Review Jethro Tull – The Jethro Tull Christmas Album

„The Jethro Tull Christmas Album“ nimmt in der Diskografie von Ian Anderson und seiner legendären Band JETHRO TULL in zweierlei Hinsicht eine Sonderstellung ein: Es ist das 21. und bisher letzte Studioalbum der Gruppe, außerdem beinhaltet es neue Songs, Neuaufnahmen eigenen Materials und Arrangements traditionellen christlichen Liedguts. Insgesamt gibt es zehn Eigenkompositionen und sechs überarbeitete Versionen, u.a. von Bach oder Fauré, zu hören. Diese Zusammenstellung plus Andersons Einstellung zur vertonten Musik lassen ein rockiges Weihnachtsalbum entstehen, das erstaunlich locker daher- und ohne viel Kitsch auskommt.

In einem Interview erläuterte Ian Anderson damals dazu: „Weder bin ich überzeugter Christ noch denke ich, dass unser ‚Christmas Album‘ etwas mit dem Müll zu tun hat, den irgendwelche halbseidenen Künstler sonst so am Ende des Jahres unter die Leute zu streuen versuchen. Nein, was wir damit erreichen wollen: Eine Platte aufzunehmen, die die sehr spezielle, besinnliche Stimmung, die zumindest in unseren Breitengraden um die Weihnachtszeit herrscht, einzufangen. Weihnachten lebt sehr viel von Ritualen, was ich dieser Saison hoch anrechne. Und in konfusen Zeiten wie den unseren brauchen wir mehr denn je Rituale, Symbolik, eine eigene Identität. Unter diesem Aspekt ist die CD entstanden.“

Bereits mit dem Opener „Birthday Card At Christmas“ zeigen JETHRO TULL das berühmte Querflötenspiel sehr ausgiebig in einem dreieinhalbminütigen Art-Rock-Stück, das Weihnachten in einem ganz eigenen Licht präsentiert. Auch im weiteren Verlauf ist die Flöte von Mastermind Ian Anderson allgegenwärtig, umgeht aber gekonnt die Möglichkeit ins Nervige abzudriften. Neben von Melancholie getragenen Songs bestehen aber auch beschwingte Titel wie das überarbeitete Instrumental-Medley „Holly Herald“ oder das jazzige „God Rest Ye Merry Gentlemen“ ohne Probleme. Zweifelsohne besteht das Highlight des Longplayers aus dem Doppel „A Christmas Song“ und „Another Christmas Song“, die beide ihren Charme auf verschiedene Weise versprühen. Vor allem der zweitgenannte Titel gehört mit zum Besten, das rockige Weihnachtsmusik bis heute hervorgebracht hat. Weiter erwähnenswert sind „Greensleeved“, basierend auf der englischen Volkslied-Melodie „Greensleeves“, das auf Bach zurückzuführende und in seiner musikalischen Gestaltung erheblich geänderte „Bourée“ und das von Gitarrist Martin Barre stammende abschließende Instrumentalstück „A Winter Snowscape“. Besonders hieran ist, dass Barre bis dahin selten als Komponist genannt wurde.

Ganz ohne Kitsch kommt das Weihnachtsfest sicherlich nicht aus. Ian Anderson und seine Band JETHRO TULL schaffen es aber diesen Faktor relativ geringfügig zu halten und präsentieren das christliche Fest in unaufgeregter, auch nachdenklicher und hochkarätiger Weise. Auch die Zusammenstellung aus instrumentalen Titeln und Songs mit Gesang stellt sich als sehr gelungen heraus. „The Jethro Tull Christmas Album“ könnte unter dem Aspekt seiner Entstehung sicherlich zu einem musikalischen Ritual in der Weihnachtszeit werden, das auch weniger Rockmusik-affine Zuhörer eher selten verschrecken sollte. Qualitativ ist es allemal, wie die Briten Progressive, Art und Hard Rock mit Elementen der Klassik  in diesen knapp 60 Minuten verbinden.

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Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Christian Denner

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