Das Cover der Manowar-EP "The Final Battle I"

Review Manowar – The Final Battle I (EP)

  • Label: Magic Circle
  • Veröffentlicht: 2019
  • Spielart: Heavy Metal

Man soll Reviews nicht in der ersten Person verfassen. Ich tue das nun dennoch und zwar, weil MANOWAR mir eine Herzensangelegenheit sind – abgesehen von Iron Maiden hat mich in meiner beeinflussbaren Jugend kaum eine Band so sehr geprägt wie die True-Metaller aus Übersee. Als Jugendlicher versicherten mir ihre testosteronschwangeren Texte, dass es okay ist, peinlich zu sein, nannten sie es doch „true“: Wann immer sich Klassenkameraden über Haarlänge, Musikstil oder Aussehen mokiert haben, konnte ich dank MANOWAR sicher sein, dass die ahnungslosen Deppen einfach nicht verstanden haben, worum es geht. Ich war „true“, die nicht. Doch MANOWAR begleiteten mich weit über die adoleszente Identitätsfindung hinaus, denn auch als ich meinen Platz in der Welt längst gefunden hatte (und daran hatten die lyrischen Ergüsse von Joey DeMaio am Ende doch nicht so viel Anteil, wie der Mann sich vielleicht einbilden mag), riss meine Faszination für die Band nicht ab. Ungeachtet ihres zweifelsohne peinlichen (nicht truen) Gehabes überzeugen mich MANOWAR bis heute auch musikalisch, steht ihr quintessenzieller Metal in seiner Einfachheit doch für alles, was den traditionellen Heavy Metal in seiner Urform ausmacht. 2019 geben sich die Herren jedoch reichlich Mühe, unser bislang ungetrübtes Verhältnis zu beschädigen.

Grund für meine Verstimmung ist „The Final Battle I“, eine EP, die sagenhafte vier Songs – Verzeihung, vier Titel, die Unterscheidung ist hier wichtig – umfasst und auf die gleichnamige Tournee von MANOWAR folgt. Und hier geht es auch schon los: MANOWAR hatten ja eigentlich vor, sich zu verabschieden. So traurig das – auch für mich – sein mag, es ist eine Entscheidung, die zu respektieren ist. Aber Pustekuchen: Ähnlich wie die Scorpions oder Ozzy Osbourne kassierten die Burschen mit ihrer angeblichen Abschiedstour ordentlich ab und überlegten es sich sodann anders. Allerdings ging man im Hause MANOWAR noch einen Schritt weiter: Während andere Bands wenigstens den Anstand haben, zu behaupten, die Farewell-Tour habe so viel Spaß gemacht, dass man nicht aufhören könne, ließ Bandkopf Joey DeMaio schlicht mitteilen, man habe das nie gesagt. Die Kollegen von Blabbermouth waren so nett, die entsprechende Ankündigung rauszusuchen: „Das war’s. Wir spielen noch eine letzte Tour… Aber alles Gute muss irgendwann mal ein Ende haben.“ Das war Eric Adams. Ein spitzzüngiger YouTube-User bezeichnete MANOWAR unlängst als Donald Trump des Metal und ich muss zugeben, da ist was dran. Man beachte hierzu auch die Ankündigung der hier zu besprechenden EP: „Die unglaubliche Power dieser Songs wird Euch überwältigen! Wir konnten auf einmal nicht mehr Lieder veröffentlichen, das wäre einfach zu viel gewesen.“ Okay. 17,99 für vier „Songs“ und das ist eure Erklärung? Wow. Schlicht wow.

Der erste dieser überwältigenden (engl. „mind blowing“) Songs ist „March Of The Heroes Into Valhalla.“ Was erwartet uns hier? Etwa eine Power-Ballade wie „Swords In The Wind“ oder „Heart Of Steel“? Mitnichten. „March Of The Heroes Into Valhalla“ ist ein gut zweineinhalbminütiges Instrumentalstück, das behauptet, Orchestersätze aufzufahren, aber in Wirklichkeit nur banale Synthie-Klänge bietet. Das schlägt in puncto Unnötigkeit mit Leichtigkeit alles, was sich an orchestralem Beiwerk auf „Gods Of War“ befindet, und so eröffnen MANOWAR ihre EP auf denkbar schlimmste Art und Weise. Bei einem Drittel seiner tatsächlichen Länge hätte „March Of The Heroes Into Valhalla“ noch als Intro getaugt, aber so möchte man sich fragen, warum die True-Metaller die Nummer nicht wenigstens – ähnlich wie das unsägliche „Nessun Dorma“ auf „Warriors Of The World“ – an dritter oder vierter Stelle dieser Platte bringen konnten. Überwältigend geht jedenfalls anders.

