Review Steven Wilson – 4 1/2

Das Album zwischen den Alben oder vier Striche und ein halber. STEVEN WILSON beehrt seine Jünger im Jahr 2016 mit einem Mini-Album, dass den wenig einfallsreichen Titel „4 1/2“ trägt. Vermutlich kann man es dem britischen Tausendsassa verzeihen, denn qualitativ sollte der musikalische Output über jeden Zweifel erhaben sein, selbst wenn fünf der sechs Titel nur Ausschussware sind.

Diese Songs stammen aus der Produktionsphase der Alben „Hand. Cannot. Erase.“ und „The Raven That Refused To Sing“, waren Herrn WILSON dann aber wohl doch zu gut um gänzlich verworfen zu werden. Deshalb zelebrieren sie nun in ausproduzierter Form auf „4 1/2“ ihre Veröffentlichungspremiere. Der Opener „My Book Of Regrets“ ist ein typisches Langstück aus dem STEVEN-WILSON-Hauptquartier, schlägt mit fast zehn Minuten zu Buche und hat viele verspielt-instrumentale Momente zu bieten, die Erinnerungen an eine Jam-Session zu Tage befördern. Die musikalische Note der beiden Vorgängeralben ist unschwer zu erkennen, was diesen Eröffnungssong aber nicht weniger großartig macht. Insgesamt schwebt der Gesang des namensgebenden Frontmanns, wenn er auch nur punktuell aufblitzt, so wabernd und verträumt durch den Raum wie schon lange nicht mehr. Die weiteren vier Kompositionen schwanken zwischen knappen vier und etwas über fünf Minuten und präsentieren sich schon aus diesem Grund weitaus eingängiger. Es ist auch das Schaulaufen aller wichtigen Mitmusiker und Bandkollegen der vergangenen Jahre, die diese Veröffentlichung zu einem interessanten Musikprodukt machen. Auch wenn der britische Autodidakt im Rahmen seiner Solo-Karriere mehr auf zerbrechlich-ruhige Rocksongs bedacht ist, fallen gerade diese neuen Stücke auffällig melancholisch und zurückhaltend aus. So wird eine Streichereinheit zum melodiegebenden Instrument erhoben und der Gesang komplett gestrichen („Year Of The Plague“), man erinnert an die Beatles mit leicht funkigen Gitarren („Happiness III“), präsentiert an Smooth Jazz erinnernde Soundcollagen inklusive Fusion-Gitarre und unerwarteten Energieausbrüchen („Sunday Rain Sets In“) oder bewegt sich wagemutig zwischen Stoner-Elementen und Kraftwerk-Gedächtnis-Synthesizern („Vermillioncore“). Das abschließende „Don’t Hate Me“ ist eine neu eingespielte Version des Porcupine-Tree-Klassikers, der zum ersten Mal 1999 auf „Stupid Dream“ erschienen ist und als schwermütiges Duett mit der israelischen Sängerin Ninet Tayeb dargeboten wird. Ein ausgedehntes Saxophon-Solo wird ebenfalls mitgeliefert.

Was STEVEN WILSON ausmacht steckt auch in „4 1/2“, dennoch muss man eine abgespeckte Version des weit gefächerten Musikspektrums des hochgradig aktiven Musikveteranen attestieren, wenn auch einige neue Facetten geboten werden. Vor allem der an einigen Stellen spärlich eingesetzte bis nicht vorhandene Gesang lässt den Verdacht von eben jenem durchgefallenen Material, dass die Songs nunmal sind, nicht von der Hand weisen. Dennoch kann man qualitativ keinesfalls meckern, denn die Produktion und das Herausstellen der einzelnen Instrumente sind nahezu einwandfrei. Ein gelungener Appetithappen, der die Wartezeit zum nächsten vollständigen Album mehr als würdig füllt.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Christian Denner

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