackige Metal-Show.
Ganz anders ist das bei THE CASUALTIES, die heute ohne Frage als Co-Headliner dabei sind: Von einer Minute auf die nächste ist Stimmung in der Halle. Während sich Fronter Jorge Herrera noch die obligatorische Bierdusche gönnt, entwickelt sich im vorderen Hallenteil schon zum Opener „On The Frontline“ ein rabiater Moshpit, der dem rauen Streetpunk des Quartetts voll gerecht wird. Auch nach 27 Jahren Bandgeschichte lassen THE CASUALTIES nichts an Spielfreude missen: Wenn nicht gerade neue und alte Hits abgeliefert werden, unterhalten die Amis ihre Fans mit Witze-Erzählen und spaßigen Ansagen. Dass der mexikanisch-stämmige Herrera jetzt als US-Flüchtling in Deutschland Asyl sucht, ist nur eine von vielen. Nach 45 Minuten und der finalen CASUALTIES-Hymne „We Are All We Have“ ist die Show schließlich vorbei – Fragen bleiben dabei jedenfalls keine offen.
Neue Hits sind von THE EXPLOITED schon lange nicht mehr zu erwarten: Seit „Fuck The System“ (2003) gab es von den Schotten kein neues Material mehr zu hören – entsprechend wenig ändert sich nicht nur das Design der Tourshirts, sondern auch die Songauswahl der Shows. Positiv gesehen: Während andere Bands durch schwache neue Alben die Setlist verwässern, bekommt man bei THE EXPLOITED nach wie vor eine mit Klassikern und Hits gespickte Show geboten. Schon der Einstieg mit „Let’s Start A War (Said Maggie One Day)“, „Fightback“, „Dogs Of War“ und „UK 82“ lässt keine Wünsche offen.
Stütze der Band sind, neben dem stoischen Drummer Willie Buchan heute mehr denn je die beiden Saiteninstrumentalisten Matt McGuire (Gitarre) und Irish Rob (Bass), die die Songs für Punk schon fast erschreckend akkurat spielen. Wattie hingegen ist (zumindest heute) eher ein Unsicherheitsfaktor im Bandgefüge: Gleich bei zwei Songs verpasst er seinen Einsatz, „Fuck The System“ muss die Band ganze drei Mal beginnen, ehe der Fronter mit dem legendären roten Irokesen den Einstieg findet.
Ansonsten bleibt alles beim Alten: Watti spotzt und rotzt die Bühne voll, Wattie macht Ansagen, die keiner versteht, und Wattie schreit mal mehr, mal weniger stumpfe Texte zu Songs, die trotzdem durch die Bank verdammt viel Spaß machen. Der Bandhit „Fuck The USA“, der mit Versen wie „There really is nothing nice about USA – You go to the hospital you have to pay“ heute nicht minder aktuell ist denn vor 30 Jahren, ist als letzter Song des regulären Sets ebenso obligatorisch wie die von der Band veranlasste Bühneninvasion durch die Fans zum vom Publikum schon den ganzen Abend lautstark geforderten „Sex & Violence“. Darauf lassen THE EXPLOITED noch „Maggie“ und „Was It Me“ folgen, bevor nach gut 75 Minuten schließlich Schluss ist.
THE EXPLOITED sind und bleiben eine Legende. Am von Jahr zu Jahr steigenden Altersdurchschnitt des Publikums lässt sich jedoch gut erkennen, was passiert, wenn eine Band über zehn Jahre lang kein neues Material veröffentlicht – denn neue Fans dürften THE EXPLOITED zuletzt immer weniger dazugewonnen haben. Für alle Hardcore-Punk-Fans bietet die Kombination aus der schottischen Punk-Legende und den nicht weniger etablierten THE CASUALTIES ein perfektes Billing. Einzig CODE RED ORGANISATION sind hier etwas fehlbesetzt – eine Band wie Total Chaos, Topnovil oder gerne auch eine der unzähligen Truppen aus dem deutschen Punk wäre hier unabhängig von der musikalischen Qualität von CODE RED ORGANISATION die passendere Wahl gewesen.