Nächste Nummer auf „The Final Battle I“ ist „Blood And Steel“, der einzige tatsächliche Metal-Song auf dieser EP. Prinzipiell ist an diesem Song nichts verkehrt, es ist eben eine typische MANOWAR-Single, die mit einem kantigen Mainriff stark an „The Lord Of Steel“ erinnert, allerdings ein bisschen weniger angriffslustig daherkommt. Musikalisch kann man der Band hier keine größeren Vorwürfe machen, denn der Song wird vornehmlich vom – wie immer superben – Gesang von Frontmann Eric Adams getragen, der die gewohnt platten Texte über Helden und Schwerter mit der gewohnten Überzeugung rüberbringt, und auch der neue Axtmann E.V. Martel etabliert sich mit seinem Solo auch im Studio als brauchbarer Nachfolger für den ausgeschiedenen Karl Logan. Dennoch: Weil der Song trotz seiner nicht zu leugnenden Vorzüge etwas müde aus den Boxen plätschert und obendrein recht schwachbrüstig produziert ist – dünnes Schlagzeug, schwache Gitarren – will die Nummer einfach nicht so recht mitreißen, selbst wenn man sich das so wie ich durchaus wünschen mag. Zumindest die „unlgaubliche Power“, welche MANOWAR im Vorfeld versprochen haben, bleibt aus und so legt „Blood And Steel“ nahe, dass wir durchaus ein ganzes Album anstelle einer überteuerten EP hätten vertragen können.

Weiter geht’s mit „Sword Of The Highlands“. Hier liefern MANOWAR die eingangs vermutete Power-Ballade nach. Auch die ist schon okay, irgendwie, aber eben lange nicht auf dem Niveau, das man von Mr. DeMaio und Band gewohnt ist. Das mag zu einem großen Teil daran liegen, dass die Band hier schon in den ersten Noten geradezu schamlos bei „Concerning Hobbits“ aus dem Soundtrack zu „Der Herr der Ringe“ abkupfert. Ich hatte nie den Eindruck, dass MANOWAR ein derartiges Plagiat nötig hätten. Ansonsten ist es ja ganz niedlich, dass die Burschen mal nicht über Vikinger, sondern über schottische Clans singen – ein Thema, das sich mindestens genauso gut romantisch verklären lässt – und somit bemüht sind, ihre gewohnten Klischees durch andere zu ersetzen. Trotzdem, Konserven-Flöten und Synthie-Klavier reichen nicht, um den Pathos überzeugend zu gestalten und so bleibt auch „Sword Of The Highlands“ leider nicht mehr als die Andeutung eines guten MANOWAR-Songs.

Und jetzt zum Grande Finale von „The Final Battle I“, „You Shall Die Before I Die“. Wenn in ein paar Jahren mal jemand fragt, wann genau die Selbstdemontage von MANOWAR begonnen hat, muss dieser Song als Ground Zero angeführt werden. Formal bekommt es die Hörerschaft hier mit einem ebenso düsteren wie zähen Doom-Stück zu tun, dessen Text auf verheißungsvolle Weise eher gesprochen als gesungen vorgetragen wird. Das gab es auch bei Nummern wie „Defender“ und kann durchaus funktionieren, allerdings nicht so: Während der Song bereits musikalisch dank für MANOWAR-Verhältnisse geradezu progressiven Basslinien alles andere als das Gelbe vom Ei ist, schlägt der „Gesang“ dem Fass den Boden aus. Der wird nämlich von niemand Geringerem als Band-Alleinherrscher Joey DeMaio vorgetragen. Der hat für seine Darbietung gesprochenes Wort mit bestenfalls angedeuteter Melodie aufgenommen und – obacht, Realsatire im Anflug – für mehr Effekt im Nachhinein die Aufnahme verlangsamt, um auch ja so richtig abgründig und „böse“ zu klingen. Das klingt dann ungefähr so wie die Albtraum-Version der ohnehin schon albtraumhaften William-Shatner-Interpretation von Elton Johns „Rocket Man“ und dürfte jeden MANOWAR-Fan fassungslos zurücklassen. „Mind blowing“? Allerdings.

