Review Nachtgeschrei – Ardeo

NACHTGESCHREI brennen – dies impliziert zumindest die deutsche Übersetzung des Albentitels „Ardeo“ (zu deutsch: Ich brenne), dem inzwischen dritten Studioalbum der Frankfurter Mittelalter-Metaler. War es am Ende des Vorgängerwerks „Am Rande der Welt“ noch die Glut in den Augen, sonst ist es nun also ein handfestes Feuer. Doch wie hell leuchten die Flammen der elf Titel und wie oft wird auf Sparflamme musiziert?

Um zunächst im Sprachbild des Feuers zu bleiben: Der erste Track „An Mein Ende“ ist direkt ein Vulkanausbruch. Nachtgeschrei rotzen, rocken und fetzen mit Schrabbelgitarren lyrisch hochwertig durch ihren selbstdefinierten Stilmix aus Mittelalterrock, Metal und Folk. Zwar verlieren sich im Laufe von „Ardeo“ die Melodieinstrumente wie Drehleier, Flöte und Akkordeon etwas in den omnipräsenten Riffs und Drums, doch hier ist zunächst alles wohltemperiert und ausbalanciert.
Erwartungsgemäß kann dieses hochklassige Level nicht über die gesamte Scheibe hinweg gehalten werden, doch das Fegefeuer müssen Nachtgeschrei ebenso zu keiner Zeit fürchten. Im Vergleich zu ihren Erstlingswerken ist „Ardeo“ gesetzter und gleichzeitig druckvoller bzw. eindringlicher. Selbst vor melancholischen Balladen wie „Herbst“ und ihrer neuen Vorzeigenummer für ruhigere Klänge namens „So weit wie nötig“ schreckt die Formation nicht mehr zurück. Beinahe schwermütig und auch sanft wirken die Songs im Vergleich zum rockigen „Ich hör nichts mehr“ und „Herzschlag“.

Doch der gewagte Spagat bzw. die musikalische Weiterentwicklung gelingt: So wirken die Arrangements – ob laut oder leise – stets durchdacht und nie überladen. Darüber hinaus verfügt die Stimme von Sänger Hotti endlich nicht nur über Wiedererkennungswert, sondern auch über eine intensive Identität, die besonders den Balladen auf „Ardeo“ ihr Gesicht verleiht und Nachtgeschrei von anderen Metalkombos im MA-Bereich abhebt. Ergänzt wird der bunte Stilmix durch ein starkes Instrumental namens „Ad Astra“, welches im Vergleich zu früher Instrumentalwerken weitaus raffinierter und weniger auf Abrocken getrimmt wirkt, sowie u.a. passend eingesetzte Akkordeonklänge bei „Der Reisenende“. So verliert sich das gesamte Album nie in einem mit Folkklängen unterlegten Metaleinheitsbrei, sondern überrascht immer wieder durch Ausdifferenziertheit und neue, unerwartete Elemente.

Generell sind die einzelnen Stücke bis auf „Ad Astra“ sehr lang gehalten, überraschen durch viele größtenteils passende Breaks und bewegen sich textlich zumindest im groben Rahmen der zu Grunde liegenden Feuerthematik. Was dem heimlichen Konzeptalbum zum ganz großen Wurf fehlt, ist das letzte bisschen Überzeugungskraft und ein nachhaltiger WOW-Effekt bei mehr als ein bis zwei Songs. Wenn Nachtgeschrei allerdings weiter Feuer fangen, werden sie bald den Genregrößen auf Augenhöhe begegnen.

Wertung: 8 / 10

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