Review Gojira – Terra Incognita

  • Label: Listenable
  • Veröffentlicht: 2001
  • Spielart: Death Metal

Als GOJIRA vor inzwischen 20 Jahren ihr erstes Album veröffentlichten, haben wohl weder die vier Franzosen noch ihre ersten Hörer erwartet, welch außergewöhnliche Bedeutung diesem Quartett in den kommenden Dekaden innerhalb der Metalszene beigemessen werden würde. Zusammen mit Bassist Jean-Michel Labadie und Gitarrist Christian Andreu betraten die Duplantier-Brüder Joe und Mario 2001 ein für sie wahrlich „unbekanntes Terrain“. Ins Lateinische übersetzt heißt das „Terra Incognita“ und so könnte der Titel dieses Debüts keinen treffenderen Namen bekommen haben. Wenn auch, das sei vorweggenommen, dieses unbekannte Terrain mit einer beachtlichen Souveränität beschritten wurde.

Unter dem Namen Godzilla fanden die Musiker, mit Ausnahme Labadies, bereits 1996 zusammen und spielten ein paar Demos ein, bis man sich aus rechtlichen Gründen später in GOJIRA umbenannte und dann den Grundstein einer steilen Karriere legte. Es mag am ausgeprägten Perfektionismus dieser Band liegen, dass zwischen der Gründung und dem ersten Album rund fünf Jahre ins Land zogen. Dieser unbedingte Wille, alles perfekt zu machen und nichts dem Zufall zu überlassen, Dingen die nötige Zeit zu geben, weil man lieber geduldig ist, als auch nur eine Kleinigkeit zu bereuen, all das steht seit den Anfangstagen für GOJIRA.

Wenn so mancher Titel auf „Terra Incognita“ auch den Eindruck erweckt, als seien verschiedenste Songfragmente willkürlich zwischen zahlreichen Breakdowns angeordnet, so kann man davon ausgehen, dass das Gegenteil von Willkür dazu führte. Das ist penibel arrangiert und von langer Hand so geplant. Mit der einfach klingenden Rezeptur aus Powerchord, Stop und technischer Finesse kreieren GOJIRA ein filigranes Potpourri, das kaum reichhaltiger an individueller Extraklasse sein könnte.

Einen GOJIRA-Song erkennt man nach wenigen Sekunden. Das ist heute so, wenn etwa „Another World“ anläuft und das war bereits 2001 so, als die Franzosen ebendieses Debütwerk herausbrachten und darauf schon der erste Track, „Clone“, dieser Behauptung locker standhält. Dafür brauchen sie auch den allseits üblichen Strophe-Chorus-Strophe-Wechsel nicht. Obwohl hier zweifelsohne Morbid Angel als großer Einfluss auszumachen ist, gelingt es dem Quartett seit jeher, wie etwas Neues, etwas noch nicht Dagewesenes zu klingen. Es ist regelrecht so, dass GOJIRA nicht wie andere klingen, sondern andere seither bestenfalls wie GOJIRA.

Diese vier Herren sind an ihren Instrumenten über die Maße talentiert und es gelingt ihnen fantastisch, ihre Qualitäten zu einem stimmigen Ganzen zu verschmelzen. Ob dabei ein Brett wie „Deliverance“ entsteht oder eine erst verrückte, dann hochmelodische und zum Schluss wahnsinnig schnelle Nummer wie „Space Time“ – GOJIRA schöpfen aus dem Vollen. Und dabei vermag der geneigte Hörer immer mal wieder etwas zu entdecken, was ihm vorher noch nicht aufgefallen war. Während die erste Albumhälfte etwas experimenteller ausgeprägt ist, ist die zweite geradliniger. So weicht das koordinierte Chaos auf Titeln wie „Satan Is A Lawyer“ später Krachern wie „Love“ oder „Fire Is Everything“. Erstgenannter wird als einer der härtesten Titel der Bandgeschichte auch heute noch regelmäßig live performt. Mit dem Rauswerfer „In The Forest“ wird abschließend eine im Gleichschritt zelebrierte Liebeserklärung aller vier Musiker an ihr jeweiliges Instrument dargeboten.

„Terra Incognita“ ist ein hervorragendes Erstwerk. Es klingt enorm ausgereift und eigentlich zu keiner Zeit wie ein Debüt. Kritisierbar ist höchstens die enorme Verspieltheit, die einige Längen erzeugt. Längen, die gewiss künstlerischen Wert haben, aber irgendwie unnötig erscheinen. So könnte „In The Forest“ ohne die nett gemeinte Zugabe bequem nach der Hälfte aufhören. Und die beiden „Trillion De Tonnes“-Interludes haben womöglich nur die eingefleischtesten Fans auf ihrer Playlist. Wie ambitioniert diese Band aber schon in ihrer anfänglichen Schaffenszeit war, spürt man mit jedem dieser Songs.

Und doch haben Joe Duplantier & Co. mit ihrer genommenen Entwicklung alles richtig gemacht. Sie sind musikalisch durchaus noch anspruchsvoller geworden, haben dabei aber stark an Eingängigkeit gewonnen und wurden mit steigender Bekanntheit auch thematisch äußerst relevant. Nicht selten werden die Franzosen als eine der wichtigsten und bedeutungsvollsten Bands dieser Zeit genannt. Lebenserhaltung im Ozean, Umweltverschmutzung und gesellschaftliche Missstände, das sind die Themen dieser Band und dafür werden sie abseits ihrer beeindruckenden musikalischen Fähigkeiten enorm respektiert.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Andreas Althoff

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