Review RÛR – RÛR

  • Label: Northern Silence
  • Veröffentlicht: 2018
  • Spielart: Black Metal

Wer sich als Solokünstler im Atmospheric Black Metal einen Namen machen will, muss heutzutage weit mehr auf den Tisch bringen als nur solide Durchschnittskost – andernfalls riskiert man, in der immer weiter anschwellenden Masse an Veröffentlichungen übersehen zu werden. Ein eigenständiger Sound ist daher die beste Möglichkeit, um Aufmerksamkeit zu erregen. Dass der Norweger C.L. unter dem Pseudonym RÛR beim Musizieren keinen allzu großen Wert darauf legt, sich von seinen Vorbildern Paysage D’hiver, Caladan Brood und insbesondere Mare Cognitum abzugrenzen, wirft vorab also ein eher fragwürdiges Licht auf sein kreatives Schaffen. Dennoch hat man es bei seinem selbstbetitelten Debüt mit einem überraschend hörenswerten Album zu tun.

Wer mit den genannten Referenzgrößen vertraut ist, kann bereits vorab erahnen, was die vier römisch bezifferten Songs des erst 2017 gegründeten Projekts für die Hörerschaft bereit halten. Bei den zwischen acht und fünfzehn Minuten langen Tracks – wobei jede Nummer länger ist als die ihr vorausgehende – handelt es sich um ausschweifende, fließende Klangkonstrukte, die sich langsam aufbauen und schließlich mit voller Wucht über den Zuhörer hereinbrechen.

Die klanglichen Parallelen zwischen RÛR und Mare Cognitum sind geradezu frappierend: Von den kräftigen, leicht hallenden Screams über die trübsinnigen Leads und Riffs bis hin zum stürmischen Schlagzeugspiel, das die weitgehend getragenen Gitarrenmelodien mit polternden Drum-Rolls und Blast-Beats kontrastiert – alles an RÛR schreit förmlich nach seiner amerikanischen, ebenfalls als Soloprojekt konzipierten Inspirationsquelle. Diese Ähnlichkeit mag die Soundkreationen des norwegischen Newcomers auf den ersten Blick nur wenig spannend, vielleicht sogar redundant wirken lassen. In seiner Umsetzung ist das Debüt von RÛR jedoch derart stark, dass die mangelnde Selbstständigkeit kaum zum Tragen kommt.

Die ernstzunehmend epischen Melodien prägen sich ein, reißen mit und dann und wann finden sich kleine, stimmige Details, die die ohnehin schon dichte Atmosphäre weiter ausschmücken. Dabei handelt es sich etwa um verschiedene, der Natur entlehnte Sound-Samples, dezenten Chorgesang („III“) oder sphärische und zugleich finstere Clean-Gitarren („IV“). Sogar produktionstechnisch gibt es an dem gänzlich ohne Hilfe von außen aufgenommenen Album nahezu nichts auszusetzen. RÛR hat seinen Kompositionen einen kraftvollen, angemessen rauen und ausgeglichenen, wenn auch vielleicht etwas zu gedämpften Sound verpasst, der sich auch im Vergleich zu den Großtätern des Genres hören lassen kann.

Das erste Lebenszeichen von RÛR lässt hinsichtlich seiner Eigenständigkeit gewiss noch zu wünschen übrig und ein wenig mehr Variation im Songaufbau, wie sie in der zweiten Hälfte der Platte vereinzelt zu Tage tritt, hätte den vier Longtracks gut zu Gesicht gestanden. Wie sich in der Gegenüberstellung mit dem Re-Release von „The Sea Which Has Become Known“ zeigt, ist C.L. jedoch bereits jetzt ein fähigerer Musiker als es Jacob Buczarski (Mare Cognitum) zur Zeit seiner ersten Platte war. Somit stehen die Chancen gut, dass RÛR auch in absehbarer Zukunft ein stimmungsvolles Meisterwerk wie „Luminiferous Aether“ zu Stande bringen wird. Bis dahin ist man mit „RÛR“ jedenfalls äußerst gut bedient.

Wertung: 7.5 / 10

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