Konzertbericht: Witch Club Satan w/ Spit Mask

29.09.2025 München, Backstage (Halle)

Wer von sich behaupten will, im Black Metal „up to date“ zu sein, kommt an einer Meinung zu WITCH CLUB SATAN nicht vorbei. Die Sache ist nur: Mit einer differenzierten Meinung zu Musik, Show und Konzept dieser Band ist es gar nicht so einfach. Ein Annäherungsversuch über die Show in München, die nach der Verlegung aus dem Backstage Club in die fast doppelt so große Halle schließlich trotzdem ausverkauft ist – und wohl dennoch die letzte Chance sein dürfte, die Band in so intimer Atmosphäre live zu erleben: Der Mainstream ruft. Doch dazu später mehr. 

Von Mainstream könnte der Support-Act der aktuellen Tour, SPIT MASK aus Berlin, kaum weiter entfernt sein: Was als BDSM-themed EBM-Projekt beschrieben werden könnte, ist in der Realität leider nurmehr bizarr – aber nicht auf die gute Art: Als erste Aktion auf der Bühne zündet Bryan Jackson eine Schüssel voll Haaren (!) an, ehe er sich an einen Ytong-Stein kettet (!!) und mit einem mit Kunstblut verschmierten Messer herumfuchtelt. Grotesk wird es, als er den Stein im Publikum mit einem Vorschlaghammer zu Klump schlägt, ehe ihn seine Partnerin Rachel, stilecht im Latexgewand, eine Plastiktüte über dem Kopf zieht. Dass die Band zeitgleich zur Venus-Messe in ihrer Heimatstadt Berlin überhaupt für eine Tour bereit war, überrascht – zumal die „Musik“ zweitrangig und drittklassig ist: Die Beats zu dünn, alles andere flach-gezerrt, bieten SPIT MASK nichts, was das Genre ausmacht – von eigenen Ideen ganz zu schweigen. Ihre Kunst nennen SPIT MASK im Übrigen „Industrial Auditory Kink“ – und mag „no kinkshaming“ auch stets die Devise sein – das hier ist einfach nur peinlich.

WITCH CLUB SATAN im September 2025 in MünchenNach diesem Erlebnis nun also gleich weiter zum nächsten: WITCH CLUB SATAN. Kurz umrissen spielen die drei (derzeit vier, oder eigentlich sogar sechs – dazu später mehr) Norwegerinnen (so etwas wie) Black Metal, wobei sie gleichzeitig alle Klischees des Genres bedienen (Corpsepaint, Blut, Lärm) und mit allen Klischees brechen: als Frauen (was sie sehr klar in den Mittelpunkt rücken), politisch (denn es geht um Feminismus, Antifaschismus und Pazifismus), musikalisch (weil ihre Musik eben doch nicht [nur] Black Metal ist) und in Sachen Show – weil Nacktheit hier nicht sexualisiert, sondern normalisiert wird. Oder eben doch sexualisiert, aber selbst ermächtigt.

WITCH CLUB SATAN im September 2025 in MünchenDabei präsentieren sich WITCH CLUB SATAN für eine so junge Band bereits bemerkenswert patent – an ihren Instrumenten, vor allem aber, was das Konzipieren einer Show angeht: Der in drei Teile gegliederte Auftritt ist mit mal aufwendigen, mal knappen Kostümen perfekt in Szene gesetzt. Auf der anderen Seite überspielen WITCH CLUB SATAN einen temporären Komplettausfall der Soundanlage souverän mit einer A-cappella-Einlage, ehe es mit einem energischen „We are back, bitches!“ zurück zur Zerre geht. All das verdient Respekt. Und wo wir gerade dabei sind: Dass Frontfrau Victoria Røising, mit Zwillingen hochschwanger, die Tour mit vollem Einsatz an Mikrofon und Bass durchzieht, ist enorm tough – enorm smart wiederum ist, dass die Band gleichzeitig aber bereits eine „Auswechselspielerin“ an der Seitenlinie (und bei diversen Songs auch bereits mit auf der Bühne) dabei hat.

WITCH CLUB SATAN im September 2025 in MünchenBis ins letzte Detail durchdacht wirkt bei WITCH CLUB SATAN sowieso alles – von den ausgefeilten Designs der Kostüme über die Reihenfolge der Songs im Set bis hin zu dem Fakt, wie die Norwegerinnen ihre Karriere forcieren: Ein geschickter PR-Stunt mit super-truem Erstaufschlag („Black Metal Is Krig“) und „Menstruationsblut-Twist“ („Fresh Blood, Fresh Pussy“), ein wenig Exklusivität (Roadburn-Auftritt), um das Interesse zu steigern, jetzt eine Headlinertour in ausverkauften Clubs und nächstes Jahr dann der Sprung in die großen Hallen – im Vorprogramm von AVATAR, hinter denen sich nun sogar der selbsterklärte Superfan Nergal anstellen muss, der der Band via Instagram quasi schon eine Toureinladung ausgesprochen hatte. Nur in ein Detail im Gesamtpaket WITCH CLUB SATAN scheint die Formation nicht gar so viel Zeit und Hirnschmalz investiert zu haben – und das ist, leider, die Musik.

