Review Kanonenfieber – Yankee Division (EP)

Noise, Mastermind hinter KANONENFIEBER, hat einiges verstanden: Wie man Krieg in Musik thematisieren kann, ohne dass es in irgendeiner Form danebengeht. Wie man gute Songs schreibt. Wie man beides zusammen live inszenieren muss, um auf sich aufmerksam zu machen. Und nicht zuletzt: Dass man als junge Band immer in Bewegung bleiben muss. Letzterem Grundsatz folgend, legt er nur ein Jahr nach dem Debüt-Album „Menschenmühle“ neben der spontan entstandenen Ukraine-Solidaritäts-Single „Stop The War“ mit der EP „Yankee Division“ einen Release nach – und weitere sind bereits in der Mache.

Mit 10:57 Minuten Spielzeit, verteilt auf zwei Songs, bietet „Yankee Division“ quantitativ betrachtet nicht allzu viel fürs Geld – abermals versehen mit einem stimmigen Artwork und musikalisch qualitativ auf einem Level mit dem KANONENFIEBER-Debüt sollten Fans hier trotzdem zugreifen. Nicht zuletzt, weil die Einnahmen der ebenfalls in Eigenregie über das selbstgegründete Label Noisebringer Records veröffentlichten EP direkt der Band zugutekommen.

Passend zum EP-Titel startet der Quasi-Titeltrack „The Yankee Division March“ mit dem in beiden Weltkriegen populären Song „Over There“ (George M. Cohan), der vom Einmarsch der „Yanks“ kündet. Mit ähnlicher Wucht wie dereinst das amerikanische Expeditionskorps in der Schlacht von St. Mihiel (von der der Text kündet) über die Deutschen, bricht nach gut einer Minute das Riffing über den Hörer herein: Wuchtig doomige Zerrgitarren gehen abrupt in sägenden Black Metal über, der wie schon auf „Menschenmühle“ immer wieder mit eher für Post-Black-Metal-typischen Melodien aufgelockert wird. Dass der Text englische Passagen enthält, passt ins Konzept und ermöglicht ein besonderes Feature: Eingesungen wurden diese nämlich vom inzwischen gestorbenen Trevor Strnad (The Black Dahliah Murder). Nach rund vier Minuten Geballer scheint die Schlacht geschlagen, das Stück läuft stimmungsvoll in Cleangitarren aus … könnte man meinen: Ein letztes Aufbäumen, ein letztes Vorbringen der zentralen Motive, dann ist mit einem etwas klischeehaften, aber ebenso stimmigen Schuss Schluss.

„Die Fastnacht der Hölle“ überrascht zunächst mit fast lehrbuchhaftem Melodic Death Metal, den KANONENFIEBER mit stampfend rhythmisierten Riffing-Parts mit entsprechend simpel phrasiertem Text („Links – Links – Links 2 3 4 – Links – Links“) kontrastieren. Kompositorisch betrachtet mag dieses eher simple Wechselspiel nicht die höchste Kunst sein – da die Melodie aber ebenso ins Ohr geht, wie der Stakkato-Part in den Arsch tritt, „funktioniert“ der Song am Ende trotzdem. Die große Stärke ist aber auch hier, wie geschickt Noise den Frontbericht zur Schlacht im Wald von Belleau, in der die Deutschen auf ihrem Vorstoß auf Paris 1918 von den Alliierten aufgerieben wurden, zu einem Songtext umgearbeitet hat: Das Resultat ist eine Quintessenz aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, ein Mahnmal der Sinnlosigkeit des Tötens und Getötetwerdens.

Wer „Menschenmühle“ zu schätzen weiß, wird von „Yankee Division“ nicht enttäuscht sein: KANONENFIEBER legen hier mit zwei stimmungsvollen Songs nach, die man stilistisch ebenso gut auf dem Debüt-Album hätte unterbringen können. Die thematische Klammer ist dabei vom Cover bis zu den Texten gut gesetzt – gerade weil dieser Themenkomplex zweifelsohne noch einiges mehr hergegeben hätte, hätten es gerne noch ein, zwei Songs mehr sein dürfen. So bleibt „Yankee Division“ im physischen Format ein Release für Komplettisten, im digitalen ein Appetithäppchen, das Vorfreude auf ein zweites KANONENFIEBER-Album schürt.

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