Mit „The Final Battle I“ haben MANOWAR es nicht nur erreicht, dass ich über eine EP ein längeres Review als über manches Album schreibe, sondern auch, dass ich nach 20 Jahren zum ersten Mal nicht sicher bin, ob ich die nächste Veröffentlichung der Band überhaupt noch kaufen möchte. Zwei einigermaßen brauchbare Songs, ein überblähtes Intro aus Retorten-Streichern und der vermutlich schlechteste Song in der Karriere von MANOWAR zum Preis eines Albums sind – insbesondere von der Band, der ihre Fans nach eigener Aussage heilig sind – nicht weniger als eine bodenlose Frechheit. Ich mag MANOWAR und ich werde mit Sicherheit auch auf ihr nächstes Konzert gehen, aber die Vorstellung, dass die „Kings Of Metal“ noch zwei weitere EPs dieses Kalibers in der Mache haben könnten, lässt mich das Schlimmste befürchten, denn hier ist so gut wie überhaupt nichts „true“ aber dafür so ziemlich alles peinlich. Mind = blown.

Keine Wertung

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3 Kommentare zu “Manowar – The Final Battle I (EP)

  1. Bei allem Verständnis für verschiedene Geschmäcker und so… Aber wer meint, die Manowar Selbstdemontage hätte hier erst begonnen, hat den Schuss nicht gehört.

  2. Ich hab die EP mir damals auf der Tour vor einem Jahr gekauft, gabs da für nen Zehner. Diese Review spiegelt eigentlich 1 zu 1 meine Eindrücke wieder. Ich zitiere mal den Beitrag, den ich vor einem Jahr in einem Manowar-Fanforum (ja, sowas gibts tatsächlich noch!) verfasst habe:

    „Die EP ist die reinste Katastrophe. Und das liegt einzig und allein am vierten Song. Aber der Reihe nach:

    Das Intro klingt schön episch, auch wenns kein Metal und schade um die Spielzeit ist, aber immerhin etwas musikalisches hinterlässt. Blood and Steel ist ne typische, wenn auch relativ billige Manowar-Nummer aber kann man zumindest anhören. Und die Folk-Ballade… naja, irgendwie ein Abklatsch von „Fight for Freedom“. Nichts wirklich gravierend schlechtes, aber es gab halt selbst auf den neuen Alben so vieles, was hunderte Male besser war.

    Jetzt aber:

    WAS HAT JOEY DENN BITTE BEIM VIERTEN SONG GERITTEN?! Musikalisch klingt der ja wirklich interessant aber WARUM ZUR HÖLLE MUSS DER MAJESTRO DENN SELBER ANS FUCKING MIKROFON?! UND DANN AUCH NOCH IMMER WIEDER DIE SELBEN VERFLUCHTEN WORTE MIT ELEKTRONISCH VERZERRTER STIMME INS MIKRO BRÜLLEN???! Mal ehrlich, dieser Song ist mit ABSTAND das schlechteste, was ich je von der Band vernommen habe. Jeder positive Punkt, den die ersten drei Stücke irgendwie abgeben könnten werden aufs übelste vom letzten Song vernichtet, welcher die komplette EP in den tiefsten Abgrund zieht. Ne Joey, so geht das einfach nicht. Sowas kann man nicht bringen. Nicht nachdem man uns so lange warten lässt.

    Ich hab ja wirklich keine Erwartungen an die EP gehabt und nur mit den ersten drei Songs wäre ich absolut zufrieden gewesen und hätte nichts zu meckern gehabt (außer dass es nur so wenig ist), aber der letzte Song… nein nein nein nein!!!“

    Mit einem Jahr Abstand kann ich sagen: Es hat sich NICHTS geändert. Keiner der vier Songs hat sich irgendwie gebessert, keiner hats in meine Random-Playliste geschafft, ich spüre auch kein Verlangen, diese EP jemals wieder anzuhören. Manowar sind musikalisch am absoluten Tiefpunkt angelangt. Auch wenn das Konzert damals echt ziemlich gut war mit E.V. Martel an der Gitarre und Anders Johansson (ex Yngwie Malmsteen und ex HammerFall!) als Drummer. Was die Band inzwischen ihren Fans für Veröffentlichungen zumutet grenzt an Beleidigung.

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