Review Steven Wilson – The Raven That Refused To Sing

Sich selber kann STEVEN WILSON mit dem Titel des Albums wohl nicht meinen. Kaum jemand ist im progressiven Rockbereich so umtriebig wie der Brite, der nicht nur regelmäßig auf Solopfaden unterwegs ist, sondern mit seiner Hauptband Porcupine Tree einen Hammer nach dem nächsten abliefert, mit Blackfield die seichteren Gemüter bedient und ganz nebenbei auch noch eine fruchtbare Freundschaft zu Mikael Akerfeldt und Opeth unterhält. Unnötig zu erwähnen, dass er so ganz nebenbei auch noch als Produzent von internationelen Größen wie etwa King Crimson aktiv ist. Ein Mann, der seinen Job über alles zu lieben scheint und dabei den Gesang auch ganz sicher nicht verweigert.

Das Problem bei einer solchen Creditliste ist natürlich die sich immer weiter auftürmende Erwartungshaltung, wobei es bei einem Chamäleon, wie WILSON es ist, mitunter schwer auszumachen ist, auf welchem Trip er gerade unterwegs ist. Und entsprechend mehrschichtig präsentiert er sich auf dem aktuellen Album. Sechs Songs, allesamt recht lang geraten, zeigen schön einen Teil der Bandbreite, in welcher sich der Brite bewegt. Teilweise sind die Lieder sehr progressiv, dann schimmert wieder die blackfieldsche Melancholie durch, spannend sind sie alle, was den Bogen des Albums vielleicht am ehesten beschreibt.
Spannend bedeutet allerdings nicht immer auch großartig, wobei man dabei den jeweiligen Standpunkt beachten sollte. Für mich als Gelegenheitsprogger, der konsequenterweise von Porcupine Tree auch „In Absentia“ am meisten schätzt, ist zum Beispiel der mit einigen wilden Bassparts gesegnete Opener „Luminol“ (ein Mittel, mit dem man Blutspuren sichtbar machen kann) in erster Linie mal anstrengend, während die herzrührende Ballade „Drive Home“ das klare Highlight des Albums ist. Überhaupt wechseln sich progressive und balladeske Songs irgendwie ab, denn auch „The Holy Driver“ und „The Watchmaker“ klingen eher anstrengend, weil verzwickt, „The Pin Drop“ und der Titeltrack gehen dafür etwas flotter ins Ohr.
Alle Songs eint im Prinzip die Liebe zum Detail gerade auf der musikalischen Ebene. Mir kommt es so vor, als wenn die Vokalanteile insgesamt eher zurückgeschraubt wären, was aber an den insgesamt ausufernden Strukturen liegt. Ich meine, bei Songs um und über zehn Minuten ist halt immer Platz für das eine oder andere Solo mehr. Diese werden durch das eine oder andere zusätzliche Instrument unterstützt, sanfte Violinen bei „Drive Home“, etwas Flötenartiges (genau möchte ich mich da nicht festlegen) bei „The Watchmaker“ lockern den Sound auf und bringen zusätzliche Abwechslung in ein ohnehin schon sehr heterogenes Album.
A propos Sound: Hier ist der Meister natürlich über beinahe jede Kritik erhaben, nach Jahrzehnten an den Reglern weiß man einfach, welche Knöpfe zu drücken sind. So ist der Klang transparent, wenn nötig warm, wenn nötig hart, die Instrumente sind klar herauszuhören, naja, 2013 ist das vielleicht sogar Standard, aber hier doch schon eine Erwähnung wert.

Die beinharten Progger werden wohl gerade an den von mir nicht so geliebten Songs ihre wahre Freude haben und als Freunde von WILSON und / oder seinen zahlreichen Nebenschauplätzen kann man bei „The Raven That Refused To Sing“ wohl sehr bedenkenlos zugreifen. Verschweigen möchte ich aber auch nicht, dass ich von STEVEN WILSON schon besseres Material zu hören bekam, teilweise ist es einfach doch etwas zu detailliert und verspielt.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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