Review Imperial Triumphant – Alphaville

Nirgends ist die unvorstellbar große Kluft zwischen dem Elend der untersten Unterschicht und der Dekadenz der in ihren Wolkenkratzern für viele Menschen buchstäblich unerreichbaren Upperclass auf derart groteske Weise präsent wie in den Megastädten dieser Welt. Den Ekel, den man angesichts dieser Ungerechtigkeit in sich aufsteigen spürt, haben die in New York ansässigen IMPERIAL TRIUMPHANT in Ansätzen bereits auf „Abyssal Gods“ (2015) und umso deutlicher auf ihrem Durchbruchsrelease „Vile Luxury“ (2018) zum Ausdruck gebracht: Ihren widerwärtigen, dissonanten Extreme Metal maskierten IMPERIAL TRIUMPHANT auf diesen Alben vermehrt mit opulentem, trügerisch glänzendem Jazz. Auf „Alphaville“ loten die Avantgarde-Metaller die Möglichkeiten der Verbindung dieser Extreme nun weiter aus.

Ihr Faible für futuristische Schwarz-Weiß-Filme über technokratische Dystopien war den drei Musikern zuvor bereits deutlich anzusehen: Sowohl die goldenen Masken ihrer Bühnenkluft als auch ihr Bandlogo weisen auf Inspirationen von Fritz Langs Monumentalfilm „Metropolis“ (1927) hin. Dass IMPERIAL TRIUMPHANT ihr viertes Album „Alphaville“ nach Jean-Luc Godards gleichnamigem, den klassischen Konflikt zwischen Mensch und Maschine darstellenden Film noir aus dem Jahr 1965 betitelt haben, könnte man demnach als stilistisches Statement auffassen: „Alphaville“ markiert keinen Paradigmenwechsel wie seinerzeit „Vile Luxury“, sondern baut vielmehr auf dem kreativen Fundament jener Platte auf, ohne dabei weniger visionär zu sein.

Den geifernden Moloch hinter urbanem Luxus vertonen IMPERIAL TRIUMPHANT nach wie vor in Form von bestialischen Growls, verstörend misstönenden Gitarrenriffs, desorientierend chaotischen Schlagzeugexzessen und unheimlichen Keyboardflächen. Die geschmackvollen Jazz-Einschübe wirken hingegen wie die letzten Überreste einer diese Monstrosität verbergenden Fassade. So bizarr und gewaltig klingen die Songs, dass man bisweilen meinen könnte, die Band bearbeite ihre Instrumente in einem Anfall blinder Wut mit einem Vorschlaghammer – und das nicht bloß aufgrund der rohen, wuchtigen Produktion. Dass die komplexen Arrangements bis ins kleinste Detail durchdacht und gezielt umgesetzt wurden, zeigt sich allerdings in ihrer eindringlichen, musikalischen Bildsprache.

So denkt man bei dem hektischen Zusammenspiel von Bass und Drums sowie den Samples von Bahnhofgeräuschen in „Excelsior“ unweigerlich an eine geschäftige Menschenmenge, die dem amerikanischen Traum hinterherjagt – einem Traum, von dem nach dem naiv-romantischen Barbershop-Gesang zu Beginn des später extrem ausartenden „Atomic Age“ nichts als ein verstrahlter Trümmerhaufen übrig bleibt. „City Swine“ klingt mit seinem tonnenschwer wummernden Saiten- und Tastenspiel hingegen wie das Auseinanderbrechen einer Präsidentensuite inmitten eines einstürzenden Hochhauses. Lediglich im Intro von „Transmission To Mercury“ mit seinem geschmeidigen Wechselspiel von Klavier und Posaune lassen IMPERIAL TRIUMPHANT zu, dass man sich für einen Moment an der Pracht des Wohlstands erfreut.

Dass ironischerweise ausgerechnet die Coverversion von Voivods „Experiment“ als geradlinigster Track der rund einstündigen Platte dasteht, spricht Bände darüber, wie schwer die künstlerische Vision, die IMPERIAL TRIUMPHANT mit „Alphaville“ umgesetzt haben, zu schlucken ist. Wie bereits auf der Vorgängerplatte ergründen die New Yorker die verführerisch schillernden Abgründe einer maschinengleich summenden Millionenstadt in Form von Musikstücken, die in ihrer Grässlichkeit nicht leicht zu ertragen und doch unfassbar beeindruckend sind. Nach dem umjubelten „Vile Luxury“ haben IMPERIAL TRIUMPHANT erneut eines der bemerkenswertesten, erschütterndsten Metal-Alben der letzten Jahre kreiert, das jeder aufgeschlossene Extreme-Metal-Liebhaber gehört haben sollte.

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Wertung: 9.5 / 10

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