Review Kaleikr – Heart Of Lead

(Progressive Death / Black / Post-Metal) Obwohl sich die Hörgewohnheiten der Allgemeinheit in Zeiten von Spotify und SoundCloud immer weiter weg von ganzen Alben hin zu einzelnen Tracks bewegen, hat das Format der Full-Length-Platte doch den einen oder anderen Vorteil, der sie für gewisse Teile der Hörerschaft nach wie vor relevant macht. Einer dieser Vorzüge ist, dass man mit einem Album eine Geschichte erzählen kann, die die einzelnen Lieder miteinander verbindet und sie dadurch noch bedeutungsvoller erscheinen lässt. So tun es beispielsweise KALEIKR auf ihrem Debüt „Heart Of Lead“. Im Verlauf ihrer acht Stücke, die in sich die Komplexität des Progressive Death Metal und die Emotionalität des Black Metal vereinen, begeben sich die Isländer auf eine Seelenreise, die sie von einem Hort der Traurigkeit bis in die tiefsten Tiefen der Verzweiflung führt.

Das Konzept scheint wie gemacht für eine Black-Metal-LP isländischen Ursprungs, ist der dort beheimatete Stil, den vor allem Bands wie Svartidauði in der Szene groß gemacht haben, doch für seinen wahnsinnigen, albtraumhaften Klang bekannt. Tatsächlich merkt man KALEIKR ihre Wurzeln im Zuge ihrer ersten Veröffentlichung so manches Mal an, unter anderem während der abgründigen, schiefen Tremolo-Gitarren, mit denen „Neurodelirium“ ausklingt. Dennoch ist „Heart Of Lead“ nicht bloß eines von vielen Alben, die im Wesentlichen nicht mehr als eine Umsetzung derselben paar Ideen sind. Dies zeigt sich bereits auf dem eröffnenden „Beheld At Sunrise“, das sich, seinem Titel entsprechend, sachte wie ein Sonnenaufgang, jedoch ohne Hoffnung, mit subtilen Keyboards, trübsinnigen Klavier- und Streicherklängen erhebt und erst nach einiger Zeit zu einem machtvollen Extreme-Metal-Moloch anschwillt.

Der Wille, von der Norm abzuweichen, geht KALEIKR auch in den nachfolgenden Nummern nicht verloren. Manche der Songs beginnen atmosphärisch mit sich geheimnisvoll durch die Luft schlängelnden, unverzerrten Gitarren und entwickeln sich schließlich zu polternden, nicht selten an Enslaved erinnernden Prog-Black-Tracks („Of Unbearable Longing“), von anderen geht hingegen eine psychedelisch-surreale Stimmung aus, wie etwa von dem Titeltrack mit seiner verschrobenen Bassline und seinen geradewegs in die Leere hineinschwebenden Melodien.

Dann und wann gesellen sich zu den monströsen Growls und dem so präzisen wie rabiaten Drumming sogar dynamische Post-Metal-Gitarren („Neurodelirium“) und die wehklagenden Streicher trifft man auch immer wieder an. Schlussendlich sind es allem voran die eigenartigen Saitenklänge, die dem Sound von KALEIKR etwas auf einzigartige Weise Unwirkliches verleihen. Wer nach eingängigen Hooks sucht, ist hier ganz klar an der falschen Adresse – wer hingegen bereit ist, sich auf die treibsandartige Wirkung der Musik einzustellen, bekommt auf „Heart Of Lead“ ein beeindruckendes, unvergleichliches Hörerlebnis geboten.

Üblicherweise ist es nicht allzu schwer, das Schaffen einer Band in ein bestimmtes Genre einzuordnen oder passende Vergleiche mit anderen Bands zu ziehen. Was KALEIKR auf ihrem Einstiegsalbum von sich geben, entzieht sich einer solchen Kategorisierung jedoch beinahe vollständig. Mal meint man, typisch isländischen Black Metal herauszuhören, dann ist es doch wieder Progressive Death oder Post-Metal und irgendwo schwingt immer auch ein psychedelischer Unterton mit. Diesem kaum definierbaren Sound ist es jedoch zu verdanken, dass „Heart Of Lead“ trotz seines sperrigen Aufbaus auf voller Länge fasziniert und zum Wiederhören anregt. Die eher schnittige Produktion hätte zwar ruhig noch ein wenig fülliger sein dürfen, davon abgesehen haben KALEIKR hiermit einen durch und durch gelungenen Start hingelegt.

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Wertung: 8.5 / 10

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