WITCH CLUB SATAN im September 2025 in MünchenWas die Band abliefert, ist in den besseren Momenten sehr unspektakulärer Black Metal oder, gegen Ende der Show, industriell angefetteter Black Metal. Dabei sind WITCH CLUB SATAN ironischerweise genau dann am besten, wenn sie eben gar nicht erst versuchen, „auf Black Metal“, sondern einfach ihr eigenes Ding zu machen: mal energiegeladen und elektronisch, mit dem Vibe moderner feministischer Punk-Bands wie THE TOTEN CRACKHUREN IM KOFFERRAUM, mal sanft und stimmgetragen wie KÆLAN MIKLA oder eben mit einer Theatralik, wie man sie von Bands wie A FOREST OF STARS her kennt. Während Letzteres in Sachen Stimmung ganz gut funktioniert, wirkt gerade der „Black-Metal-Anteil“ arg roh und punkig. Und wieder läuft man Gefahr, in eine Falle zu tappen – denn natürlich sind genau das Attribute, die insbesondere den frühen Black Metal quasi definieren. Bei dem nun vorgezeichnet erscheinenden Weg in den Metal-Mainstream fällt es jedoch schwer, zu glauben, die Monotonie sei hier als Hommage, das Punkige als Rebellion zu verstehen. Vielleicht sind WITCH CLUB SATAN wie der Kaiser – und haben eben einfach keine Kleider an.

WITCH CLUB SATAN im September 2025 in MünchenWomit wir – im letzten Zuge des Fettnapf-Dreisprungs – beim Thema der instrumentalisierten Nacktheit wären: Was als Selbstermächtigung und feministischer Akt gelesen werden kann (soll, muss), funktioniert in der (noch, leider) männlich dominierten Metal-Szene eben auch auf anderer, viel plumperer Ebene als Publikumsmagnet (Beleg-Zitat vom Pissoir: „Da wollte ich nur ein paar Titten auf einem Metal-Konzert sehen, und dann ist die dumme Fotze schwanger!“). Und ja, der Vergleich hinkt, aber: Mit der Musik ohne die Show, oder gar von männlich gelesenen Personen dargeboten, hätte diese Band keine 7 Zuschauer. Aber, auch das steht außer Frage: Was WITCH CLUB SATAN abliefern, ist ein Gesamtkonzept, in dem die Musik nun eben nur ein Aspekt ist.

  1. Birth
  2. Wild Whores
  3. Blod
  4. Mother Sea
  5. I Was Made By Fire
  6. Hysteria
  7. Black Metal Is Krig
  8. Salvation
  9. Mother
  10. You Wildflower
  11. Fresh Blood, Fresh Pussy
  12. Witchcraft Techno
  13. Solace Sisters

WITCH CLUB SATAN im September 2025 in MünchenDass sich die drei Bandgründerinnen 2022 auf der Theaterschule kennengelernt haben, ist mehr als nur eine Randnotiz in der Bandgeschichte von WITCH CLUB SATAN. Denn was sie dem Publikum zu bieten haben, ist tatsächlich weniger Black Metal (oder überhaupt ein Konzert) als vielmehr Performance-Kunst mit Instrumenten. Damit treffen WITCH CLUB SATAN jedoch den Geist unserer Zeit: Schließlich ist bei einer ganzen Reihe erfolgreicher Genre-Newcomer, ob KANONENFIEBER, CULT OF FIRE oder PATRIARKH, die Musik höchstens noch ein Baustein, keinesfalls aber das Fundament des Erfolgs. Und Erfolg werden WITCH CLUB SATAN mit ihrem Projekt ohne Zweifel und auch verdientermaßen haben.

Die lange herbeigesehnten Erlöserinnen, die den Black Metal aus den Händen von Rassisten und anderen angekratzten Männer-Egos befreien, sind WITCH CLUB SATAN indessen wohl nicht: Wer die Szene nur als Sprungbrett benutzt, verspielt damit leider jede Glaubwürdigkeit. Es bleibt ihnen zu wünschen, dass sie dabei zumindest Künstlerinnen bleiben und nicht schon bald nurmehr als (sich selbst sexualisierende) sexualisierte Girlband durch den Metal-Mainstream geschwemmt werden.

WITCH CLUB SATAN im September 2025 in München

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Ein Kommentar zu “Witch Club Satan w/ Spit Mask

  1. Dieser Konzertbericht gefällt mir sehr, da er alle relevanten Aspekte, die diese Band auszeichnen, anspricht. Der letzte Absatz des Konzertberichts sowie die allgemeine Einschätzung bringen es genau auf den Punkt: „Was WITCH CLUB SATAN abliefern, ist ein Gesamtkonzept, in dem die Musik nun eben nur ein Aspekt ist.“

    Ich habe die Band in diesem Jahr auf dem Sonic Rites Festival in He(l)lsinki gesehen und bin nach dem dritten oder vierten Lied gegangen. Der Hauptgrund war sowohl die musikalische Darbietung als auch die politische Botschaft der Band. Eine der Sängerinnen äußerte ungefilterte, anti-israelische Hamas-Propaganda. Die Band positioniert sich einerseits antifaschistisch und setzt sich für Feminismus ein, während im gleichen Atemzug antizionistische Parolen von der Bühne verkündet werden. Hier bestehen Widersprüche.

    Über Kunst lässt sich streiten, sie ist stets subjektiv zu betrachten. Was man der Band zugutehalten kann, sind die künstlerischen Aspekte der Darstellung, einschließlich der Effekte und Kostüme. Die Band wird ihren Weg gehen und mit hoher Wahrscheinlichkeit kommerziell erfolgreich sein.

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