März 2010

Review Alcest – Écailles De Lune

Es gab in den letzten drei Jahren wohl kaum einen Emporkömmling aus dem Underground, bei dem es so sehr zum guten Ton gehörte, ihn zu vergöttern wie bei ALCEST. Die Lobeshymnen auf „Souvenirs D’Un Autre Monde“ sind bis heute nicht verklungen, und obwohl dieses zwar ein gutes Album war, präsentierte sich auf lange Sicht doch deutlich die ihm innewohnende Abwechslungsarmut. Umso gespannter darf man nun natürlich auf „Écailles De Lune“ sein, wurde für dieses doch unter anderem mit der Rückbesinnung auf den Black Metal geworben, was auf ein höheres Maß an Abwechslung und damit irgendwo auch mehr Nachhaltigkeit hoffen.

„Écailles De Lune I“ lässt sich vom Black Metal bis auf ein wenig eruptive Schlagzeugbegleitung erstmal nichts anmerken, aber das war man ja schon vom Vorgänger gewohnt. Nein, was Neige im Opener demonstriert, ist eigentlich viel beeindruckender: Zuerst einmal Post Rock im typischen, zerbrechlichen ALCEST-Format. Dann aber zum einen die Stimme, die meist immer noch klar und hoch trällert, dies aber weitaus weniger kitschtriefend emotional als auf „Souvenirs…“, zum anderen das entspanntere, effektvollere Songwriting, welches ALCEST diesesmal echte Geschichten erzählen lässt und dem Album somit eine riesige Bandbreite an Ausdurck einräumt, die von majestätisch über schwelgend bis unschuldig-fragil das meiste abdeckt, was man sich an erhebenden Eindrücken überhaupt so vorstellen kann.
„Écailles De Lune (Part II)“ packt dagegen für ALCEST-Begriffe den Holzhammer aus, hier gibt es tatsächlich wieder abgedrehte Screams von Neige inklusive rasender Black Metal-Begleitung zuhören, welcher aber weiterhin ein gewisses Post Rock-Feeling innewohnt. Eine interessante Mixtur, die sich wirkungsvoll ins ALCEST-Konzept einfügt. Dennoch ist das Werben mit der Rückkehr des Black Metals relativ unsinnig, der verschwindend geringe Anteil der wirklich heftigen Passagen reicht höchstens, um Hörer, die damit so gar nichts anfangen können, von der Materie abzuschrecken, aber nie, um jemanden, der ALCEST für etwas zu warm hält, doch für die Musik zu begeistern.
Sinnvoller und treffender wäre es gewesen, in der Werbung die viel größere Veränderung im Vergleich zu „Souvenirs D’Un Autre Monde“ zu betonen: Es wird nicht mehr auf Teufel komm raus auf einer Idee herumgeritten, die vielleicht gar nicht mal so genial ist, die Soundlandschaften sind elegischer gestaltet, es passiert schlicht und ergreifend mehr. Wie das Cover andeutet, haben die Songs zudem teilweise etwas zwielichtiges, märchenhaftes, wobei alles in allem immer noch die verträumte, aufgelöste Note im Vordergrund steht, die auch „Souvenirs…“ schon auszeichnete – nur eben weit vielseitiger umgesetzt.

„Écailles De Lune“ wird dem durch den Hype entstandenen Anspruch ALCESTs im Gegensatz zum Urheber desselben, „Souvenirs…“, tatsächlich auch gerecht. Wer den Vorgänger verehrt hat, muss mit „Écailles De Lune“ fast zwangsweise glücklich werden. Ich würde fast behaupten, dass dieses Album einer der wenigen Fälle darstellt, wo der Nachfolger tatsächlich objektiv besser als sein Vorgänger ist. Insofern ist „Écailles De Lune“ für Einsteiger auch klar vorzuziehen, wer das hat, braucht „Souvernirs…“ eigentlich nicht mehr.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

Ein Kommentar zu “Alcest – Écailles De Lune

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