Review Kauan – Aava Tuulen Maa

Man kann es schon so sagen: KAUAN ist mit Sicherheit keine Band wie jede andere. Auf der einen Seite steht die rasche Wandelbarkeit, denn innerhalb von nicht einmal drei Jahren haben die Russen drei Alben veröffentlicht, die zwar in gewisser Weise eine inneren Stringenz folgen, aber dennoch in ihrem Wesen absolut unterschiedlich sind. Wo auf „Lumikuuro“ noch Elemente aus Doom, Black und Folk regierten, hält das neueste Werk „Aava Tuulen Maa“ nur noch letztgenanntes bereit, garniert dieses aber sehr wohlschmeckend mit Ambient und Post-Rock. Dazu noch ein gewaltiger Schuss Naturverehrung und fertig ist eine knapp 50-minütige CD, die zu vielem einlädt.

Auf der anderen Seite steht das ungewöhnliche Festhalten an der finnischen Sprache in den Lyrics. Keine Frage, besonders zu der anno 2009 dargebotenen Musik passt dies bestens, denn nicht nur der Bandname weckt unmittelbare Assoziationen zu den finnischen Schamanenrockern „Tenhi“. Sowohl die instrumentelle Besetzung mit reichlich Piano und Violine, als auch die zurückhaltende, fast weiche Produktion und die Inszenierung der Musik erinnern an die Alben „Kauan“ und „Väre“. Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass KAUAN aus Chelyabinsk stammen, einer Stadt mit mehr als 1 Mio Einwohnern. Die Weiten des Ural sind zwar nicht fern von dort, aber trotzdem erstaunlich, wo sich Mastermind Anton Belov die Inspirationen für seine Musik holt. Denn wüsste man um die Herkunft der Band nicht, man würde sie instinktiv in die düsteren skandinavischen Wälder stecken. Aber lassen wir es an dieser Stelle mal gut sein, prinzipiell ist es ja wohl egal, ob die Musik aus Rovaniemi oder Rio de Janeiro kommt, so lange sie gut ist. Und das ist sie in diesem Fall ganz einfach. Ein trauriger Umstand ist es, dass ich mit der Band bislang so gar nicht vertraut war, mit „Aava Tuulen Maa“ wird sich dies ganz sicher ändern. Man sollte nicht unbedingt Metal erwarten, denn man bekommt überhaupt gar keinen geboten. Vielmehr liegt man ziemlich richtig, wenn man – wie schon gesagt – „Tenhi“ als Vergleichsobjekt heranzieht oder aus deutschen Landen natürlich die Kulttruppe „Empyrium“ in ihrer zweiten Schaffensperiode. Wo jedoch Schwadorf und Co auf rein akustische Klänge setzten, limitieren sich Relov und die Violinistin Lubov Mushnikova (deren Genus ich im Gegensatz zum Kollegen Rohwoldt und dem Infoschreiben gleich richtig einordnen konnte ;-) ) keineswegs in dieser Richtung. Zwar bleiben die verzerrten Gitarren die große Ausnahme, aber wenn sie eingesetzt werden, erzielen sie eine umso höhere Wirkung. Für Emotionen ist viel Platz in den fünf meist überlangen Songs – lediglich der Opener „Ommeltu Polku“ bleibt mit knapp 5 Minuten in einem „normalen“ Rahmen. Diese Emotionen bauen sich in der Regel langsam und sehr behutsam auf, an mehreren Stellen wird der Hörer auch gerne mal etwas ratlos gelassen, wenn der erwartete Ausbruch eben ausbleibt. Ein interessantes Stilmittel, welches die melancholische, aber nicht depressive Wirkung der Songs noch einmal verstärkt.

Ein Album für den Herbst, so viel ist sicher. Zur Zeit muss die Frage offen bleiben, ob beinahe viertelstündige Songs auch in flirrender Sommerhitze funktionieren, aber das soll und darf an dieser Stelle kein Gratmesser sein. KAUAN legen ein natur-atmosphärisches Album der Oberklasse vor, ein Album, in dem man sich immer wieder verlieren kann. Wenn man dies nicht schon freiwillig tut, die Songs übernehmen es gerne und ziehen unweigerlich in ihren Bann. Dabei spielt es erfahrungsgemäß keine Rolle, ob man die Musik in einem Stadium höchster Konzentration konsumiert oder sie (positiv gemeint) quasi nebenher plätschert. Sie bedient einfach viele Stimmungen, wie sie selber ausgesprochen vielseitig und dennoch einem festen Konzept folgend daherkommt. Antesten ist Pflicht.

Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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