Review RPWL – Beyond Man And Time

Eine CD der deutscher Artrocker RPWL zu hören, ist immer so ein bisschen wie nach Hause kommen: Der wunderbar fein gewebte Klangteppich der Band ist perfekt dazu geeignet, zur Ruhe zu kommen und die Gedanken schweifen zu lassen. Das ist auch auf ihrem neuen Silberling „Beyond Man And Time“ nicht anders – auch wenn sich die Freisinger auf dem ersten Konzeptalbum ihrer Bandgeschichte solch schwerem Stoff wie Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ annehmen. Auf der Suche nach seinem wahren Ich begegnet der Protagist der Geschichte zahlreichen Figuren, die seinen Horizont Stück für Stück erweitern – z. B. dem freiwilligen Blinden, dem hässlichsten Mensch und dem Weisen in der Wüste. Genauso wie Nietzsches Werk endet auch „Beyond Man And Time“ in einer Art Bilanz, dem sog. großen Mittag, hier auf sehr ruhige Weise vertont im Abschlusstrack „The Noon“.

Auf dem Weg zu diesem nachdenklichen Abschluss begegnen wir nichtsdestotrotz typischen, geliebten oder gehassten RPWL-Klängen: Immer noch können RPWL ihre Liebe für Pink Floyd nicht von der Hand weisen, immer noch streuen sie eine Prise New Artrock à la Porcupine Tree ein, um ihre Musik modern tönen zu lassen, immer noch sind sie Freunde des gepflegten, schwelgerischen Midtempos. Wer das alles nicht mag, braucht es also – trotzdem ambitionierter Konzeptstory – (immer noch) nicht mit dem süddeutschen Fünfer versuchen. RPWL-Freunde hingegen dürfen sich auf ein sehr schönes Album freuen, auf dem sich Sänger Yogi Lang, Gitarrist Kalle Wallner, Keyboarder Markus Jehle und die neue Rhythmusfraktion – Werner Taus am Bass und Marc Turiaux hinter dem Schlagzeug – keinerlei Fehltritt leisten.

Nach dem instrumentalen Prolog „Transformed“ steht mit „We Are What We Are“ gleich das erste Highlight ins Haus. Von dieser dichten, absolut unkitschigen Atmosphäre ist man sofort gefangen. Der sehr ruhige, aber keineswegs langweilige Sound der Gruppe ist wie gemacht für das Erzählen tiefsinniger Geschichten. Dabei gelingt RPWL das Kunststück, selbst ein so hitverdächtiges, 80er-lastiges Stück wie „Unchain The Earth“ absolut organisch in den Fluss des Albums einzugliedern. Wer sich auf „Beyond Man And Time“ einlässt, entdeckt ein Werk, das völlig selbstverständlich Tradition und Moderne vereint, mit beeindruckender Leichtigkeit zwischen Artrock und puren Pop pendelt und Tiefschichtigkeit mit richtig guter Unterhaltung paart.

Der große Höhepunkt, das über 16-minütigen Retroprog-Epos „The Fisherman“, ist vielleicht etwas zu zerfahren geraten – da können auch die mächtigen Moog-Eskapaden nicht drüber hinwegtäuschen. Ansonsten aber ist die fünfte Studioarbeit der bayrischen Jungs gewohnt erstklassig, die Gitarrenarbeit von Yogi Lang nicht nur für Pink Floyd-Fanatiker eine wahre Freude und die Produktion absolute Spitzenklasse.

Betrachtet man die letzten drei RPWL-Outputs, so platziert sich „Beyond Man And Time“ genau in der Mitte. Es ist nicht so perfekt und farbenfroh wie die bisherige Referenz „A World Through My Eyes“, als ganzes aber runder als der Vorgänger „The RPWL Experience“. Well done!

Wertung: 8.5 / 10

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