Review Lantlôs – .neon

Was hätte sich der nekropädophile, kirchenmordende und christenverbrennende Urvater aller truen Black Metaller wohl gedacht, hätte man ihm im düstersten Wald Norwegens geflüstert, dass es eines Tages eine Kreuzung aus Black Metal und Post Rock geben würde (von seinem wohl ersten Gedankengang, „Was zur Hölle ist Post Rock einmal abgesehen…)? Wir werden es wohl nie erfahren… vielleicht wäre es ja auch, zugegebenermaßen widererwarten, ein euphorisches „Is des geil, Mann“ gewesen. Im Endeffekt tut das aber auch wenig zur Sache, schließlich ist heute eben nicht mehr vor 25 Jahren und auch der Black Metal (zum Glück) nicht nur ein warmer Aufguss dessen, was damals erfunden wurde.
Denn in der Tat, mit dem, was jene zündelnden und mordenden Genreväter damals aus der Taufe gehoben haben, hat das, was sich daraus über einige Umwege entwickelt hat, bisweilen nurnoch wenig zu tun… wie Bands wie Dinner Auf Uranus trefflich beweisen, deren schwarzmetallene Wurzeln man, wüsste man nicht um die Existenz von Nocte Obducta und deren Schaffen in den frühen Tagen der Band, wohl heute nichteinmal mehr erahnen würde.

Auch wenn sich LANTLOS nicht ganz so weit vom angestammten Prinzip Black Metal entfernt haben, so war doch bereits das Debüt gezeichnet von modernen Einflüssen und avantgardistischen Zügen, die das Album zu einem Referenzwerk der neueren Deutschen Black Metal-Welle werden ließen. „.neon“, der Nachfolger, setzt diese Entwicklung konsequent weiter und geht dabei mit der Zeit… und da ist eben momentan Black Metal mit Post Rock-Einflüssen im Trend.
Bis auf den Gesang hat hier in logischer Konsequenz eigentlich nurnoch wenig bis garnichts mit klassischen true-grim-frostbitten-Black Metal zu tun. Zu sagen, was etwas nicht ist, ist jedoch immer einfacher, denn es genau zu definieren… und so fällt es auch in diesem Fall einigermaßen schwer, den Stil von „.neon“ genauer zu definieren, als eben mit „Post Black Metal“ – einem in meinen Augen so treffenden wie, um ehrlich zu sein, realtiv nichtssagenden Terminus, da mir schon „Post Rock“ nicht sonderlich aussagekräftig erscheint… versuchen wir es also mit einer Beschreibung: „.neon“ weiß durchaus auch mit schnelleren, harten Passagen aufzuwarten, das Meiste spielt sich hier jedoch im Midtempo-Bereich ab. Ausufernde Schrammelriffarrangements, ruhige Cleanpassagen… spätestens jedoch beim Cleangesang in „Pulse/Surreal“ fühlt man sich der Welt des Black Metal gänzlich entrissen und in die von Bands wie Crippled Black Phoenix, Long Distance Calling und unzähliger anderer, vermutlich noch besser vergleichbarer Bands, die ich aber ob meiner Bildungslücke im Bereich des Post Rock nicht zu nennen vermag, entführt – selbst Black Metal-Scream-Gesang und Doublebass-Passagen ändern daran aufs Ganze gesehen relativ wenig.
Aus der Welt des (Black) Metal dürfte wohl ein Vergleich mit Alcest am treffendsten sein – und das nicht von ungefähr, ist deren Mastermind Neige doch auch hier für den Gesang zuständig. Zwar muss ich zugeben, dass auf „.neon“ fast ein paar Melodien auf Alcest-Niveau zu wenig zu finden sind (was sich jedoch wohl eher in der unterschiedlichen Intention der Künstler denn Unvermögen begründet), ist allein die Tatsache, dass das Werk den Vergleich mit deren erst kürzlich ebenfalls über Prophecy Records erschienenes Machtwerk „Écailles De Lune“ übersteht, eigentlich genug des Lobes.
Einzig der von einer Frau gesprochene Gedankengang im Titeltrack wirkt ein wenig… aufgesetzt, vermittelt die Dame doch wenig Gefühl ihn ihrem Sinnieren, erinnert dabei jedoch deutlich an die Sprachsaples auf „Sequenzen einer Wanderung“ von Nocte Obducta – auch wenn man LANTLOS zu gute halten muss, dass derartige gesprochene Passagen bereits auf dem Debüt zu finden waren.
Für Black Metal-Puristen sind LANTLOS wohl auch mit ihrem neuen Werk nicht unbedingt die richtige Wahl, was jedoch insofern nicht sonderlich verwundert, als dass auch der Vorgänger derartigen Kriterien keinesfalls entsprochen haben dürfte und „.neon“ doch mehr oder minder an diesen anküpft: Einerseits wurde ein deutlicher Schritt getan, der, wie immer bei Weiterentwicklungen, wohl nicht allen „alten“ Fans schmecken wird, da die Gesamtstimmung durch das „Post Rock Feeling“ meines Erachtens nach weniger düster ausfällt, andererseits erkennt man dem Material durchaus noch an, wer es geschrieben hat.

„.neon“ ist ein Album, das nicht gleich beim ersten Hören zündet, da es relativ viel bietet, jedoch zumindest bei mir mit genau dem gleichen Problem zu kämpfen hat, wie viel echter Post Rock: Nur wenig bleibt auf Anhieb hängen, nicht zuletzt, da weniger die einzelnen Songs, als eine stimmige Gesamtatmosphäre im Mittelpunkt stehen, die aber zumindest mich nicht sofort mitzureißen vermag. Gerade verglichen mit dem Vorgänger, der kraftvoll, mitreißend und nicht zuletzt durch Alboins Gesang sehr emotional aufgeladen war, wirkt „.neon“ bisweilen, man verzeihe mir den Ausdruck, etwas lahmarschig.
So stand mir nach dem ersten Durchlauf zunächst ein etwas ratloses „Und weiter?“ auf die Stirn geschrieben… doch zumindest insoweit kann ich beruhigen beruhigen, als dass man, wenn man im Laufe einiger Durchgänge mit „.neon“ familiärer wird und tiefer in die Atmosphäre des Albums eingetaucht, auch an diesem Werk durchaus Freude finden kann… des genialen Coverartworks wegen auch schon davor.

Wertung: 7.5 / 10

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